Fußball: Korruption bei der Uefa?:Kronzeuge im Wartestand

Der Fußballfunktionär Spyros Marangos aus Zypern vertieft seine Korruptionsvorwürfe um die Vergabe der EM 2012 in Polen und der Ukraine. Die Vorwürfe wiegen schwer - doch die Uefa und Präsident Platini weichen seinen Forderungen weiter aus.

Thomas Kistner

Fußball wurde am Wochenende wieder überall gespielt, hinter den Kulissen aber war halb Europa in Aufruhr. Fernsehteams von Polen über Deutschland, Italien bis Kroatien machten sich auf den Weg nach Zypern oder versuchten fieberhaft, mit dem dort ansässigen Fußballfunktionär Spyros Marangos in Kontakt zu treten. Der hatte Aufsehenerregendes publik gemacht: Ihm lägen Zeugenaussagen vor von Personen, die vor Gericht beschwören, dass das EM-Endturnier 2012 in Ukraine/Polen von Vorstandsmitgliedern der Europäischen Fußball-Union (Uefa) verschoben worden sei.

Fußball: Korruption bei der Uefa?: Uefa-Präsident Michel Platini könnte in seinem Verband Ärger drohen: Haben Funktionäre die EM 2012 verkauft?

Uefa-Präsident Michel Platini könnte in seinem Verband Ärger drohen: Haben Funktionäre die EM 2012 verkauft?

(Foto: AFP)

Die Uefa hatte die EM 2012 mit 8:4 Stimmen an das osteuropäische Duo vergeben, der hohe Favort Italien hatte deutliche Nachsehen.

Die angeblichen Stimmen-Käufe seien in einer zyprischen Anwaltskanzlei abgewickelt worden, behauptet Marangos. Ausgeschüttet worden seien rund elf Millionen Euro; die dickste Tranche an einen der vier gekauften Funktionäre habe 3,15 Millionen betragen. Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino bestritt am Freitag in Essen auf SZ-Anfrage am Rande des DFB-Bundestages jede konkrete Kenntnis der Vorwürfe; zu Marangos befragt sagte er, den Mann kenne er nicht.

Während eine zyprische Zeitung am Wochenende ein Foto von Marangos und Uefa-Präsident Michel Platini beim herzlichen Händeschütteln zeigte, reagiert die Uefa auf schriftliche Anfrage strikt zurückhaltend zum Mailverkehr, den Marangos mit ihr seit Monaten unterhielt. Dabei wirft Marangos der Uefa öffentlich vor, dass sie sich weigere, seine angeblich brisanten Belege zur Vergabe des Euro-Turniers 2012 anzunehmen.

Brisanter Schriftverkehr

Der Schriftverkehr, auf den er seinen ja auch sportpolitisch brisanten Vorwurf stützt, liest sich beeindruckend. Der Mailverkehr legt nahe, dass sich relevante Kräfte in der Uefa für die Unterlagen nicht sonderlich interessiert haben. Marangos hatte schon im Sommer zum damaligen Chef der Uefa-Disziplinarabteilung, Peter Limacher, Kontakt gefunden.

Limacher galt bis dahin als erfolgreichster Betrugsfahnder im Weltsport. Er vereinbarte mit dem Zyprer ein Treffen in Genf für den 24. August 2010. Kurzfristig, am 20. August, ließ er den Termin dann platzen: "Auf Wunsch meiner Vorgesetzten muss ich unser Treffen nächsten Dienstag absagen", mailte Limacher; "falls Sie Ihr Flugticket gebucht haben, übernehmen wir die Stornogebühr gegen Quittung."

Eine gewaltige Affäre droht

Er könne ja ein Dokument zur Uefa schicken. Marangos lehnte ab, auch trage er die Kosten selber. Am 15. Oktober meldete sich sein Anwalt Neoclis Neocleous ("Nach Absage des Treffens unseres Klienten mit Herrn Limacher am 24. August auf Wunsch von dessen Vorgesetzten") erneut bei der Uefa, deren Disziplinarabteilung antwortete, die Mail sei an die Rechtsabteilung weitergeleitet worden.

Auf SZ-Anfrage, warum und von welchem Vorgesetzten Limachers die Reise Marangos kurzfristig gestoppt wurde, beschrieb die Uefa am Freitag nur ein generelles Prozedere bei Verdachtsfällen: "Wir erbitten ein Beweisstück, das die Behauptung stützt. Erfolgt das nicht, unternimmt die Disziplinarabteilung nichts mehr." Was, auf Marangos Fall bezogen, keinen Sinn ergibt: Der war ja auf eigene Kosten im Anflug, um einen Stapel an Beweisstücken vorzulegen. Zudem ist der langjährige Spitzenfunktionär aus Zypern ein offizielles Mitglied der europäischen Fußballfamilie.

Ein Revirement droht

Marangos wollte seine Papiere - angeblich signierte Zeugenaussagen - nicht per Post versenden. Die gebe er nur für einen Richter oder die Polizei aus der Hand, sagt er, zum Schutz der Zeugen. Was nachvollziehbar wäre, falls die Zeugen tatsächlich hohe Uefa-Leute der Annahme von Millionensummen belasten.

Beobachter sind sich einig, dass die Uefa sehr zeitnah nicht umhin kommt, sich mit dem hartnäckigen Zeugen auseinanderzusetzen. Marangos sagte am Sonntag, sein Anwalt habe jetzt erneut Infantino angeschrieben mit der Frage, an wen in der Uefa er sich wenden solle. Auf eine Anfrage an Uefa-Boss Platini vor Monaten habe ihm Infantino zurückgeschrieben, "um sich für die Verspätung zu entschuldigen - Platini sei lang unterwegs", so Marangos.

Infantino hingegen bestreitet jede konkrete Kenntnis zum Vortrag Marangos' . Falls die Vorwürfe, die sich um teils stark vorbelastete Funktionäre drehen, juristisch belastbar sind, droht der Uefa nicht nur eine gewaltigere Affäre als derzeit dem Weltverband Fifa. Dann dürfte auch intern ein Revirement unvermeidlich sein.

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