Fußball - Köln:Ex-Nationalspieler Hector hört auf

Fußball - Köln: Kölns Jonas Hector (l) und Torhüter Timo Horn jubeln nach dem Spiel vor den Fans. Foto: Federico Gambarini/dpa
Kölns Jonas Hector (l) und Torhüter Timo Horn jubeln nach dem Spiel vor den Fans. Foto: Federico Gambarini/dpa (Foto: dpa)

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Köln (dpa/lnw) - Ein Fußball-Profi, da sind sich viele sicher, kann nur ein echter Star werden, wenn er sich selbst zur Marke macht. Jonas Hector ist der lebende Gegenbeweis. Hector liebt den Fußball. Mit dem Geschäft hat er aber vom ersten Tag an gefremdelt. Und deshalb hat er sich ihm konsequent verweigert. Er hatte nie einen Social-Media-Account. Vier Jahre lang verweigerte er sich sämtlicher Print-Interviews und TV-Auftritte. Kurze Fernseh-Interviews nach Spielen gab er selten und meist demonstrativ mürrisch.

Das brachte ihm Kritik ein. Die Liebe der Fans des 1. FC Köln hat er dennoch uneingeschränkt gewonnen. Wenn der Ex-Nationalspieler an seinem 33. Geburtstag am Samstag gegen Meisterschafts-Anwärter FC Bayern München mit seinem 410. Pflichtspiel im Trikot des 1. FC Köln seine Karriere beendet, wird das für viele Fans eine Zäsur im Vereinsleben sein. Eine große Choreo ist geplant, Tränen werden fließen.

Hector hat die Fans nie an seinem Leben teilhaben lassen. Und dennoch nennt Autor Ralf Friedrich, der gerade eine Biografie über Hector verfasst, ihn "die erste FC-Legende der Neuzeit". Dafür sorgten drei Dinge: erstens seine unerschütterliche Vereinstreue. Zweitens: seine konstant guten Leistungen. Und drittens kurioserweise genau seine Außendarstellung. Hector wurde dafür gefeiert, dass er sich nicht vereinnahmen und verbiegen ließ, dass seine Ablehnung authentisch sei. So war er dann irgendwie auch eine Marke.

Obwohl öffentliche Auftritte als Kapitän eigentlich zu seinen Pflichten gehört hätten. Doch auch im Verein behelligte man ihn damit nicht. Jonas Hector gab es nur so oder gar nicht. Und auch Trainer Steffen Baumgart lernte schnell, wann er den seiner Meinung nach "besten Linksverteidiger Deutschlands" besser in Ruhe lässt. "Er kann einem auch mal die kalte Schulter zeigen", sagte Baumgart im Podcast "Thekenphilosophen": "Dann weiß ich aber, was in ihm los ist." Sein Wert für das Team sei trotzdem über jeden Zweifel erhaben. "Jonas ist kein Lauter", erklärte der Coach: "Er zeigt, wie ruhig ein Kapitän sein kann und ist trotzdem immer präsent. Wer mich kennt, weiß, dass ich etwas lauter bin. Jonas macht es ganz anders, und trotzdem folgen ihm alle."

Und auch so war das Drumherum für den Saarländer manchmal eine Qual. Auf die Frage, ob er "je ein durch und durch glücklicher Profi" gewesen sei, antwortete Hector nun in seinem Abschieds-Interview mit dem Magazin "11 Freunde": "Wenn ich an alles zurückdenke, muss ich sagen: Nein."

Er habe nun einfach keine Lust mehr "auf die Öffentlichkeit, in der man als Profi zwangsläufig steht, auf den ständigen Druck". Er wolle "nicht mehr in dem Gefühl leben, ständig ums Überleben zu kämpfen, sondern mich samstags der Gartenarbeit widmen, anschließend ins Stadion schlendern und mir die Sache aus einem neutralen Blickwinkel anschauen". Er freue sich "auf freie Wochenenden. Ich sehe mich als Vater, der auf dem Sportplatz seinem Kind zuguckt - ein schöner Gedanke".

In seiner sportlichen Vita stehen beim Abschied 43 Länderspiele, mit dem Gewinn des Konföderationen-Pokals 2017 und dem entscheidenden Elfmeter im EM-Viertelfinale 2016 gegen Italien als Höhepunkte. Er wurde zweimal Zweitliga-Meister und erreichte zweimal mit dem FC den Europacup. Einer wie er, der das Spiel lesen kann, ungemein mannschaftsdienlich ist und zudem als Linksverteidiger eine händeringend gesuchte Spielergattung vertritt, hätte sicher mehr erreichen können. Viel mehr.

Immer wieder gab es auch Gerüchte um Angebote großer Clubs. 2016 soll der FC Barcelona angeklopft haben. "Ein Gerücht. Das Angebot hat es nie gegeben", sagte Hector nun. Dass Borussia Dortmund ihn haben wollte "habe ich auch mal gelesen, aber soweit ich mich erinnere, hatte ich in den Jahren nur ein einziges ernstzunehmendes Angebot von einem anderen Verein vorliegen - und das kam für mich nicht infrage." Das verwundert. Und doch auch nicht. Denn Hector versprühte immer die Aura, dass man ihn gar nicht erst zu fragen brauche. "Mein Ziel ist nicht, am Ende meiner Karriere 400 Millionen Euro auf der Bank liegen zu haben", hatte er 2018, beim Gang in die 2. Liga als aktueller Nationalspieler erklärt: "Gefühl ist wichtiger als Geld."

Genau deshalb hoffen sie in Köln, Hector vielleicht doch noch umstimmen zu können. Vor allem, wenn die Transfersperre der FIFA bestehen bleiben sollte. "Ich kann es mir nicht vorstellen", sagte er dazu: "Aber im Fußball sollte man nie "Nie" sagen." Wie konsequent Hector ist, musste vor einigen Monaten aber auch Bundestrainer Hansi Flick erfahren. Der wollte ihn nach dem stillen Rücktritt 2020 zu einem Nationalmannschafts-Comeback für die WM 2022 bewegen. Hector sagte ab. "Zwei Jahre zuvor hatte ich die Sinnhaftigkeit von Länderspielreisen hinterfragt", erklärte er: "Und ich kam zu dem Schluss, dass sich an meiner Einstellung nichts geändert hat."

© dpa-infocom, dpa:230525-99-820975/3

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