Fußball in Usbekistan:Meister aus dem Reagenzglas

Der usbekische Klub Bunjodkor Taschkent ist erst vier Jahre alt - und lockt den Fußball-Adel mit Millionen. Mit dabei sind unter anderem Trainer Scolari und Altstar Rivaldo.

Frank Nienhuysen

Man kann sich nur schwer vorstellen, wie gierig Rivaldo die Videos seiner Gegner studiert, wenn die Mannschaften Navbahor, Sogdiana oder Metallurg Bekabad heißen. Unlust am Arbeitsplatz ist ihm jedenfalls schwer anzulasten, selbst wenn beim letzten Spiel nur 5316 Zuschauer in die Jar Arena von Taschkent sickerten. Es waren eigentlich zu wenige Zeugen für den anschwellenden Trommelwirbel des Brasilianers, der in Usbekistan noch einmal großartige Form zeigt. 37 Jahre alt ist er inzwischen, und wenn es auch die angeblich zehn Millionen Euro für zwei Jahre gewesen sein mögen, die ihn vor einem Jahr nach Usbekistan trieben, so haben inzwischen doch beide Seiten daran verdient.

Fußball in Usbekistan: Weltmeister in Taschkenter Diensten: Bunjodkors Trainer Scolari (rechts) gibt seinem brasilianischen Landsmann Rivaldo Anweisungen.

Weltmeister in Taschkenter Diensten: Bunjodkors Trainer Scolari (rechts) gibt seinem brasilianischen Landsmann Rivaldo Anweisungen.

(Foto: Foto: Reuters)

Rivaldos Erfolgsserie begann vor ein paar Wochen mit einem Tor gegen Andischan; schon zweimal traf der Weltfußballer 1999 im Spiel darauf gegen Navbahor, mit einem Hattrick bediente er anschließend den Klub Bekabad, und zuletzt traf Rivaldo sogar viermal, beim 5:0 gegen Sogdiana. In der Torschützenliste führt er mit 14 Treffern so deutlich wie sein Verein Bunjodkor Taschkent in der usbekischen Liga. Da ist sogar noch etwas Luft nach oben, denn Rivaldo brauchte für seine vier Tore nicht mehr als 17 Minuten. Man könnte sich fragen, wozu der usbekische Klub überhaupt noch Luiz Felipe Scolari braucht, der vor wenigen Tagen als neuer Trainer vorgestellt wurde.

Das Hoffenheim Usbekistans

Bunjodkor will im Blitztempo nach oben, in eine andere Liga aufrücken, die es im eigenen Land gar nicht gibt, nämlich in die Phalanx der internationalen Spitzenklubs. Den Verein als das Hoffenheim im usbekischen Wüstenstaat zu bezeichnen, träfe den Kern nicht wirklich. Denn Taschkent hat ganz offensichtlich noch mehr Geld, spielt als Meister bereits im Viertelfinale der asiatischen Champions League, und deutlich zügiger ging der Fortschritt bisher auch voran. Erst vor vier Jahren wurde der Verein überhaupt gegründet, gezüchtet im Reagenzglas, und trotz der kurzen Lebenszeit hat er sich schon einmal umbenannt. Zunächst hieß der Klub Kuruvchi, seit einem Jahr nun Bunjodkor, was so viel bedeutet wie "Schöpfer". Und im Schöpfen ist der usbekische Hauptstadtverein bisher auch ziemlich erfolgreich.

Scolari ist nach Rivaldo der spektakulärste Transfer der Taschkenter, doch in Luizão, Edson Ramos und João Victor stehen drei weitere Brasilianer im Kader, und brasilianisch sind auch der Assistenztrainer, der Fitnesscoach und der Torwarttrainer. Scolaris Alltagssprache dürfte somit Portugiesisch bleiben, auch wenn er versprochen hat, schon in zwei Monaten werde er einen "elementaren Wortschatz" in Russisch und Usbekisch nachweisen.

Interesse an Stars wie Eto'o

Niemand in den europäischen Ligen sollte sich demnächst also noch über eingehende Manager-Anrufe aus Mittelasien wundern. Die zentrale Frage ist, woher hat ein unbekannter Verein wie Bunjodkor Taschkent so viel Geld, um den gerade erst an der Stamford Bridge entlassenen Trainer des FC Chelsea nach Asien zu locken? Und Spieler wie Samuel Eto'o, Carles Puyol, Andres Iniesta und Cesc Fábregas dazu zu bringen, wenigstens schon einmal zu Verhandlungen nach Usbekistan zu reisen?

Das Land am Kaspischen Meer hat nicht nur Seidenstraßen-Romantik zu bieten und kulturhistorische Städte wie Samarkand und Buchara. Die eigentlich gewinnbringenden Schätze sind seine Öl- und Gasfelder, die mit internationaler Hilfe erschlossen werden. UzGazOil und Neftgazmontaj sowie eine Reihe weiterer Energiefirmen sind die wichtigsten Geldgeber von Bunjodkor, aber auch sie sind in dem autoritären Staat wohl nicht von allein auf den Gedanken gekommen, viel Geld in einen Klub zu investieren, der erst vor kurzem zu sprießen begann.

Präsidententochter kontrolliert

Die unabhängige usbekische Internetzeitung Uznews berichtete, dass der Unternehmer Miradil Dschalalow zwar offiziell den Verein führt, vermutlich aber Gulnara Karimowa, die mächtige Tochter des Präsidenten Islam Karimow, Bunjodkor kontrolliert. Sie solle aus dem Klub eine international prestigebringende Visitenkarte für das Land machen, das vom Westen immer wieder wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert wird, als Wirtschaftspartner jedoch an Bedeutung gewinnt. Der ehemalige britische Botschafter in Usbekistan, Craig Murray, kann sich sogar vorstellen, dass die schöne Präsidenten-Tochter mit dem Bunjodkor-Märchen ihre eigene Popularität mehren soll. "Ich höre, dass sie irgendwann die Nachfolge ihres Vaters antreten könnte", sagte er dem Guardian.

Im nächsten Jahr wird in Taschkent jedenfalls das neue Stadion fertig, eingebettet in einen Sportpark mit sieben Trainingsplätzen. Es kostet 150 Millionen Dollar und wird Platz haben für 35000 Zuschauer - ein weiterer Baustein für den Blitz-Aufstieg des Vereins. Felipe Scolari sprach nach seinem ersten Training von einem "hohen Ansehen, das Bunjodkor im Weltfußball hat" und er denke gar nicht daran, seine Zeit in Usbekistan vor Ablauf der eineinhalbjährigen Vertragsdauer schon wieder zu beenden. Nur den Usbeken Server Djeparow zieht es weg aus seiner Heimat, und hinein in die Welt der europäischen Ligen. Aber Ersatz zu beschaffen für Asiens Fußballer des Jahres dürfte für den Verein kein großes Problem sein. Eto'o sagte, für ihn habe Bunjodkor 25 Millionen Dollar ausgeben wollen - "für zwei oder drei Monate".

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