Fußball in Südafrika:Die Tore der anderen

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15 Jahre nach dem Ende der Apartheid wächst Südafrikas Fußball allmählich zusammen. Das Nationalteam ist das vielleicht bekannteste Integrationsprojekt des Landes.

Ronny Blaschke

Lucky Stylianou spielte Fußball zur falschen Zeit am falschen Ort, dafür musste er ins Gefängnis, manchmal ein paar Stunden, manchmal einen Tag. Die Gesetze der Apartheid schrieben vor, wohin er gehen durfte. Sein Arbeitsplatz gehörte zur verbotenen Zone. 1978 war er zu den Kaizer Chiefs gewechselt, einen der beliebtesten Klubs Südafrikas, beheimatet in Soweto, dem größten Township des Landes. Er war der erste weiße Spieler im Verein, der einzige Weiße auf dem Rasen, manchmal der einzige Weiße im Stadion. "Eine verrückte Zeit", sagt er. "Das vergesse ich nie."

"Wir haben viel nachzuholen." - Nachwuchsspieler in Soweto, wo einst Südafrikas Fußballkultur aufblühte, aber von der Welt isoliert war. (Foto: Foto: Getty)

Er scheint noch immer nicht glauben zu können, dass die Hautfarbe im Fußball einmal wichtiger war als Talent. Acht Jahre hat er für die Kaizer Chiefs gespielt und Titel gewonnen, das Regime hat ihn kritisch beobachtet, lebensgefährlich wurde es nicht. Er hatte einen Vorteil gegenüber anderen, er war prominent. Er musste sich nicht dem Zwang von getrennten Toiletten oder Hauseingängen unterwerfen, die schwarzen Fans vergötterten ihn, die Polizisten sahen oft über Vergehen hinweg.

Wichtigstes Spiel seit Jahren

Lucky Stylianou, 57, steht für Vergangenheit und Zukunft, inzwischen ist er Jugendkoordinator bei den Kaizer Chiefs. Er steht am Spielfeldrand im Orlando-Stadion, im Herzen Sowetos gelegen, umgeben von brüchigen Häusern und Wellblechhütten. Seine Spieler, die nicht älter sind als siebzehn, kicken gegen die Reserve der brasilianischen Nationalmannschaft. Er applaudiert, gibt Anweisungen, im Hintergrund klicken Kameras. An diesem Donnerstag trifft der Rekordweltmeister im Halbfinale des Confederations-Cups auf Südafrika, für den Gastgeber der WM 2010 ist es das wichtigste Spiel seit Jahren. "Ein Glücksfall, ein großer Traum", sagt Stylianou. "Unser Fußball war lange von der Welt isoliert, wir haben viel nachzuholen."

Als die Apartheid 1994 zu Ende ging, waren die Talente, die Stylianou betreut, gerade geboren. Sie wissen wenig von Rassentrennung, Erniedrigung, Zerstörung von Existenzen. Es gehört zu seinem Bildungsauftrag, ihnen die Geschichte einer zerrissenen Sportart näher zu bringen. 1892 wurde der südafrikanische Fußballverband (Fasa) ausschließlich für Weiße gegründet, sie spielten ihre Meisterschaften, während Schwarze, Farbige und Asiaten in der Abgeschiedenheit unter sich kicken mussten, auf Schotter und Straßen. 1957 wollte das Land entweder eine rein schwarze oder weiße Auswahl zur Afrika-Meisterschaft entsenden, ein Affront gegenüber den anderen Nationen, Südafrika wurde disqualifiziert. Vier Jahre später verbannte auch der Weltverband Fifa den Kapstaat aus seinen Wettbewerben.

Die Begeisterung der Weißen ging zurück, sie konzentrierten sich auf Rugby und Kricket, Talente wie Torwart Gary Bailey wechselten nach Europa. In den Armenvierteln wurde Fußball beliebter. "Die Leute haben alles um sich herum vergessen", erzählt Stylianou. "In keinem anderen Land habe ich so viel Begeisterung erlebt." Das Derby in Soweto, der Heimat Nelson Mandelas, zwischen den Kaizer Chiefs und den Orlando Pirates, wurde zum Höhepunkt des Jahres. Die Weißen verfolgten höchstens den englischen Fußball. Wer sich für die Tore der anderen interessierte, musste mit Strafen rechnen, Gefängnis, Passentzug, Drohanrufen.

Nationalteam wurde zum Symbol

Mitte der achtziger Jahre folgten Stylianou immer mehr Grenzgänger in die Stadien, ein Zeichen für den wachsenden Zorn gegenüber dem Regime. Im Dezember 1991 vereinten sich die getrennten Verbände zur South African Football Association (Safa), der Basis des südafrikanischen Fußballs. Bafana, die Nationalmannschaft, wurde zu einem Symbol der Regenbogennation, in der elf Sprachen gesprochen werden, 1996 wurde sie zu Hause Afrika-Meister. Die Regierung bewarb sich gezielt um die Austragung sportlicher Großereignisse, um die Vereinigung zu stärken. Anders als im Rugby verzichteten die Fußballer auf eine Quotenregelung, sie wollten ethnische Mischung nicht erzwingen.

"Fußball ist Integration", sagt Rowen Fernandez, Ersatztorwart Bafanas, unter Vertrag bei Arminia Bielefeld. Er ist neben Stammspieler Matthew Booth einer von zwei Weißen in der Auswahl für den Confederations Cup, das entspricht dem Bevölkerungsanteil in Südafrika, der bei zwölf Prozent liegt. Anders sieht es auf den Tribünen aus, zu den Ligaspielen verirren sich wenige Weiße, sie haben Angst vor Übergriffen. "Alles Klischees", sagt Lucky Stylianou. Die WM soll helfen, auch die großen Vereine, Pirates und Chiefs, wollen ihre Zielgruppen erweitern. "Es ist wie zu meiner Zeit", sagt Stylianou. "Die guten Spieler wollen alle zu den Kaizer Chiefs, egal welche Hautfarbe." In seinem Jugendteam steht kein Weißer, wieder ist er allein. "Heute hat das zum Glück andere Gründe", sagt er und lacht. "Bei mir entscheidet ausschließlich Leistung."

© SZ vom 25.06.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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