Fußball in Spanien:Spaniens Fußball verlässt seine Home Base

Spanish Super Cup - Barcelona v Sevilla

Der FC Barcelona spielte kürzlich im marrokanischen Tanger.

(Foto: REUTERS)
  • Spaniens Fußball treibt ein Problem um: Immer mehr entfernt sich das Spiel von den Fans, in dem immer mehr Kommerz Einzug hält.
  • Es geht um Spielansetzungen in fremden Ländern und zu komplizierten Fernsehzeiten.

Von Javier Cáceres

Zu den unvorhergesehenen Zusatzleistungen, auf die nun knapp 9000 Dauerkartenbesitzer des FC Girona hoffen dürfen, zählt auch eine Reise in die Vereinigten Staaten. Das Heimspiel des Erstligisten gegen den FC Barcelona, vorgesehen im Januar 2019, soll nicht im engen Montilivi-Stadion von Girona stattfinden.

Sondern, wenn sich Spaniens Fußball-Ligaverband LFP durchsetzt, in Miami. Oder in New York. Jüngst unterschrieb die LFP einen Vertrag mit dem US-Sportpromoter Relevent, der vorsieht, dass in den nächsten 15 Jahren pro Saison eines der 380 Erstliga-Spiele in den USA stattfindet - aus Marketingzwecken. Dass die Stammkunden Gironas auf eine US-Reise hoffen dürfen, liegt daran, dass die LFP die Fans angeblich mitnehmen will - in eigens gecharterten Flugzeugen.

In Spanien ist die Aufregung beträchtlich. Was insofern überrascht, als der Fußball nicht zum ersten Mal aus seinem Zusammenhang gerissen wird. Gekontert wird der Refrain eines berühmten Popsongs ("Football's coming home"): Der Fußball verlässt seine Home Base.

Beispiele gefällig? Der spanische Supercup fand zuletzt in Tanger in Marokko statt; den französischen Supercup stemmte Paris Saint-Germain in China in den Himmel über Shenzhen; die Nationalteams von Brasilien oder Argentinien tragen ihre Testspiele eher in der Schweiz oder den USA als in der Heimat aus. Auch in Deutschland gibt es Überlegungen, die in die Ferne zielen - von jenen, die aus dem Fußball Milliardenprofite ziehen. "Was spricht dagegen, wenn künftig ein DFB-Pokalfinale statt in Berlin in Shanghai ausgetragen würde?", fragte Adidas-Chef Kasper Rorstedt bereits.

Der härteste Widerstand gegen eine US-Expansion kommt in Spanien allerdings von den Darstellern, von den Profis selbst. Wie die Fans klagen sie über marktgesteuerte Eingriffe in die Tradition. Weil irgendwo auf dem Erdball jemand zuschaut, dem man noch ein paar Dollar abpressen kann, werden die zehn Spiele der Primera Division heute schon auf neun oder zehn verschiedene Termine eines Wochenendes gestreckt - angepfiffen wird in der Salami-Liga am Sonntagmittag um zwölf oder jetzt sogar nach 22 Uhr. Die Profigewerkschaft hat eine Streikdrohung ausgesprochen, die von den Erstliga-Kapitänen gestützt wird, auch von Lionel Messi beim FC Barcelona und Sergio Ramos bei Real Madrid.

Ob es zum Schwur, zum Streik kommt, hängt auch davon ab, ob der US-Traum von LFP-Chef Javier Tebas die letzten Hürden nimmt. Wettkampfspiele im Ausland müssen von Spaniens Verband und vom Weltverband Fifa abgesegnet werden. 2008 noch hatte sich die Fifa gegen Auslandspläne der englischen Premier League gestellt, mit der Begründung, sie schadeten den Interessen der Fans. Seither ist viel Zeit vergangen, in der offenbar in Vergessenheit geriet, dass der Fußball auch von Ritualen, Liturgien und Zugehörigkeitsgefühlen lebt, die nicht beliebig und global verpflanzbar sind. Noch hat man das Limit nicht ausgereizt, an dem man im Streben nach größerem Umsatz die Seele des Spiels zerstört. Aber man kommt ihm immer näher.

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