Fußball in Spanien:Real Madrid schwächt sich selbst

Real Madrid CF v Club Atletico de Madrid - La Liga

Folgenschwerer Zusammenprall: Toni Kroos (rechts) trifft seinen Real-Kollegen Pepe.

(Foto: Getty Images)
  • Real Madrid muss in der spanischen Liga in der 85. Minute noch das 1:1 gegen Stadtrivale Atlético hinnehmen.
  • Nach einem Zusammenprall mit Toni Kroos erleidet Innenverteidiger Pepe zwei Rippenbrüche.
  • Auch der Franzose Raphael Varane fehlt Real beim Champions-League-Duell gegen den FC Bayern.

Von Javier Cáceres, Madrid

Es war ein Spiel ganz nach dem Geschmack von Diego Simeone. Und das war bestens zu erkennen, als der Schiedsrichter Anstalten machte, das Madrider Derby abzupfeifen. Simeone, der Trainer von Atlético Madrid, drehte sich vom Spielfeld ab und machte die Säge wie weiland Boris Becker. Ein 1:1 hatte Atlético bei Real Madrid erkämpft, das Resultat hält Atlético auf Champions-League-Kurs und verkompliziert Real Madrid etwas den Weg zur 33. Meisterschaft, sie wäre die erste seit 2012. Und nach dem Geschmack Simeones war das alles nicht zuletzt deshalb, weil Atlético Real Madrid mit einer Mikrodosis Fußball in die Suppe gespuckt hatte.

Atlético ist jetzt Dritter, zehn Punkte hinter Real, das nach Abpfiff das 1:1 noch als Rückschlag im Titelkampf wahrnehmen musste, am Abend allerdings davon profitierte, dass Barcelona unerwartet 0:2 beim FC Malaga unterlag. Real hat drei Punkte Vorsprung auf Barcelona - und ein Spiel weniger. So war das 1:1 am Ende nur ein Dämpfer, ein Sieg jedenfalls wäre ein großer Schritt auf dem Weg zum Titelgewinn gewesen.

"Wir sind enttäuscht, aber nicht angeschlagen", lächelte Real Madrids Trainer Zinédine Zidane nach der Partie, der letzten vor der Champions-League-Visite beim FC Bayern. Dass das Remis schwer zu verdauen war, konnte man nur gut nachvollziehen. Atlético glich erst in 85. Minute aus, durch einen feinen Linksschuss des französischen Nationalspieler Antoine Griezmann. Die Führung hatte Innenverteidiger Pepe per Kopf erzielt, nach einem millimetergenauen Freistoß des deutschen Nationalspielers Toni Kroos (52. Minute).

Auch Kroos wird ausgewechselt: eine Vorsichtsmaßnahme

Wenig später musste Pepe feststellen, dass Kroos nicht nur samtene Füße, sondern auch einen Körper aus Stahl hat. Nach einer Abwehraktion von Kroos vor dem eigenen Strafraum rasselte Kroos mit Pepe, 34, zusammen und erwischte den brasilianischstämmigen Portugiesen derart heftig am Oberkörper, dass Pepe ausgewechselt und dann im Krankenhaus geröngt werden musste.

Am Abend stand fest: Pepe fällt mit Brüchen zweier linker Rippen gegen Bayern aus. Auch Kroos wurde nach 75 Minuten ausgewechselt - allerdings als Vorsichtsmaßnahme, da sich die Aggressivität Atléticos vor allem in Attacken auf die Knöchel des Mittelfeldspielers manifestierte. Taktisch jedenfalls war die Maßnahme kaum zu begründen, und sie verursachte durch geschickte Wechsel von Simeone eine Dominanz Atléticos im Mittelfeld, die letztlich zum Ausgleich führte.

Zuvor war die Passivität Atléticos die größte Überraschung im mit 80.000 Zuschauern ausverkauften Bernabéu-Stadion gewesen. Die Aufstellung von Real Madrid war jedenfalls keine Überraschung. Denn dass Zidane die "Mailänder Elf" aufstellen würde - die Spieler, die im Mai 2016 gegen Atlético Madrid den elften Königsklassenpokal in die Vitrinen von Real Madrid entführte -, galt vorab als ausgemacht. Es hätte eine Generalprobe für München sein sollen - doch nun muss Pepe passen. Als Ersatzmann dürfte - wie am Samstag in Madrid - nun das Eigengewächs Nacho neben Sergio Ramos zum Zuge kommen. Denn Real Madrids französischer Nationalspieler Raphael Varane hatte sich schon in der vergangenen Woche krankgemeldet.

Was Varane aus dem Krankenstand sah, war eine Partie, die lange keine Fahrt aufnahm. Erstens, weil bei Atlético kaum der Wille zu erkennen war, die Spieleröffnung des Gegners zu stören und Chancen zu generieren. Stattdessen wartete man geduldig mit zwei tiefstehenden Viererketten auf die Gastgeber und ließ nicht mal bei eigenen Eckstößen Dringlichkeit erkennen. Weil auch Real Madrid zunächst stärker darauf bedacht zu sein schien, keinen Ball zu verlieren, um den Kontern Atléticos aus dem Weg zu gehen, dauerte es eine gute Viertelstunde, ehe sich so etwas wie Gefahr entwickelte.

Ist Trainer Zidane schon amtsmüde?

Nach einer Viertelstunde wurde Atléticos Torwart Jan Oblak von Cristiano Ronaldo geprüft, er parierte den Flachschuss des Portugiesen in die linke Torecke souverän. Noch spektakulärer war Obklas Intervention in der 28. Minute: Nach einem Doppelpass mit Ronaldo schoss Karim Benzema aus zentraler Position aufs Tor, doch Oblak bekam die Hand an den Ball. Ronaldo selbst hätte sich nach gut einer halben Stunde als Torschütze eintragen können, doch den Schuss, den er auf den Außenristpass des kroatischen Mittelfeldgenies Luka Modric folgen ließ, klärte Atléticos Innenverteidiger Stefan Savic mit dem Kopf auf der Linie. Umgekehrt kam Atlético eigentlich nur durch Griezmann zu einer Torgelegenheit, nach einem Fehler von Real Madrids Innenverteidiger Sergio Ramos in der Spieleröffnung (40.). Doch Reals Keylor Navas parierte.

Auch nach der Pause hatte Real Madrid Übergewicht - und größere Chancen. Ronaldo scheiterte per Kopfball aus sechs Metern (47.), hernach rettete Atléticos Torwart Oblak bei einem Nahdistanzschuss von Benzema, der von Ronaldo per Kopf im Fünfmeterraum bedient worden war (48.). Der Treffer aber entsprang deutscher Wertarbeit: durch einen wunderbaren Freistoß, den Kroos aus dem rechten Halbfeld in den Strafraum trat und den Pepe verwertete.

"Das müsst ihr jemand anderes fragen..."

Nach einer Stunde musste Real Madrid erstmals wirklich leiden, als Atléticos Stürmer Fernando Torres nach einem Pass von Carrasco ähnlich allein auf Torwart Navas zulief wie im EM-Finale 2008 gegen Deutschland. Doch diesmal scheiterte er. Es folgte Pepes Pech, die Auswechslung von Kroos und der späte Ausgleich Atléticos, der die Spekulationen um Reals Trainer Zinédine Zidane nicht gerade verstummen lassen dürfte.

Am Vorabend der Partie hatte Zidane gesagt, dass er sich mit der Vorbereitung der kommenden Saison noch gar nicht befasst habe, es sei noch gar nicht klar, ob er Trainer bei Real Madrid bleiben werde. Ist er schon amtsmüde? Oder war es nur die Binse, dass sein Verbleib von den Resultaten abhängt? Am Samstag äußerte sich Zidane ähnlich kryptisch, als er gefragt wurde, ob seine Zukunft als Real-Trainer vom Titelgewinn abhängt. "Das müsst ihr jemand anderes fragen...", sagte er und meinte Klubchef Florentino Pérez. Ruhe vor einer Reise nach München klingt irgendwie anders.

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