Fußball in Schottland:Celtic stößt Rangers zurück in die Hölle

Celtic's Izaguirre is challenged by Rangers' Law during their Scottish League Cup semi final soccer match in Glasgow

Celtics Emilio Izaguirre versucht sich Nicky Law von den Rangers vom Leib zu halten.

(Foto: Reuters)

Das "Old Firm"-Derby ist zurück. Im schottischen Cup-Halbfinale kämpfen die Glasgow Rangers erstmals seit dem Zwangsabstieg gegen Celtic. Beim 2:0 des Favoriten ist zu spüren, warum dieses Spiel eines der größten in Europa ist.

Von Martin Anetzberger

Der 29. April 2012 markierte eine Zeitenwende im schottischen Fußball. Zum vorerst letzten Mal trafen Celtic und Rangers aufeinander. Wenige Wochen später stand fest: Die Rangers aus dem Westen Glasgows, der Rekordmeister, der stolze Verein mit seiner überwiegend protestantisch und britisch geprägten Anhängerschaft musste in der vierten Liga von vorne beginnen. Die Teams der Scottish Premiership, wie die erste Liga in Schottland heißt, hatten ihm nach der Insolvenz einen Neustart in der obersten Spielklasse verweigert.

Die Fans von Celtic, dem von irisch-katholischen Einwanderern gegründeten Klub aus dem Glasgower Osten, konnten ihre Schadenfreude nicht verbergen. Auf einem Spruchband in ihrer Kurve stand damals "Verrottet in der Hölle". Doch natürlich wussten auch sie, dass die schottische Liga vor allem von der erbitterten Konkurrenz zwischen Grünweiß und Blaurot lebt.

Weltweit bekannt ist dieses Derby unter dem Namen Old Firm - "Das alte Beständige" - was unter anderem damit zu tun hat, dass das in einer normalen Saison vier Mal ausgetragene Duell nicht nur für volle Stadien sorgt, sondern auch den Marktwert der Premiership mitbestimmt. Dabei ist Schottlands Liga im Vergleich zu England, Deutschland, Spanien oder Italien eher ein kleines Unternehmen.

Rangers oder Celtic - einen anderen Meister gab es lange nicht, doch in diesen Tagen ist vieles anders. Zum ersten Mal seit der Abstinenz der Rangers tut sich Celtic schwer, die Liga wie sonst zu dominieren. Mit nur drei Punkten Vorsprung vor dem FC Aberdeen führt das Team die Tabelle an. Passenderweise ist Aberdeen genau der Verein, der 1985 letztmals die schottische Dualität aus Rangers/Celtic durchbrach. Der Wiederaufbau der Rangers verläuft ebenso holprig, in der zweiten Liga kassierte man bereits fünf Pleiten.

Dementsprechend groß war die Vorfreude an diesem Sonntag, als die beiden Vereine nach knapp drei Jahren wieder aufeinandertrafen. Rivalität macht eben vor allem dann Spaß, wenn man seinem Gegner auf dem Rasen gegenübersteht, und die Fans sich ihre Verachtung entgegenbrüllen können. Austragungsort des Pokalfights war der Hampdon Park, das schottische Nationalstadion - eine Art neutraler Boden im schottischen Fußball. Nach dem Ibrox Park der Rangers und dem Celtic Park ist die weiträumige Arena das dritte große Stadion in Glasgow.

Sie alle eint das Attribut: Kathedralen des Fußballs. Auf das beschränkt, was in dieser rauen, ehemaligen Arbeiterstadt den Fußball ausmacht: Gesang, Bier, einfaches Essen und vor allem bedingungslose Unterstützung für das eigene Team, in den sich bei den Rangers die Sympathie für die britische Krone mischt - bei Celtic kommt die Queen meist nicht allzu gut weg.

Einige Celtic-Fans hatten die Stimmung vor dem Spiel zusätzlich angeheizt. In einer umgerechnet 4000 Euro teuren Zeitungsanzeige im Sunday Herald sprachen sie dem wieder gegründeten Rivalen die Berechtigung ab, sich als Teil des Old Firm zu betrachten. Die Rangers seien ein unterklassiger Klub, der seine Heimspiele im Ibrox Park austrägt, hieß es.

Den Celtic-Anhängern gefällt es nicht, dass das neue Rangers-Konstrukt, an dem auch Felix Magath ein Prozent hält, die 54 Meistertitel für sich beansprucht, obwohl die alte Betreibergesellschaft im Anschluss an das Insolvenzverfahren aufgelöst wurde. Die Anzeige war also Ausdruck von Ignoranz und ein bisschen Arroganz, aber vor allem: Provokation.

Celtics Kapitän sehnt sich nach den Rangers

Ach ja: Fußball wurde auch gespielt. Trotz der Emotionen blieben alle Zuschauer auf ihren Plätzen und sahen, wie Celtic die Rangers 2:0 besiegte und ins Pokal-Finale gegen Dundee United einzog. Das Ergebnis täuscht ein wenig über den klaren Spielverlauf hinweg, der Herald bezeichnete die Begegnung als eines der einseitigsten Derbys der Geschichte. Und doch: Das Gesicht Scott Browns, des kahlrasierten Celtic-Kapitäns, hatte schon vor dem Einlauf der Mannschaften gezeigt, wie wichtig dieses Duell trotz der scheinbaren Ignoranz der Anhänger auch für Celtic war. Brown blickte drein, als wollte er sich alle Rangers-Abgesandten persönlich vorknöpfen.

Tatsächlich wurde Brown, der seit 2007 für Celtic spielt und schon einige Old Firms erlebt hat, zum prägenden Akteur seiner Mannschaft. Vor dem 2:0 störte er die Verteidigung der Rangers entscheidend, Kris Commons traf mit einem Schuss ins linke Kreuzeck (31. Minute). Davor hatte Leigh Griffiths das Team mit einem wuchtigen Kopfball in Führung gebracht (10.).

Eine gute Chance zum 3:0 machte der Referee zunichte. Brown wurde bei einem Zweikampf im Mittelfeld gefoult, brachte den Ball aber trotzdem noch auf den vollkommen frei auf das Tor laufenden Griffiths. Doch der Schiedsrichter unterbrach, anstatt Vorteil zu gewähren. Nach der Pause hätte Celtic nach einem Foul an Griffiths (57.) einen Strafstoß bekommen müssen, doch diesmal blieb die Pfeife stumm. Danach ließ Celtic die Rangers bis zum Strafraum weitgehend ungestört spielen und verlegte sich nur noch aufs Kontern.

Richtig ruppig wurde es auf dem Platz nur einmal, als die Rangers den eingewechselten Stürmer John Guidetti gegen Ende ungestraft zu Fall brachten und sich ein grünweiß-blaurotes Rudel bildete. Auch hier fiel Brown auf, er beruhigte den 22-jährigen Schweden Guidetti und bewahrte ihn davor, sich durch eine Tätlichkeit die Freude über den Sieg zu verderben. Brown kassierte in der 93. Minute dann noch die gelbe Karte, als er einen Gegenspieler derart heftig umsenste, dass beinahe Rollstuhlgefahr bestand. Brown war anzumerken: Er hatte sich nach diesem Derby gesehnt.

Es war ein Spiel mit der gewohnten Prise Pfeffer, doch wie das auf der Insel so ist: Am Ende nahmen die Rangers-Spieler die Niederlage fair hin. Sie hatten in den gut eineinhalb Stunden zuvor nicht einmal gefährlich auf das gegnerische Tor geschossen. Doch sie waren zumindest für einen Tag aus der Hölle der unteren Ligen auf die große Bühne des schottischen Fußballs zurückgekehrt, um dem Rivalen im 400. Derby gegenüberzutreten. Mutig aber chancenlos.

Das Schicksal des Klubs entschied sich ohnehin nicht an diesem Sonntag. Mit großem Rückstand belegen die Rangers derzeit den zweiten Platz in der zweiten Liga. Der direkte Aufstieg bleibt ihnen damit wohl verwehrt. Der Verein kann die Hölle nur durch das Fegefeuer der Relegation verlassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: