Fußball in Russland:"Putin und Mutko haben den Fußball privatisiert"

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Im Zentrum der Affäre: Russlands Sportminister Witali Mutko (links) und Präsident Wladimir Putin (Archivbild) (Foto: Getty Images)
  • Der Usbeke Alischer Aminow will das russische Fußball-Establishment verändern.
  • Russland, Gastgeber der Fußball-WM 2018, steht schon länger in der Kritik.
  • Präsident Putin und Sportminister Mutko unterhalten seit vielen Jahren enge Beziehungen zu Fifa und Uefa.

Von Johannes Aumüller

Alischer Aminow ist gerade viel unterwegs. Italien, Holland, Deutschland, gegen Ende der Woche natürlich der Wahlkongress des Fußball-Weltverbandes in Zürich. Der 53-Jährige ist auf der Suche nach Verbündeten, denn er hat ein ambitioniertes Ziel: Er will das russische Fußball-Establishment verändern - und weil sich dafür in Russland zumindest öffentlich und zumindest derzeit nur schwer Mitstreiter finden lassen, versucht Aminow sich an einem anderen Weg: über einflussreiche Figuren in Europa.

An diesem Freitag wählt der Fußball-Weltverband (Fifa) einen neuen Präsidenten, der Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino und Scheich Al-Khalifa aus Bahrain sind die Favoriten. Andauernd wiederholen sie das Mantra, eine neue Fifa errichten zu wollen, die anders werde als die des gesperrten Amtsinhabers Sepp Blatter. Es ist nach Einschätzung vieler Beobachter zwar fraglich, ob sich an den großen Linien der Föderation wirklich etwas ändert.

Aber dennoch könnte die Wahl des einen wie des anderen ein paar konkrete Änderungen zur Folge haben - unter anderem mit Blick auf Russland. Das Land hat gerade einen besonderen Status inne. Es ist der Gastgeber der nächsten Weltmeisterschaft - und dieses Turnier ist in jedem Fall auch ein Lackmus-Test für die Frage, ob es wirklich eine neue Fifa gibt, die Probleme anders angeht und löst als die alte.

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"Der Fußball in Russland ist in einer tiefen Krise", sagt Aminow - und in der Tat gibt es auf den unterschiedlichsten Ebenen eine Vielzahl von Problemen. Rund um den Neubau der Spielstätten fürs WM-Turnier kursieren schon wieder Vorwürfe, dass hier nur eine kleine Gruppe von Kreml-nahen Geschäftsleuten das große Geschäft mache - so ähnlich wie schon bei den Olympischen Spielen in Sotschi. Arbeiter beklagen die schlechten Bedingungen. Die wirtschaftliche Lage des Landes ist - auch aufgrund des sinkenden Ölpreises - angespannt. Aber die Kosten fürs WM-Turnier dürften wieder enorm sein, und zwar so enorm, dass manche schon die Ausrichtung des Turnieres infrage stellen. "Ich weiß nicht, ob die WM 2018 in Russland stattfinden sollte. Wir haben viele andere Probleme in unserem Land", sagte Aminow.

Bei den Vereinen ist die sportliche Weiterentwicklung gering: Seitdem ZSKA Moskau (2005) und Zenit Sankt Petersburg (2008) den Uefa-Cup gewannen, träumen viele von größeren Vereinserfolgen auch in der Champions League, aber tatsächlich hat sich der Abstand zur Spitze eher vergrößert. Rund um die Vereine tummeln sich diverse dubiose Gestalten, die Affären sind zahlreich. Gleich sieben russische Klubs erhielten in den vergangenen Jahren Strafen wegen Verstößen gegen die Finanzregeln der Europäischen Fußball-Union (Uefa). Und auch bei der Nationalelf sieht es nicht rosig aus: Junge Talente kommen kaum und jedenfalls nicht rechtzeitig bis zur Heim-WM nach, und ob der jüngsten Leistungen stellen sich viele die Frage, wie die Sbornaja sich in zwei Jahren als ordentlicher Gastgeber präsentieren möchte.

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Für Aminow sind die Ursachen für diese Probleme eindeutig. Da sei zum einen die herrschende Funktionärsklasse um Witalij Mutko, zugleich Verbandschef, Vorsitzender des Organisationskomitees für die WM 2018, Sportminister und ein alter Petersburger Freund von Staatspräsident Wladimir Putin. Und da sei zum anderen die Staatsmacht, die sich immer wieder in die Belange des Fußballs einschalte. "Russland ist Weltmeister nicht im Fußball, sondern in der illegalen Einmischung des Staates in den Sport", sagt Aminow: "Putin und Mutko haben den Fußball privatisiert."

Aminow ist mit seiner Haltung nicht allein, es gärt vernehmlich in den Machtzirkeln des russischen Fußballs. Ab und an kommen die Konflikte auch an die Öffentlichkeit. Aber nur wenige Kritiker treten so offen auf, wie das in diesen Tagen Alischer Aminow tut. Der gebürtige Usbeke war lange Teil des Systems. Seit 2004 arbeitete er für den Verband, 2010 und 2012 kandidierte er vergeblich als Präsident. Er hat ein paar Konzepte ausgearbeitet, die sich zumindest sinnvoll lesen, etwa ein neues Finanzreglement. Doch umgesetzt wurden seine Ansätze nie. Irgendwann ist er ausgeschert, und jetzt hat er wieder ein paar Reformvorschläge vorgelegt, die sich sinnvoll lesen - von der obligatorischen Einführung von öffentlichen Debatten zwischen allen Kandidaten, die sich für ein hohes Fußballamt bewerben, über eine Reform der Fernsehgelder-Verteilung bis hin zur Stärkung von Fußballer-Gewerkschaften.

Doch wie realistisch ist es, dass sich in Russlands Fußball tatsächlich etwas verändert? Bisher waren die Drähte zwischen Putin/Mutko einerseits und den Zentralen der internationalen Verbände eng. Fifa-Patron Blatter nannte Putin einen Freund und empfahl ihn einmal sogar als Nachfolger. Sportminister Mutko ist neben allen anderen Ämtern auch noch Mitglied in der Fifa-Exekutive.

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Auch der bisherige und jetzt ebenfalls gesperrte Uefa-Chef Michel Platini, für den es wohl im Mai einen Nachfolger gibt, unterhielt enge Beziehungen gen Moskau: Nicht zuletzt der von Russland mitorchestrierte Block der kleinen osteuropäischen Staaten hievte ihn 2007 überhaupt ins Amt. Über viele Jahre saß in seinem Vorstand Sergej Fursenko, noch so ein Putin-Vertrauter aus alten Tagen. Der Energieriese Gazprom sponsert die Champions League der Uefa sowie künftig die Fifa gleichermaßen.

Nun ist die Frage, auf welchen Kurs gegenüber Russland sich der neue Fifa- und der neue Uefa-Chef begeben. Beim Weltverband lässt sich das bereits rasch überprüfen: Dessen Führung beschwert sich gemeinhin über zu viel staatlichen Einfluss auf den Sport - zumindest wenn es ihr (sport)politisch in den Kram passt. Manchmal übersieht sie diesen Einfluss auch generös. Bei Mutko hingegen ist er offensichtlich, immerhin arbeitet er gleichzeitig als Sportminister und als Verbandchef. Doch noch geht die Argumentation der Fifa so, dass das nicht "per se" ein Thema und ein Problem sei.

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