Fußball in Russland:"Hier habt ihr 60.000 Dollar"

Zum wiederholten Mal steht ein Spiel des politisch brisanten Erstligisten Terek Grosny unter Manipulationsverdacht.

Johannes Aumüller

Wladimir Putin ist nicht gerade als großer Fußballfan bekannt, der russische Ministerpräsident steht eher auf Kampfsportarten wie Judo oder Karate. Doch gemeinhin heißt es, dass die Schicksale zweier Vereine dem früheren Staatschef am Herzen liegen: zum einen das von Zenit St. Petersburg, dem letztjährigen Uefapokal-Sieger aus Putins Heimatstadt, und zum anderen das von Terek Grosny, dem Hauptstadtverein der Krisenregion Tschetschenien. Denn Terek ist mehr als nur ein Fußballverein, er ist zugleich auch eine Art sportlicher Krisenhelfer. Der Klub soll einen Teil dazu beitragen, nach dem offiziell für beendet erklärten, tatsächlich jedoch weiterschwelenden Konflikt in der Region den Anschein von Normalität zu erwecken.

Fußball in Russland: Fans von Terek beim ersten Heimspiel in Grosny im März 2008.

Fans von Terek beim ersten Heimspiel in Grosny im März 2008.

(Foto: Foto: dpa)

2000 hatte Moskau veranlasst, dass die Mannschaft wieder in den Spielbetrieb eingegliedert wurde. Sie kämpfte sich auch dank eines vom Staat unterstützten Etats bis in die höchste Spielklasse. Die Heimspiele durfte sie nicht in Grosny austragen, sondern musste in eine Nachbarregion ausweichen. Als Terek 2005 auf dem letzten Platz lag, erklärte die Klubleitung, bei einem Abstieg sei die "politische Stabilisierung des Nordkaukasus" gefährdet und erbat sich von Putin Hilfe gegen die aus ihrer Sicht voreingenommenen Schiedsrichter; Grosny stieg trotzdem ab, kehrte zwei Jahre später aber wieder in die Premjer-Liga zurück.

Seit März 2008 absolviert Terek seine Heimspiele im Sultan-Bilimchanow-Stadion in Grosny - trotz massiver Bedenken der Moskauer Vereine und enormer Sicherheitsvorkehrungen. Die Spitze des Klubs ist fast identisch mit der von Moskau protegierten politischen Führung Tschetscheniens: Als Präsident des Vereins amtiert Ramsan Kadyrow, der zugleich auch tschetschenischer Präsident ist. Sein Stellvertreter ist Chaidar Alchanow, im politischen Leben Sportminister der autonomen Republik.

Diese Umstände sorgen für eine besondere Brisanz, wenn in diesen Tagen ein neuer Verdacht den russischen Fußball befällt, in dem es des Öfteren zu Auffälligkeiten kommt. Danach soll das Liga-Spiel zwischen Terek und Krylja Samara Sowjetow am 13. Juni (3:2) manipuliert worden sein. In den Stunden vor der Partie waren auffällig hohe Summen auf eine Niederlage des eigentlichen Favoriten Samara registriert worden. Buchmacher in mehreren Ländern hatten Wetten auf das Ergebnis ausgesetzt.

"Mir hat überhaupt nicht gefallen, was ich gesehen habe", sagte Russlands Fußballverbands-Präsident Witalij Mutko, der zugleich Sportminister im Kabinett Putin ist. Die Verantwortlichen von Terek wiesen den Vorwurf weit von sich. Der Komsomolskaja Prawda sagte Kadyrow: "Wir brauchen solche gekauften Siege nicht. Wir haben noch nie Siege gekauft, so etwas machen wir nicht." Und Samaras Trainer Leonid Sluzkij ergänzte: "Diese Vorwürfe sind eine Lüge."

Es ist jedoch nicht das erste Mal, dass sich Terek Grosny mit dem Vorwurf der Spielmanipulation auseinandersetzen muss. Zuletzt hatte ihn Trainer Wladimir Kosogow erhoben. Der behauptete im vergangenen Jahr, Terek und Tomsk hätten sich 2004 den Aufstieg in die erste Liga gekauft. Damals war Kosogow Trainer des Zweitligisten Arsenal Tula und will von Grosny-Funktionären ein konkretes Angebot erhalten haben. "Gebt uns das Spiel. Hier habt ihr 60.000 Dollar für die ganze Mannschaft." Nachdem das Angebot abgelehnt wurde, hätte man geantwortet: "Dann geben wir es eben dem Schiedsrichter."

Im April 2008 sorgte das Spiel zwischen Terek und ZSKA Moskau für Aufsehen. Nach der Partie berichtete Schiedsrichter Alexander Gwardis, in der Halbzeitpause habe ein Abgeordneter des tschetschenischen Parlaments Druck auf ihn ausgeübt. Nur wenig später erlebte Gwardis' Kollege Alexej Kowaljow ähnliches, als Dynamo Moskau auf Terek traf: Unbekannte Personen hätten ihn in der Kabine körperlich angegangen. Die Schiedsrichter schrieben einen offenen Brief an den Verband und drohten mit Boykott, falls sie bei Spielen von Terek weiter physischem und psychischem Druck ausgesetzt seien. Der Verband sprach schließlich eine Strafe von umgerechnet etwa 13.500 Euro aus.

Selbst um den bisher größten Erfolg der Vereinsgeschichte, den ebenfalls gegen Samara errungenen Sieg im russischen Pokal 2004, gab es immer wieder Gerüchte. Nachgewiesen werden konnte dem Klub aber ebenso wenig etwas wie in den anderen Fällen. Kritiker sagen, das liege auch daran, dass nur halbherzig ermittelt werde. Im Fall des nun unter Verdacht stehenden Spiels hat der Verband erst einmal reagiert, indem er seine "Ethikkommission" eingeschaltet habe. Das klingt gut, allein: Diese Kommission war noch nie in Erscheinung getreten, es ist nicht bekannt, wer ihr angehört und wer ihr vorsitzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: