Fußball in Russland:Der weiße Russe

Mal wieder hat der russische Fußball einen großen Namen als Trainer geholt: Brasiliens Fußballidol Zico übernimmt in der neuen Saison ZSKA Moskau - und droht zu scheitern.

Johannes Aumüller

Wenn ein ausländischer Fußballer oder Trainer in die finanzstarke russische Liga wechselt, fällt mit einer Sicherheit von 100 Prozent der Satz: Nein, ums Finanzielle geht es bei diesem Transfer ganz bestimmt nicht, sondern allein um die sportliche Weiterentwicklung. Dieser Satz erzeugt bei vielen ein Schmunzeln. Zu Recht.

Fußball in Russland: Zu Spielerzeiten erhielt Zico den Spitznamen "weißer Pelé".

Zu Spielerzeiten erhielt Zico den Spitznamen "weißer Pelé".

(Foto: Foto: Imago)

Wenn aber in diesen Tagen Brasiliens Fußballidol Zico wegen seines neuen Trainerjobs bei ZSKA Moskau beteuert: "Finanziell gewinne ich mit diesem Wechsel nichts" - dann darf man das getrost glauben. Denn Zico kommt geradewegs von Bunjodkor Taschkent, einem Verein aus Usbekistan, dessen Präsident Isok Akbarow kürzlich bereit war, für ein Trainingsspiel mit dem FC Barcelona mehr als fünf Millionen Euro zu bezahlen - ein ordentliches Trainersalär für Zico in russischer Größenordnung war da sicherlich auch kein Problem.

Es scheint dem 55-Jährigen tatsächlich ums Sportliche zu gehen - zumal er darauf verweisen kann, dass sein neuer Verein ein interessantes Projekt darstellt. ZSKA ist neben Zenit St. Petersburg der perspektivreichste Klub der Premjer-Liga, der Verein gewann im Uefa-Cup kürzlich die Gruppe H und steht in der Runde der letzten 32.

Dennoch befindet sich der von Roman Abramowitsch geförderte Klub im Umbruch. In den vergangenen Monaten haben die Brasilianer Dudu und Jo den Klub verlassen, zudem ging nach der Saison 2008 (in Russland wird nach dem Kalenderjahr gespielt) Trainer Walerij Gassajew - Namen, die für eine erfolgreiche Epoche standen und von 2005 bis 2008 einen Uefa-Pokal-Sieg, zwei russische Meisterschaften und drei russische Pokalsiege einbrachten.

Nun muss Zico eine neue Mannschaft aufbauen. Da sind zum einen die jungen Talente aus der erfolgreichen Nachwuchsarbeit von ZSKA - allen voran der 18-jährige Spielmacher Alan Dsagojew, der als Entdeckung des Jahres 2008 gilt und mit einer starken Leistung im WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland von sich reden machte. Dazu sollen mit Zico als Aushängeschild noch etablierte Kräfte kommen, denn nicht nur international - ZSKA hat sich als Zweiter der abgelaufenen Saison bereits direkt für die Champions League 2009/10 qualifiziert - warten schwere Aufgaben.

Ein schweres Terrain für ausländische Trainer

Während noch vor einigen Jahren in Russland lediglich drei Moskauer Mannschaften (ZSKA, Spartak, Lokomotive) ernsthafte Anwärter auf die vorderen Tabellenplätze waren, hat sich in den zurückliegenden Spielzeiten die Spitze verbreitert. St. Petersburg hat mit viel Geld den Kampf mit den drei etablierten Moskauer Klubs aufgenommen, aus der Provinz hat sich 2008 unerwartet Rubin Kasan zum Titel gespielt, und in unmittelbarer Nachbarschaft Moskaus formt der deutsche Trainer Jürgen Röber bei Saturn Ramenskoje ein aussichtsreiches Projekt.

Ob in diesem Rennen aber ausgerechnet Zico helfen kann, ist fraglich. Zum einen zehrt Zico mehr von seinem Glanz als Aktiver denn von seinen Qualitäten als Coach. Weder die bisherigen Stationen (die japanische Nationalmannschaft, Fenerbahçe Istanbul, Bunjodkor Taschkent) noch die eher schmale Erfolgsliste (türkischer Meister und Champions-League-Viertelfinalist mit Fenerbahçe) sind nachdrückliche Empfehlungen. Zudem muss er mit der immer noch großen Popularität seines grummeligen Vorgängers Gassajew zurechtkommen. Geschickt spann der "weiße Pele" gleich zu seinem Amtsbeginn die Traditionslinien zu Gassajew: "Wir wollen den offensiven Stil von Gassajew fortsetzen. Die Fans lieben Walerij vielleicht. Ich will mir auch ihre Liebe erkämpfen."

Es wäre allerdings nicht zu überraschend, falls Zico in Moskau scheitern sollte. Denn anders als Nationalcoach Guus Hiddink arbeiteten prominente ausländische Liga-Trainer bisher nicht sonderlich erfolgreich: Die Engagements von Artur Jorge (Dynamo Moskau) und Nevio Scala (Spartak Moskau) endeten 2004 vorzeitig, der Mitte des vergangenen Jahres gekommene Michael Laudrup quälte sich mit Spartak im Mittelfeld der Liga herum. Einzige Ausnahme ist Dick Advocaat, der mit Zenit St. Petersburg 2007 Meister und 2008 Uefa-Pokal-Sieger wurde - und der, so sagen viele in Russland, hatte so viel Geld und so viele gute Spieler in der Mannschaft, dass es eine Kunst gewesen wäre, nicht Meister zu werden.

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