Fußball in Polen:Letztes Mittel: EM weg

Polens Fußball versinkt immer weiter im Sumpf der Korruption. Nun soll auch der Sohn des früheren Nationaltrainers Jerzy Engel in einen großen Bestechungsskandal verwickelt sein.

Thomas Urban

Das hat den Polen noch gefehlt. Erst gab es große Aufregung wegen des sogenannten Fußballkrieges der Boulevard-Medien beiderseits von Oder und Neiße. Und nun wurde der Vereinstrainer Jerzy Engel, der 29-jährige Sohn des gleichnamigen früheren Nationalcoachs, wegen seiner mutmaßlichen Verwicklung in den großen Bestechungsskandal des polnischen Profifußballs verhaftet. Maskierte Beamte des gefürchteten Zentralen Antikorruptionsbüros (CBA) führten ihn in Handschellen ab, das staatliche Fernsehen filmte für die Abendnachrichten. Der Vorwurf: Er soll die Verantwortlichen mehrerer Vereine aus der dritten Spielklasse dazu animiert haben, mindestens ein Dutzend Partien zu verschieben.

Fußball in Polen: Jerzy Engel Senior muss sich nun auch Sorgen um seinen unter Korruptionsverdacht stehenden Sohn machen.

Jerzy Engel Senior muss sich nun auch Sorgen um seinen unter Korruptionsverdacht stehenden Sohn machen.

(Foto: Foto: AP)

Absprachen und Schmiergeld

Mit Engel ist die Zahl der seit Aufdeckung des Skandals vor drei Jahren Festgenommenen auf 120 gestiegen. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft ist der Profifußball in Polen fast flächendeckend korrupt. Die meisten Verhafteten bestreiten jegliche Schuld und kamen nach kurzer Zeit wieder frei. Engel hat mit wechselndem Glück Mannschaften aus der dritten und vierten Liga trainiert. Als Trainer von Stargard in Pommern gewann er keine einzige Partie, doch mit den Klubs LKS Lomza und Radomiak Radom schaffte er den Aufstieg in die zweite Liga. Bei dem entscheidenden Spiel in Radom siegte seine Mannschaft gegen Tloki Gorzyce, wobei es nach Meinung der Sportpresse zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei.

Es fiel jedenfalls auch auf, dass der bisherige Trainer von Gorzyce wenig später Assistent von Engel senior bei Polonia Warschau wurde. Daraus sowie aus einigen belastenden Zeugenaussagen hat die Staatsanwaltschaft geschlossen, dass die Erfolge des Juniors zum Teil auf Absprachen und wohl auch Schmiergeld zurückzuführen seien. Gegen eine Kautionszahlung von 30.000 Zloty (rund 9000 Euro) kam Engel junior, der kürzlich öffentlich gegen die bestechlichen Schiedsrichter gewettert hatte, wieder auf freien Fuß.

Sein Vater erklärte, er sei von der Unschuld des Sohnes fest überzeugt. Er habe keine Ahnung, aus welchem Grunde dieser festgenommen worden sei, es müsse sich um einen Irrtum handeln. Der Senior hatte Polen nach aufsehenerregenden Siegen in der Qualifikation zur WM 2002 nach Japan und Korea geführt. Er war der Entdecker des aus Nigeria stammenden Emmanuel Olisadebe, der im polnischen Nationaltrikot wegen seiner vielen Tore zum Liebling der Fans wurde. Doch nach dem Scheitern der Weiß-Roten in den WM-Gruppenspielen trat er als Nationaltrainer zurück. Heute ist er Vizepräsident des nationalen Fußballverbandes PZPN, der nach einhelliger Meinung der Medien seit langem tief im Korruptionssumpf versunken ist.

"Polen ist das korrupteste Land im Weltfußball"

PZPN-Präsident Michal Listkiewicz, ein früherer Uefa-Schiedsrichter, gab sich schockiert. Nicht nur die Medien, sondern auch viele Politiker werfen Listkiewicz vor, an einer Aufklärung der Korruptionsskandale nicht interessiert zu sein. Dieser entgegnet, er sei nur Präsident des Dachverbandes, die Korruption aber betreffe die privatwirtschaftlich organisierten Vereine. Er sei die falsche Adresse für Vorwürfe. Vor zwei Jahren hatte die damalige Regierung unter Jaroslaw Kaczynski unter Berufung auf die Materialien der Staatsanwaltschaft das PZPN-Präsidium für abgesetzt erklärt und einen kommissarischen Verwalter eingesetzt. Dagegen aber protestierte die Uefa. Es könne nicht hingenommen werden, dass eine Regierung über einen freien Verband entscheiden wolle. Warschau machte einen Rückzieher, das Präsidium um Listkiewicz war gerettet.

Die Staatsanwaltschaft kommt in ihren Ermittlungen offenbar nicht voran. Denn einige Zeugen, die zunächst gegen Vereinsmanager aussagten, haben sich davon wieder distanziert. Und ein ehemaliger Verbandsfunktionär, der unter dem Spitznamen "Friseur" bekannt wurde, hat zwar zugegeben, zahlreiche Schiedsrichter, Spieler, Vereinsbosse bestochen und somit die Geschicke der gesamten Liga gelenkt zu haben. Doch sind sich die Ermittler nicht sicher, ob der Mann nicht vor allem aufschneidet.

Der ehemalige Nationaltorwart Jan Tomaszewski erklärte dazu kurz und knapp: "Polen ist das korrupteste Land im Weltfußball!" In der Untersuchungskommission des PZPN säßen "Personen, die selbst verstrickt sind". Tomaszewski, der Torhüter der legendären polnischen Elf von 1974, der zwischenzeitlich Chef der Ethik-Kommission des PZPN war, meinte, vielleicht müsse es das letzte Mittel sein, seinem Land die Ausrichtung der EM 2012 wegzunehmen. Er forderte die Uefa auf, energischer gegen Polen vorzugehen. Für den Fall, dass Polen und die Ukraine, die den Zuschlag für die EM 2012 gemeinsam bekommen haben, zurücktreten müssen, hat sich nun der der schottische Fußball-Verband SFA als Alternative angeboten. Die Uefa will im Juli einen Bericht über den Stand der Vorbereitungen vorlegen.

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