Dass er der unumschränkte Herrscher im Spiel ist, das ist klar, sobald Huub Stevens den Raum zur Pressekonferenz betritt. In Salzburg wird gelacht, wenn es Stevens für angebracht hält und vor allem wenn er selbst bestens gelaunt ist - und an diesem Abend war er gut gelaunt. Zwar hatte sein Team von Red Bull Salzburg im entscheidenden Spiel im Titelkampf daheim gegen Rapid Wien keinen Sieg eingefahren, doch das 1:1 galt als gefühlter Sieg - weil es die Vorentscheidung im Meisterschaftsrennen war.
Vier Runden vor Schluss hat Salzburg sechs Punkte Vorsprung auf Rapid und das bessere Torverhältnis. "Wenn wir so spielen wie heute, werden wir nicht mehr oft verlieren", sagt Stevens und lacht. Es ist der Beginn einer Pressekonferenz, die schon nach wenigen Minuten Züge eines Stegreifkabaretts annimmt. Am Ende wird Stevens aufstehen und einem Journalisten seinen Platz auf dem Podium anbieten. "Komm her, du weißt eh' alles besser."
Der Kunstrasen kommt raus
Nicht immer ist in dieser Saison so viel gelacht worden wie jetzt, kurz vor Saisonende, da man den Titel so gut wie in der Tasche hat. Vergessen der schwierige Start, als man gegen die wenig glamouröse Truppe von Maccabi Haifa wieder einmal den so sehnsüchtig erhofften Einzug in die Champions League verpasst hat; vergessen die Situation, in der Torjäger Marc Janko nach einigen Reibereien mit Stevens nur auf der Ersatzbank Platz gefunden hat. Mittlerweile macht sich Huub Stevens lieber daran, neue Bestmarken zu schreiben. Die Partie gegen Rapid war das 20. Meisterschaftsspiel in Serie ohne Niederlage, das hat nicht einmal der Vorgängerklub Austria Salzburg geschafft. Kein Wunder, dass Stevens und Salzburg längst als freud- und friedvolle Symbiose gelten.
Und doch war das Remis gegen Rapid so etwas wie ein Spiegelbild der Saison. Taktisch abgebrüht, spielerisch souverän und für Österreichs Konkurrenten außer Reichweite agiert die Elf mit dem für österreichische Verhältnisse unvorstellbaren Traumbudget. Nur die ganz großen Würfe wollten bislang nicht gelingen. Als man sich nach verpasster Champions-League-Qualifikation wenigstens zum halbgroßen Wurf in der Europa League aufmachte, da scheiterte man nach sechs Siegen in der Vorrunde wieder an einer vermeintlich grauen Maus. Standard Lüttich ist nicht der Gegner, mit dem man sich in Salzburg gerne messen würde, doch die Belgier brachten Red Bull auf den Boden der Tatsachen zurück. Dass man nun wohl mit einem 1:1 gegen Rapid den Titel holt, passt auch nicht ins Vorgabenheft der hohen Erwartungen und großen Emotionen.
Deswegen macht man jetzt auch andernorts eine Kehrtwende. Im Sommer kommt der Kunstrasen aus dem Stadion heraus - damit hat der neue Sportdirektor, der ehemalige HSV-Manager Dietmar Beiersdorfer, in einem halben Jahr geschafft, was seine Vorgänger allesamt nicht durchgebracht haben. Dass kein außergewöhnlicher Spieler nach Salzburg kommen werde, solange das Geläuf aus Plastik besteht, galt schon Allgemeinwissen - aber nur Beiersdorfer konnte es dem Mäzen Dietmar Mateschitz, der alles zahlt, offenbar richtig erklären.
Fragt sich nur, ob man in Salzburg noch Wert auf den großen, außergewöhnlichen Spieler legt. Das lässt sich an der aktuellen Suche nach einem neuen Torhüter am besten ablesen. Der schwedische Stammkeeper Eddie Gustafsson fällt nach einem Brutalfoul, bei dem ihm ein Linzer Stürmer Schien- und Wadenbein im Zweikampf ohne Ball durchgetreten hat, ein knappes Jahr aus - sofort stand der Name Jens Lehmann im Raum.
Linke beobachtet Rensing
Für die österreichische Liga wäre der 40-Jährige ein Vorzeige-Promi, wie von der Marketingmaschinerie des milliardenschweren Getränkeherstellers erfunden. Zu früheren Zeiten ein Pflichtkauf, nun will man sich mit etwas kleinerem Namen begnügen. Vergangene Woche beobachtete Thomas Linke, Beiersdorfers rechte Hand, den Bayern-Keeper Michael Rensing bei den Münchner Amateuren. Rensing könnte sich ein Jahr in Österreich in die Auslage stellen - so wie es einst von Oliver Bierhoff in Salzburg recht erfolgreich vorexerziert wurde.
Man mag es neue Bescheidenheit oder Realitätssinn nennen, auf jeden Fall ist es für diesen Klub völlig ungewohnt. Salzburg feiert, dass man 20 Spiele gegen Teams wie Kapfenberg oder Kärnten ungeschlagen blieb - dass man das so wahrnimmt, ist wohl die größte Leistung von Huub Stevens.