Fußball in Nordamerika:Svensson statt Ibrahimovic

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Hoch die Tassen und den Pokal! US-Meister Seattle Sounders feiert den deutlichen 3:0-Endspielsieg gegen Toronto. (Foto: Jacob Kupferman/imago)

Finale ohne Weltstars: Meister Seattle Sounders steht exemplarisch für die Entwicklungspläne der nordamerikanischen Profiliga MLS, die sich von Glamour-Fußballern emanzipieren will.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

"Svensson auf Lodeiro auf Rodriguez!" Die Amerikaner schreiben gerne Sonette auf bedeutende Sportereignisse, und dieser Spielzug im Finale um die amerikanische Fußballmeisterschaft bot sich nicht nur deshalb als Titel an, weil er die Partie zwischen den Seattle Sounders und Toronto FC entscheidend geprägt hat, sondern weil er symbolisch steht für den Zustand der Fußballliga MLS.

Seattle gewann 3:0, es war das dritte Endspiel dieser beiden Klubs innerhalb von vier Jahren (2016 siegten die Sounders, ein Jahr später Toronto). Es war ein hoher Sieg, und es war ein unverdienter Sieg. Zur Halbzeit nämlich, als es 0:0 stand, hätte Toronto 3:0 führen müssen. Dann gab es ein Eigentor, einen Konter am Schluss - und dazwischen diesen schönen Treffer: Gustav Svensson (32/Schweden) eroberte den Ball und passte ihn sogleich zu Nicolás Lodeiro (30/Uruguay) an der Strafraumgrenze. Der legte direkt ab, und Víctor Rodríguez (30/Spanien) schlenzte die Kugel aus 16 Metern in die rechte untere Ecke.

Ibrahimovic, Schweinsteiger und Rooney waren früh gescheitert

Im US-Fernsehen vermarkten sie diese Spieler als "Nationalspieler und WM-Teilnehmer 2018" (Svensson), als "Copa-America-Torschütze 2019" (Lodeiro) - und als einen, der "beim FC Barcelona ausgebildet wurde" (Rodríguez). Das stimmt alles, und doch hört es sich ein bisschen besser an, als es ist. Denn wer alle drei Akteure bereits vor diesem Finale gekannt hat, der darf sich guten Gewissens ein wandelndes Fußball-Lexikon nennen.

Das Bemerkenswerte daran ist, dass es gut sein dürfte, so wie es ist. Denn dieses Finale fand ohne Beteiligung jener Spieler statt, die auch Leute kennen, die sonst Fußball-Lexika befragen müssen: Die Liga-Promis Zlatan Ibrahimovic (Los Angeles Galaxy, Saisongehalt: 7,2 Millionen Dollar), Bastian Schweinsteiger (Chicago Fire, 5,6 Millionen) und Wayne Rooney (DC United, 3,5 Millionen) sind früh gescheitert, das Endspiel bestritten zwei Teams ohne Weltstars. Bei Meister Seattle verdient kein Spieler mehr als zwei Millionen Dollar. Das Salär von Alex Roldan, der im Finale 90 Minuten lang das Mittelfeld bewachte, lautet: 57 225 Dollar.

"Wir haben uns neben den anderen Sportligen in diesem Land etabliert", sagte MLS-Chef Dan Garber bei der traditionellen Rede zur Lage der Liga einen Tag vor dem Endspiel, zu dem mehr als 69 000 Besucher ins Stadion von Seattle kamen. 24 MLS-Vereine gibt es derzeit, und es ist interessant, wohin diese Liga expandieren wird: In der kommenden Saison beginnen Inter Miami und Nashville FC den Spielbetrieb, danach folgen Austin FC (2021), Sacramento Republic und ein Klub in St. Louis (beide 2022). Der 30. Verein soll in Charlotte, Las Vegas oder Phoenix angesiedelt sein, Garber sagt: "Wir wollen Klubs, die in diesen Städten eine Heimat finden."

Bis auf Miami, das schon aufgrund seines berühmten Besitzers David Beckham eine Ausnahme darstellt, sind es allesamt Städte, in denen höchstens zwei Vereine aus den anderen vier großen US-Sportarten (Basketball, Football, Baseball, Eishockey) beheimatet sind. Die MLS will ihre Fahne also dort in den Boden rammen, wo die Leute nicht schon übersättigt sind mit Profisport: "Wir wollen eine Beziehung zu diesen Städten aufbauen, wir wollen vom Interesse am Fußball profitieren", sagt Garber: "Wir wollen aber auch tolle Bedingungen bieten wie ordentliche Stadien und professionelle Trainingszentren."

Und welche Spieler will diese 30er-Liga ihren Zuschauern vorsetzen? Schweinsteiger hat seine Karriere beendet, Rooney beim englischen Zweitligisten Derby County unterschrieben, Ibrahimovic scheint derzeit mit fast jedem Klub in Europa zu verhandeln, der AC Mailand gilt als favorisiert. Diese Spieler waren Attraktionen, sie haben für Aufmerksamkeit und prächtige Szenen gesorgt. Doch die MLS scheint sich nun emanzipieren zu wollen von Stars, die am Ende der Laufbahn in die USA wechseln. Und genau dieser Plan führt zu Svensson, Lodeiro und Rodríguez.

Es hat ja durchaus ein paar andere große Fußballspiele gegeben am Wochenende, und wer beim globalisierten Streaming erst die Topspiele aus Deutschland (FC Bayern gegen Dortmund) und England (Liverpool gegen Man City) gesehen hat und danach dieses US-Finale, der dürfte einen massiven Qualitätsunterschied bemerkt haben. Svensson hat zuvor in der Türkei, Ukraine und China gespielt, Lodeiro in Uruguay, Brasilien und Argentinien. Der in Barcelona ausgebildete Rodríguez spielte nur in der Jugend bei den Katalanen, danach bei deutlich weniger prominenten Vereinen in Spanien. Nur: Ist das so schlimm?

"Wir sind eine junge Liga, die ihre besten Tage noch vor sich hat."

Die MLS will sich als sportlich und finanziell attraktive Variante etablieren, die gestandene Europäer und Südamerikaner in der Blüte ihrer Kariere aufnimmt, damit heimische US-Talente - wie etwa Alex Roldan, 23 - gestählt werden für die Nationalelf oder einen Wechsel nach Europa. "Wir sind eine junge Liga, die ihre besten Tage noch vor sich hat", sagt der Realist Garber. Es wird zwar weiter auch Gerüchte um große Namen geben (aktuell: Mesut Özil zu Los Angeles Galaxy?). Aber es scheint der MLS zu genügen, wenn das Sonett über ein Finale nicht "Schweinsteiger gegen Ibrahimovic" heißt, sondern: Svensson auf Lodeiro auf Rodríguez!

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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