Fußball in Kroatien:Hakenkreuze im Stadion

White Angels Zagreb

Sie kämpfen gegen Rassimsus im Fußball - in der Öffentlichkeit wollen sie lieber nicht erkannt werden: Anhänger der White Angels Zagreb mit Joker-Maske.

(Foto: privat)

Ein kroatischer Fußball-Aktivist erklärt, warum es in Kroatien fast nur rechte Fans gibt - bei der Champions-League-Partie von Bayern München in Zagreb aber kaum Rassismus zu erwarten ist.

Interview von Lisa Sonnabend

Am Mittwoch tritt der FC Bayern in der Champions League gegen Dinamo Zagreb an. Er reist in ein Land, das viele Probleme mit dem Fußball hat, Rassismus im Stadion ist eines der größten. Zoran Jurak (Name geändert) ist Mitglied der White Angels Zagreb, der einzigen Ultra-Gruppierung des Landes, die als links gilt, den Verein NK Zagreb unterstützt und gegen Diskriminierung kämpft. Jurak führt einen einsamen Kampf - warum der 28-Jährige dennoch den Fußball nicht aufgibt.

SZ: Was muss ein Fan ertragen, wenn er in Kroatien ein Stadion betritt?

Zoran Jurak: Hier herrscht eine ganz andere Atmosphäre als in Deutschland, es gibt keine Fußballkultur, keine linke Szene. Stattdessen hört man ständig rassistische, homophobe und nationalistische Rufe und Gesänge. Einmal war ich mit Fans von Werder Bremen bei einem Auswärtsspiel in Berlin. Ich war überrascht, dass in der Bundesliga ganze Familien gemeinsam ins Stadion gingen, dass sogar ein Bus aus Bremen voll mit 50 Frauen nach Berlin fuhr. In Kroatien kommen fast nur Männer ins Stadion, oft sieht man sogar Plakate, die gegen Frauen gerichtet sind, an den Säulen kleben sexistische Aufkleber. Das schreckt natürlich ab und treibt die Fans immer weiter vom Fußball weg.

Was müssen Sie noch mit ansehen?

In den vergangenen Wochen hielten die rechten Ultras oft Banner hoch, auf denen "Refugees not welcome" stand oder auf denen gegen den Islam gehetzt wurde. Ständig werden Flaggen der Ustascha gehisst (faschistische Bewegung im Zweiten Weltkrieg; Anm. d. Red.). Es sind Keltenkreuze zu sehen. Hakenkreuze gibt es in den vergangenen Jahren immerhin immer weniger, weil die Sicherheitskräfte besser aufpassen und eingreifen. Dafür stellen sich die Anhänger jetzt öfter so auf, dass sie mit ihren Körpern ein Hakenkreuz formen.

Müssen die Bayern-Anhänger in der Champions League Ähnliches befürchten?

Bei der Partie wird das Stadion ziemlich leer sein, es kommen sicher nicht mehr als ein paar Tausend Fans. Denn viele Anhänger boykottieren derzeit die Partien von Dinamo Zagreb, auch die berüchtigten, rechten Bad Blue Boys. Der Grund: der umstrittene Vereinsboss Zdravko Mamić (ein umstrittener Geschäftsmann, einen ausführlichen SZ-Artikel finden Sie hier; Anm. d. Red.). Das Fernbleiben der Ultras führt immerhin auch dazu, dass es derzeit kaum Rassismus im Stadion von Dinamo gibt. Schlimmer ist es bei NK Rijeka und Hajduk Split, neben Dinamo die größten Klubs in Kroatien, sie haben eine große Ultra-Szene. Und noch schlimmer ist es bei Länderspielen.

Warum?

Es ist noch immer zu viel Hass zwischen Kroaten, Serben und Bosniern. Unser Land ist ziemlich arm, die Leute haben nichts in ihrem Leben. Der rechte Aktivismus in den Stadien nimmt zu. Egal gegen wen die kroatische Nationalmannschaft spielt, es sind fast immer antiserbische Lieder zu hören. Und in Serbien antikroatische Lieder. Viele sind der Meinung, der Jugoslawienkrieg begann nicht 1991, sondern schon ein Jahr eher auf dem Fußballplatz. Vor der Partie Dinamo gegen Roter Stern Belgrad kam es damals zu Ausschreitungen und wüsten Schlägereien. Das Spiel wurde nicht angepfiffen. Viele Ultras radikalisierten sich danach noch mehr.

Im Juni kam es nun beim EM-Qualifikationsspiel gegen Italien zu einem Zwischenfall: Auf dem Rasen zeichnete sich ein mit Chemikalien eingebranntes Hakenkreuz ab. Die Uefa erwog daraufhin, Kroatien von der EM 2016 auszuschließen.

Die Ultras machen solche Aktionen ganz gezielt bei Länderspielen - denn sie wissen, die Uefa schaut zu. Sie wollen so Druck auf den kroatischen Verband ausüben, der als extrem korrupt gilt. Im Grunde wäre es ihnen egal, wenn Kroatien nicht bei der EM mitmachen dürfte, ihnen geht es darum, dass sich etwas im kroatischen Verband ändert, dass umstrittene Funktionäre endlich gehen müssen. So könnte man sogar überspitzt sagen, das Hakenkreuz hatte etwas Gutes. Aber die Aktion ist natürlich absolut zu verurteilen.

"Wir sind für alle ein Ziel wegen unserer politischen Ansichten"

Bad Blue Boys protest Zagreb Croatia 27 11 2015 Zagreb Croatia After gathering the Bad Blue

Boykottieren derzeit Dinamo: Die Bad Blue Boys bei einem Demonstrationszug

(Foto: imago/Pixsell)

Die Uefa hat Kroatien dann jedoch nicht von der EM ausgeschlossen ...

Verbände, die selbst korrupt sind, können nichts bewirken, nichts verändern. Auch in der Uefa interessieren sich alle nur für Geld. Der europäische Verband zeigt zwar im Stadion Banner "Say no to racism", das ist nett, aber es bringt kaum etwas. Du musst mit den Leuten reden, mit ihnen arbeiten, ihnen erklären, warum Rassismus falsch ist.

So wie Sie es bei den White Angels Zagreb machen?

Unser Traum ist: Ein Fußball ohne Diskriminierung. Ein Fußball ohne Korruption. Es ist aber schwierig, an die jungen Leute heranzukommen. Die großen Ultra-Gruppen sind alle rechts, viele Fans schließen sich deswegen denen an. Doch im Kleinen können wir viel bewirken. Wir arbeiten mit NGOs zusammen, organisieren Benefiz-Konzerte, haben Workshops in Schulen gehalten und versuchen zu erklären, wie der Einzelne gegen den Rassismus im Stadion ankämpfen kann.

Zudem haben Sie vor einem Jahr einen eigenen Fußballklub gegründet.

Unser Verein 041 liegt in der Nähe von einer Flüchtlingsunterkunft, im Team spielen Kroaten gemeinsam mit Spielern anderer Nationen. Es kommen Leute aus der Nachbarschaft, sie schauen zu oder spielen mit - und sehen, dass die ganzen Vorurteile nicht stimmen, dass nicht alle Flüchtlinge Terroristen sind. Bald wollen wir richtig am Spielbetrieb teilnehmen und irgendwann womöglich in der zweiten Liga spielen.

Das wird die rechten Ultra-Gruppen nicht freuen.

Schon jetzt sind wir ja für alle ein Ziel wegen unserer politischen Ansichten. Die Polizei schützt uns, wenn wir ein Stadion betreten. Wir sind meist um die 20 Leute, die anderen Gruppen sind viel mehr. Mindestens zwei, drei Mal pro Jahr werden wir attackiert. Erst zu Beginn der Saison wurde einer von uns, der nach Split fuhr, angegriffen, sie nahmen ihm die Trommel ab. Einmal hatten wir ein Plakat dabei, auf dem "Fußballfans gegen Homophobie" stand, und spannten es im Stadion auf. Plötzlich kamen andere Fans zu uns in den Block, um uns zu attackieren. Sie warteten nicht einmal, bis wir das Stadion verließen. Doch wir geben nicht auf. Der Fußball in Kroatien soll wieder für jeden sein.

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