Fußball in Kroatien:Aufstand gegen Šuker

Fußball in Kroatien: Davor Šuker im Trikot der Nationalmannschaft - die DFB-Elf machte mit ihm 1998 schlechte Erfahrungen

Davor Šuker im Trikot der Nationalmannschaft - die DFB-Elf machte mit ihm 1998 schlechte Erfahrungen

(Foto: imago sportfotodienst)

Meister wird immer derselbe Klub: In Kroatien demonstrieren Tausende Fans gegen die Machenschaften im Fußball, die eine Vorherrschaft von Dinamo Zagreb sicherstellen. Verbandspräsident Davor Šuker muss sich heftiger Kritik erwehren.

Von Tobias Schächter

Davor Šuker herzt zwei thailändische Fans im Trikot der kroatischen Fußball-Nationalmannschaft, die Plakate in Händen halten mit dem Wappen des kroatischen Verbandes sowie der thailändischen und der kroatische Flagge, die Worte Thailand und Šuker sind mit einem Herz verbunden. Šuker und seine Bewunderer aus Fernost lachen in die Kamera.

Dieses Bild ist am Wochenende in den sozialen Netzwerken aufgetaucht. Das ist bemerkenswert, weil das Spiel der sogenannten "Global-Legends-Series 2014" erst kommenden Freitag in Bangkok stattfindet. Šuker, Torschützenkönig der WM 1998 in Frankreich und dort Dritter mit Kroatien, spielt im sogenannten "Team Figo". Bemerkenswert ist auch, dass Šuker überhaupt nach Thailand gereist ist. Seit zwei Wochen versinkt der kroatische Fußball im Chaos.

Und der ehemalige Torjäger von Real Madrid und einstige Publikumsliebling von 1860 München ist ja nicht nur Legende und Maskottchen, sondern seit 2012 Präsident des kroatischen Fußballverbandes. Während Šuker in Thailand in Kameras lächelt, demonstrierten am Samstag in Split über 20 000 Menschen unter dem Motto "Gegen die Dunkelheit, gegen die Macht" gegen "Ungerechtigkeiten" und "Unregelmäßigkeiten" im kroatischen Fußball. Sie fordern den Rücktritt Šukers und einiger anderer zentralen Akteure im kroatischen Fußball.

Erfolge der Nationalmannschaft und Helden wie Luka Modrić bei Real oder Mario Mandžukić bei Atlético Madrid (zuvor FC Bayern) lenken von Missständen ab. Der Fußball im Balkanland ist von Spielmanipulations- und Bereicherungsvorwürfen, dubiosen Transfers und mafiösen Strukturen im Umfeld geprägt. Und von der - so die Kritiker - gewollten Vormachtstellung von Serienmeister Dinamo Zagreb, der auf dem Weg ist, seine zehnte Meisterschaft nacheinander zu gewinnen.

Die Fans von Hajduk Split wollen nicht mehr zusehen. Auslöser der Kundgebung am Wochenende war ein Vorgang vor zehn Tagen: Weil rund 92 Anhänger von Hajduks großer Fan-Vereinigung "Torcida" der Zutritt ins Maksimir Stadion von Dinamo Zagreb verwehrt wurde, solidarisierten sich Vereinsführung und Mannschaft - und traten zum Spiel nicht an. Sie verließen das Stadion eine Viertelstunde vor Anpfiff, bei ihrer Rückkehr in Split wurden sie von rund 8000 Fans gefeiert. Das Spiel wurde mit 3:0 für Dinamo gewertet.

Hajduk-Präsident Marin Brbić erklärte den Boykott damit, dass 39 Namen von bekannten Hooligans auf einer Liste von Hajduk standen, die anderen Namen angeblich willkürlich vom Verband und Polizei auf einer anderen Liste gelandet seien, die ihm nie vorgelegt worden sei. Hajduks Vorstandsvorsitzende Branka Ramljak erklärte, man kämpfe für den gesamten kroatischen Fußball, nicht nur die Interessen des eigenen Klubs, Šuker und seine Führungsriege müsse zurücktreten: "Das ist ein Aufruf zur Veränderung." In Abwesenheit Šukers hat der Generalsekretär des Landes erklärt, der Boykott sei nicht akzeptabel.

Verstrickungen in die Zeit nach dem Krieg

Es geht vor allem um die Vorherrschaft von Dinamo Zagreb und die Machenschaften des umstrittenen Dinamo-Chefs Zdravko Mamić, 55, der auch Exekutivdirektor und Vizepräsident des Verbandes ist. Durch dubiose Geschäfte ist Mamić nach den Kriegswirren in den 90er Jahren reich geworden. Seit er 2003 von einem 50-köpfigen Wahlkomitee ehemaliger Spieler und Fanbeauftragter an die Spitze Dinamos gewählt wurde, regiert er den Klub und den kroatischen Fußball mit seinem Clan. Wer ihn nicht wählte, musste gehen. Seither wird er von diesem Gremium stets bestätigt.

Zdravkos Bruder Zoran, ehemaliger Bundesligaprofi in Leverkusen und Bochum, ist Sportdirektor und derzeit auch Trainer von Dinamo; Zdravkos Sohn Mario war Inhaber einer Spieleragentur. In Kroatien ist es mittlerweile verboten, dass Vereinspräsidenten oder deren Verwandte an Spielerberater-Agenturen beteiligt sind. Durch das Einsetzen von Strohmännern hat dies kaum Folgen. In der Agentur, die Mario Mamić einst führte, stehen viele kroatische Stars unter Vertrag, wie zum Beispiel Luka Modrić oder Ognjen Vukojević.

Als Präsident von Dinamo schloss Zdravko Mamić mit den Dinamo-Profis private Verträge, die ihm angeblich 20 Prozent der Einnahmen dieser Spieler bis zu deren Karriereende sichern. Die kroatische Presse berichtete nach einer Klage des Nationalspielers Eduardo gegen diese Vereinbarung von weiteren Spielern, mit denen Mamić solche Verträge abgeschlossen haben soll, unter anderem mit Modrić und Vukojević. Die Klage Eduardos wegen ausbleibender Zahlungen erwiderte Mamić mit einer Gegenklage und unflätigen Beleidigungen vor Gericht gegen den aus Brasilien stammenden kroatischen Nationalspieler. Mamićs Ausbrüche gegen Kritiker und unliebsame Journalisten sind berüchtigt.

In der letzten Dekade wechselten fast alle kommenden kroatischen Größen vor ihrem Gang ins Ausland zu Dinamo oder entstammen der Dinamo-Akademie: unter anderem Ivica Olić, Luka Modrić, Eduardo oder Mario Mandžukić. In dieser Zeit erlöste der Klub weit mehr als 120 Millionen Euro an Ablösegeldern. Die Fan-Vereinigung Bad Blue Boys (BBB) fragt, wo das Geld geblieben ist und nennt Mamić einen "Dieb". BBB boykottiert mittlerweile die Heimspiele von Dinamo, die nur noch vor ein paar hundert Zuschauern stattfinden.

Davor Šuker lächelt derweil in Fernost, er muss sich auf das Spiel der Legenden am Freitag in Bangkok vorbereiten.

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