Fußball in England:Wenn Jürgen Klopp shoppen geht

Liverpool v West Bromwich Albion - Premier League

Liverpool v West Bromwich Albion - Premier League LIVERPOOL, ENGLAND - DECEMBER 13: Jurgen Klopp, Manager of Liverpool gives his team instructions during the Premier League match between Liverpool and West Bromwich Albion at Anfield on December 13, 2017 in Liverpool, England. (Photo by Clive Brunskill/Getty Images)

(Foto: Getty Images)

Der FC Liverpool gibt für Verteidiger van Dijk die Rekordsumme von 84,5 Millionen Euro aus. Ein Irrsinn? Ja. Aber einer, der zu England passt.

Kommentar von Barbara Klimke

Von halb drei Uhr früh an wuchs die Schlange vor Selfridges in der Londoner Oxford Street. Hunderte warteten bei Harrods in Knightsbridge vor der Tür. Dann regnete es Konfetti, die Pforten gingen auf, und die Jagd auf die Gucci-Täschchen und Riemchensandalen am Boxing Day begann. In kurzer Zeit setzten die Einkaufsstraßen im New West End Millionen um. Aber noch vor Abpfiff des nachweihnachtlichen Schlussverkaufs, der sich mittlerweile über eine Woche streckt, wurde aus Liverpool der Rekord-Einkauf vermeldet.

Dort gab der Fußballklub von Trainer Jürgen Klopp rund 84,5 Millionen Euro für den Niederländer Virgil van Dijk aus. So viel wurde für einen Verteidiger noch niemals bezahlt. Sogar ohne Konfetti.

Shopping ist in England eine Lebensart

Nun könnte man einwenden, dass sich das Beschaffen von Defensivstrategen und von Designerhandtaschen nicht vergleichen lässt. Aber damit würde man die Kulturleistung der Briten bei der Aufwertung des Warenaustauschs missachten. Einkaufen bedeutet auf der Insel mehr als nur die Versorgung mit dem Nötigsten, Baked Beans und Gummistiefeln. Shopping ist in England eine Lebensart.

Bereits um 1660 gab es am Royal Exchange ein Haus mit Dutzenden Kiosks, gewissermaßen ein erstes Einkaufszentrum. Später kamen die feinen Burlington Arkaden dazu, eine frühe Shopping Mall. Die Briten schreiben dem Konsum sogar Heilkraft zu und kurieren allerlei Alltagsleiden mittels "Retail Therapy". Und nur hier gibt man einen Weihnachtsfeiertag, den Boxing Day, zur Preisschlacht frei. Es ist also kein Zufall, dass der englische Fußball den weltweit aufregendsten Transfermarkt unterhält.

Die Faszination der Premier League lässt sich ohnehin nur begreifen, wenn man sie als riesiges Shopping-Paradies versteht, das Laufkundschaft, den FC Burnley, und Großkunden wie Manchester United gleichermaßen bedient: Im Sommer 2017 wechselten Spieler für mehr als eine Milliarde Euro den Besitzer. Rund 200 Millionen Euro hat jeder League-Klub nur durch die TV-Verträge zur Verfügung; und irgendwo muss das Geld ja hin.

So jammern sonst nur die Einkäufer in der Bond Street

Der Rekordeinkauf von Defensivmann van Dijk in den Schnäppchenwochen sorgt trotzdem für hitzige Debatten. Eben weil es sich nicht um ein Schnäppchen handelt. Trainer Jürgen Klopp muss sich in Liverpool Wortbruch vorwerfen lassen, weil er behauptet hatte, eher werde er seinen Job aufgeben, als das obszöne Geschacher in der Premier League mitzumachen. Nun steht Klopp, in Sparbuch-Deutschland aufgewachsen, unter Verdacht, den Versuchungen des Powershoppings in der Kreditkarten-Liga zu erliegen. Gleichzeitig jammert der Kollege José Mourinho von Manchester United, dass die Konkurrenz die Preise verderbe, wenn sie Summen für Abwehrrecken zahle, die bislang nur für die Zauberfüße aus dem Angriffsbereich üblich waren.

Dass Mourinho zugleich über seinen Etat bei ManUnited klagt ("Nicht genug! Nicht genug!"), obwohl er dort in zwei Jahren 350 Millionen Euro ausgab, wird auf der Insel mit Schulterzucken registriert. Solche Jammerei kennt man auch von den Shoppern, die tütenbehangen vor dem Designerladen Alexander McQueen in der Londoner Bond Street stehen.

Damit gelangt man zu dem Punkt, an dem sich das Einkaufsverhalten in der Premier League und der Shopping Mall tatsächlich unterscheidet: Wer ein Handtäschchen ersteht, der behält den Preis auf der Insel für sich - es sei denn, er hätte gut gespart. Über Ausgaben zu reden, ist ein Tabu, das sich durch alle Klassen zieht. Die Upper Class hält's für vulgär; die unteren Schichten halten es für snobistisch. Ein Tipp an den Fußball: Damit hält man sich die Neiddebatte vom Hals.

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