Fußball in der Türkei:"Wegen Trump können wir keine Spieler kaufen"

Galatasaray vs Benfica

Zungenfertig und beidfüßig: Lukas Podolski erzielte zwischen 2015 und 2017 in 56 Spielen für Galatasaray Istanbul insgesamt 20 Tore.

(Foto: Sedat Suna/dpa)
  • Für die türkischen Fußballklubs bringt die Währungskrise neue finanzielle Nöte hervor, der Vizepräsident von Galatasaray Istanbul sagt: "Wegen Trump können wir keine Spieler kaufen."
  • Nachhaltigkeit war allerdings nie ein Wert in der türkischen Fußballkultur, der kurzfristige Erfolg stand über allem. Deswegen wurden oft zu teure Spieler eingekauft. Trumps Politik verschärft nur die selbst verschuldete Krise.
  • Welche Auswirkungen die Nöte auf die Bewerbung der Türkei für die Austragung der Europameisterschaft 2024 haben wird, ist offen. Der Druck auf Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ist auch in dieser Frage gestiegen, er braucht dringend Erfolge.

Von Tobias Schächter

Vergangene Woche trafen sich die Bosse der führenden türkischen Fußballklubs in Istanbul. Das turnusmäßige Treffen der Süperlig-Funktionäre stand im Zeichen der Lira-Krise, die sich dramatisch zugespitzt hat, nachdem US-Präsident Donald Trump im August die Zölle auf türkisches Aluminium und auf Stahl verdoppelt hatte. Die hoch verschuldeten Klubs generieren Einnahmen fast nur in heimischer Währung, ihre Ausgaben, zum Beispiel die Spielergehälter fürs internationale Ensemble, müssen sie aber zumeist in Dollar oder Euro bezahlen.

Wie die Währungskrise die Nöte der Klubs verschärft, beschrieb Trabzonspors Präsident Ahmet Agaoglu so: "Wir hatten das Personalbudget der Mannschaft von 33 Millionen Euro auf 23 Millionen Euro runtergeschraubt. Mit der Währungskrise sind die Kosten aber gestiegen, da 80 Prozent unserer Spieler ihre Gehälter in Euro beziehen." Trabzonspor will wie einige andere Klubs künftig Spieler nur noch in Lira entlohnen, Agaoglu kündigte an: "Die Währung in der Türkei ist die Lira. Falls Spieler oder Trainer unzufrieden damit sind, können sie in Zukunft in Ländern spielen, in denen in Euro ausbezahlt wird."

Schon seit 2012 ist der Fall der Lira ein Problem für die Klubs. Fenerbahce Istanbul zum Beispiel bezahlte seinen Profis erst nach dem Wechsel im Präsidentenamt im Frühjahr die ausstehenden Gehälter für drei Monate. Fenerbahce will eigentlich in eine neue Ära aufbrechen, nachdem die Mitglieder den skandalumtosten Präsidenten Aziz Yildirim nach 20 Jahren abgewählt und Ali Koc ins Amt gehievt hatten. Der neue Fener-Boss entspringt einer der erfolgreichsten Unternehmer-Dynastien der Türkei. Aber Koc übernahm ein schweres Erbe, und besonders das Verpassen der Champions-League-Gruppenphase potenziert die Probleme - Fenerbahce hatte das Duell gegen Benfica Lissabon verloren.

Galatasaray musste Grundstücke verkaufen

Der Start in Europas Königsklasse bietet für die türkischen Klubs die einzige Möglichkeit, signifikante Einnahmen in Euro zu generieren. Nun muss sich Meister Galatasaray die 27 Millionen Euro aus dem TV-Deal für die Champions League nicht mit Fenerbahce teilen. Auch deshalb war die Häme der Galatasaray-Anhänger nach dem Aus des ewigen Rivalen von der asiatischen Seite Istanbuls diesmal so groß.

Doch Grund zur Entspanntheit besteht auch bei dem Klub von Trainer Fatih Terim nicht. Die Verschuldung der Vereine nimmt immer absurdere Formen an, weil sie nicht nur Gehälter in Fremdwährung zahlen, sondern auch fast alle Kredite samt Zinsen in Dollar und Euro bedienen müssen. Der Schuldenstand von Galatasaray betrug - Stand Juni - vor der Verschärfung der Krise 472,8 Millionen Euro (damals waren das circa 2, 58 Milliarden Lira), der von Besiktas 1,88 Milliarden Lira, der von Fenerbahce 1,75 Milliarden Lira, und Trabzonspor ächzt unter 948,4 Millionen Lira Verbindlichkeiten. An diesem Mittwoch musste man knapp sieben Lira bezahlen, um einen Euro zu bekommen.

Weil die Not schon lange groß ist, ließen sich die Vereine beispielsweise bereits vor der vergangenen Saison die Einnahmen aus dem TV-Deal im Voraus auszahlen. Galatasaray musste Grundstücke verkaufen, um zu überleben. Fenerbahces alte Führung veräußerte bereits die Einkünfte aus den Ticketverkäufen (bis 2021), den VIP-Logen, den Fernsehrechten, den Fenerium-Stores und der Werbung (bis 2023). Als eine seiner ersten Amtshandlungen spendete der neue Fener-Präsident Ali Koc dem Verein 50 Millionen Euro. Aber selbst diese immense Summe bietet angesichts der Gesamtverschuldung nur kurz eine Linderung.

Offen ist, ob die Krise Auswirkungen auf die EM-Bewerbung hat

Der Schuldenberg der Vereine wuchs in astronomische Höhen, weil sich die Klubbosse in der Vergangenheit im Kampf um Ruhm und Ehre gegenseitig zu immer waghalsigeren Aktionen auf dem Transfermarkt trieben. So wurden Altstars aus dem Ausland mit exorbitanten Euro-Gagen in die Süperlig gelockt. Eine Einbahnstraße, denn die Klubs kauften jahrelang meist teuer ein, ohne durch Verkäufe auf dem Transfermarkt Geld einzunehmen.

Die negativen Transferbilanzen waren Ausweis des irrsinnigen Geschäftsmodells, das nun am Ende ist: Die glitzernde Fassade der Süperlig ist mit dem Verfall der Lira eingestürzt. Nachhaltigkeit war nie ein Wert in der türkischen Fußballkultur, der kurzfristige Erfolg stand über allem. Teure Profis wie einst Lukas Podolski (2015 bis 2017 bei Galatasaray) oder den Niederländer Wesley Sneijder (2013 bis 2017 bei Galatasaray) aber können sich die Klubs nicht mehr leisten. Bislang ist der Kauf von Jermain Lens, 30, von AFC Sunderland durch Besiktas für 4,09 Millionen Euro der Top-Transfer der Liga.

Die Klubs sind gezwungen, auf ablösefreie Profis und eigene Talente zu setzen. Ob die Krise zu einer systematischen Förderung der chronisch vernachlässigten Nachwuchsarbeit führen wird, wie manche Beobachter hoffen, ist dennoch fraglich. Abdurrahim Albayrak jedenfalls, der Vizepräsident von Galatasaray, jammerte dieser Tage: "Wegen Trump können wir keine Spieler kaufen."

Doch Trumps Politik verschärft nur die selbst verschuldete Krise. Welche Auswirkungen sie auf die Bewerbung der Türkei für die Austragung der Europameisterschaft 2024 haben wird, ist offen. Der Druck auf Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ist auch in dieser Frage gestiegen, er braucht dringend Erfolge. Am 27. September entscheidet der europäische Verband Uefa. Der einziger Gegenkandidat: Deutschland.

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