Fußball in der Premier League:Champagner für ein Unentschieden

Tottenham v Manchester United

Wayne Rooney und seine Kollegen verzweifelten an Tottenhams Keeper Hugo Lloris.

(Foto: dpa)

Die Tore fehlen, doch die Unterhaltung stimmt: Das Sonntagsspiel bei Tottenham Hotspur beendet den Aufschwung von ManUnited unter Louis van Gaal. Sein Team vergibt zu viele Chancen - und muss die Ambitionen zurückschrauben.

Von Raphael Honigstein, London

Nur ein Tag Pause nach den Partien am "Boxing Day". Und dazu ein Frühaufsteher-Anstoß um 12 Uhr mittags, 20 Minuten, bevor der erste planmäßige Zug aus Manchester in der Hauptstadt London ankam. Kein Wunder, dass ManUnited-Coach Louis van Gaal sich vor dem stimmungsvollen 0:0 bei Tottenham Hotspur - in der Wellblechdach-Arena an der White Hart Lane - ein weiteres Mal über die britische Vorstellung von fröhlichen Weihnachten ärgern musste: "Laut Fifa- und Uefa-Regeln ist es verboten, innerhalb von 48 Stunden zweimal zu spielen", grantelte der Niederländer, "aber in England ist es in Ordnung." Es sei unmöglich, sich in der kurzen Zeit angemessen auf den nächsten Gegner vorzubereiten, so van Gaal.

Vielleicht ist das bei United momentan aber auch gar nicht so wichtig, denn das im Sommer für knapp 200 Millionen Euro generalüberholte Team (nach Platz sieben in der Saison 2013/14) kann sich nach einem erneut schwierigen Saisonstart mittlerweile wieder auf die eigene, traditionelle Offensivstärke verlassen. Eine unveränderte Aufstellung nach dem 3:1-Sieg gegen Newcastle am Freitag - trotz der hohen Belastung - zeugte in Tottenham von der Rückkehr des Selbstbewusstseins. Das hatte es zuletzt 2012 einmal gegeben, als noch Sir Alex Ferguson auf der Bank saß.

Sieben von acht Partien hatten die Red Devils aus Manchester vor dem torlosen Unentschieden am Sonntag in den vergangenen Wochen gewonnen, obwohl von den Van-Gaal'schen Fußball-Prinzipien (Ballbesitz, Positionsspiel) in der laufenden Saison noch recht wenig zu sehen ist. Sein neues Team verzichtet auf Kontrolle in der Zentrale und spielt dafür lieber mit zwei ganz nach vorne ausgerichteten Flügel- läufern vor der Dreierkette - und zweieinhalb famosen Spitzen: Robin van Persie und der Kolumbianer Radamel Falcao, dazu Wayne Rooney dahinter.

Da auch die Spurs von Trainer Mauricio Pochettino nicht gerade für gepflegte Ballstafetten berühmt sind, entwickelte sich bei eisigem Sonnenwetter schnell ein höchst unterhaltsames Hin-und-Her mit zwei Dutzend Torraumszenen. Die besten Möglichkeiten hatten die Gäste: "Drei, vier Tore hätten wir machen müssen", grämte sich van Gaal, "aber uns hat das Glück gefehlt und wir haben uns nicht für die beste erste Hälfte in dieser Saison belohnt."

Robin van Persie und Juan Mata (Freistoß an den Pfosten) kamen dem 1:0 für United am nächsten, ein Kopfball von Verteidiger Phil Jones landete, vom elektronischen Auge Hawk-Eye offiziell bestätigt, hinter der Linie. Doch der Linienrichter hatte eine Abseitsposition von Falcao erkannt.

Tottenham wehrt sich erfolgreich

Die Spurs aus Tottenham, die auf der Insel gerne als wild zusammengewürfelte Truppe belächelt werden, widerstanden der Wucht des englischen Rekordmeisters durchaus eindrucksvoll. Besonders Hugo Lloris, der Franzose im Tor der Heimmannschaft, machte ein exzellentes Spiel und bekam später zum Lohn für seine Paraden eine Champagner-Flasche überreicht - als Man of the Match. "Er ist einer der besten Keeper der Welt, das ist nichts Neues für mich", sagte Coach Pochettino.

Tottenham hatte nach dem Seitenwechsel, als van Gaal drei Defensivspieler einwechselte, um dem Konditionsverschleiß zu trotzen, drei sehr gute Chancen. United hätte aber auch noch durch Mata und Falcao das Match für sich entscheiden können. "Wir waren sehr müde. Das war nach der Pause kein Fußball mehr, sondern ein Kampf ums Überleben", sagte van Gaal übel gelaunt, "für den Körper ist es unmöglich, sich in so kurzer Zeit zu erholen. Das ist wissenschaftlich erwiesen."

Das Remis dürfte fürs Erste die unrealistische Diskussion über Uniteds möglichen Gewinn der Meisterschaft beenden, van Gaal ist das vermutlich gar nicht mal so unrecht. "Ich habe den Spielern in der Kabine gesagt: Wenn man diese Art von Spiel nicht gewinnen kann, obwohl man die bessere Mannschaft ist, dann ist es sehr schwierig, die Liga zu gewinnen."

Ausdrücklich wehrte er sich gegen den Eindruck, dass sein United den teuersten Hurra-Fußball der Welt praktiziere, ohne echtes Konzept für die Arbeit nach hinten: "Wir haben jetzt sechs Mal zu Null gespielt, also stimmt es nicht, was die Leute schreiben." Richtig zufrieden mit den Fortschritten bei den Renovierungsarbeiten im Old Trafford wäre er zwar nur mit einem Sieg gegen die Spurs gewesen, sagte er, als Tabellendritter mit 36 Punkten nach 19 Partien liege sein Team aber im Soll.

"2015 werden wir besser, das kann ich versprechen", lautete der Vorsatz des Niederländers fürs neue Jahr. In der nächsten Saison werde dann ab Sommer die Perfektion des Fußballs angestrebt. United solle dann nämlich, sagte van Gaal, "eine richtige Van-Gaal-Mannschaft" sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: