Süddeutsche Zeitung

Fußball: Hoeneß vs. Nationalelf:Überflüssiges Poltern

Die Beschwerde des Bayern-Präsidenten über den angeblich überflüssigen Test des DFB gegen Australien hat in der öffentlichen Wahrnehmung viel Gewicht erhalten - gerechtfertigt war es nicht.

Philipp Selldorf

Am Samstag haben mehr als zehn Millionen Deutsche vor dem Fernseher gesessen, als die Nationalelf ihr ungleiches Duell mit Kasachstan ausgetragen hat. Am Dienstag haben acht Millionen Menschen die Partie gegen Australien verfolgt, obwohl keine Punkte vergeben wurden und die Reserve zu sehen war.

Daraus ergibt sich zwar, dass 72 Millionen Bürger einen anderen Zeitvertreib vorzogen, trotzdem bleibt die Zahl der Getreuen imponierend. Als der FC Bayern neulich zum Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Inter Mailand antrat, meldete Sat1 die Rekordquote der Saison: Durchschnittlich acht Millionen Zuschauer. Das ist auch gut, taugt aber nicht, Uli Hoeneß' Behauptung zu veredeln, das Länderspiel gegen Australien sei belangloser als ein Trainingskick an der Säbener Straße.

Das Poltern des Bayern-Präsidenten über den angeblich überflüssigen Test hat in der öffentlichen Wahrnehmung viel Gewicht erhalten, gerechtfertigt war es nicht. Hoeneß hat dem DFB vorgeworfen, an einem offiziellen Länderspieltermin ein Länderspiel auszutragen, und er hat dem Verband unterstellt, damit Geld verdienen zu wollen. Profit ist kein verwerfliches Motiv im Profifußball, auch der FC Bayern arbeitet täglich am Ausbau seines Geldspeichers. Und um mehr über den sportlichen Reiz des Abends zu erfahren, sollte sich der Präsident an Bastian Schweinsteiger wenden, der lieber beim Nationalteam blieb, als an einem der spannenden Trainingskicks des FC Bayern teilzunehmen.

Dieser kleine Aufruhr war aber wohl nur eine Ouvertüre der Debatte, die im Mai droht, wenn die Bundesliga die Saison beendet, die besten deutschen Fußballer aber noch mehr als drei Wochen in Betrieb bleiben müssen, weil im Juni zwei EM-Qualifikationsspiele anstehen. Da es der FC Bayern versäumt hat, sich fürs Pokalfinale am 21. Mai oder das Champions-League-Finale am 28. Mai zu qualifizieren, sind Schweinsteiger und die übrigen sechs Nationalspieler aus München wochenlang beschäftigungslos, bis sie sich Ende Mai im DFB-Camp sammeln.

Wer hat diesen Irrsinn verbrochen? Jeder wird auf jeden zeigen. Die Liga wird sauer sein auf Uefa und Fifa, die die internationalen Termine diktieren. Der Bundestrainer wird sauer sein auf die Liga, die mitten im Mai die Saison beendet, damit sie mitten im Januar aus der verkürzten Winterpause kommen kann. Hoeneß wird sauer sein, dass seinen hochbelasteten Profis die Sommerferien verdorben werden - für ein Spiel in Aserbaidschan, einen Gegner mit dem Niveau des FC Tegernsee.

Es darf gepoltert werden. Immerhin ein Zeitvertreib beim Warten auf das Spiel in Aserbaidschan, das garantiert ein Quotenhit wird.

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Quelle:
SZ vom 31.03.2011/jüst
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