Fußball:Herne, Lotte, Champions League

Das Interims-Duo Michael Büskens/Youri Mulder soll Schalkes Saisonziele retten. Dann übernimmt vermutlich Fred Rutten, der die Sehnsucht nach einem zweiten Huub Stevens stillen soll.

Ulrich Hartmann

"Moment mal", sagte Andreas Müller plötzlich, beugte sich mit extrovertierter Entschlossenheit zum Mikrofon vor und schaute so grimmig drein, wie er nur konnte. "Das war ganz allein meine Entscheidung!", sagte der Manager des FC Schalke 04 trotzig und echauffierte sich, weil aus dem Medienpublikum im Presseraum die Frage an den Präsidenten Josef Schnusenberg ergangen war, warum denn nun am Sonntag der Zeitpunkt zur Beurlaubung des Trainers Mirko Slomka gekommen sei.

Fußball: Doppelter Einsatz: Youri Mulder (links) und Michael Büskens sollen Schalke in den Europapokal führen.

Doppelter Einsatz: Youri Mulder (links) und Michael Büskens sollen Schalke in den Europapokal führen.

(Foto: Foto: dpa)

Müller lenkte die Verantwortung für die durchaus umstrittene Trennung mit übertrieben anmutender Vehemenz auf sich selbst, und der Präsident Schnusenberg dankte ihm das nicht einmal. Später betonte der Steuerberater aus Rheda-Wiedenbrück, der Vorstand stimme sich stets ab, "bei uns macht niemand einen Alleingang". Es war dies nicht die einzige widersprüchliche Darstellung, aus der eine Schalker Führungskrise herausgehört werden konnte.

Wie groß die Misere noch wird, hängt von jenen Ergebnissen ab, welche die Mannschaft unter der vorübergehenden Führung des kurzfristig konstruierten Trainerdoppels mit Mike Büskens und Youri Mulder in den letzten sechs Saisonspielen erwirkt. Erster Prüfstein im Trainerexperiment ist an diesem Dienstag der Abstiegskandidat Energie Cottbus.

Büskens' Team verspielt die Spitze

Der Manager Müller hat am Montag exakt 24 Stunden nach Bekanntgabe der Trennung von Slomka einige Zugeständnisse an die Leistungen der Mannschaft machen müssen, obwohl er eigentlich gekommen war, um Defizite zu extrahieren und daran die Notwendigkeit zur Erneuerung zu belegen. "Die Mannschaft hat in dieser Saison Tolles geleistet", sagte er also, "und sie war vom Spielerischen her zuletzt sicher wieder im Aufschwung" - und trotzdem sei abschließend die Erkenntnis gereift, dass sie keinerlei Konstanz vorweisen könne. Müller wollte über Slomkas Beurlaubung "im Detail nicht sagen, warum und wieso", doch er erhoffe sich nun die dringend nötigen neuen Impulse.

Für möglichst doppelt so viele neue Impulse wurde nicht nur Mike Büskens als vorheriger Trainer des Oberligateams zum Interims-Chefcoach ernannt, sondern außerdem der frühere Schalker Spieler und zuletzt beim niederländischen Erstligisten Twente Enschede als Stürmer-Trainer beschäftigte Youri Mulder zu dessen Assistenten. "Wir wollen unbedingt in die Champions League", gab Müller als unmissverständliches Ziel aus, woraufhin Büskens kontrastreich verkündete, sein vorrangiges Ziel als Trainer sei, "einen gewissen Druck von der Mannschaft zu nehmen". Der Trainer Büskens hatte zuletzt selbst nur mäßigen Erfolg gehabt. Mit Niederlagen in Herne und gegen Lotte hatte die Amateurmannschaft die Oberliga-Spitze verspielt. Erst mit einem Sieg am Sonntag in Hamm fing sich das Team wieder, doch da war der 40-Jährige seinen Job schon los.

Auf der nächsten Seite: Wen Mulder als Nachfolger favorisiert und warum Müller stärker in der Verantwortung steht als die Trainer.

Herne, Lotte, Champions League

Büskens und Mulder, 39, sitzen verantwortlich auf der Bundesligabank, wenn Schalke Cottbus empfängt. Die Mannschaft muss unter der Führung der beiden bis zum Saisonende mindestens den dritten Platz verteidigen, sonst war der ganze Zauber umsonst. Motivatorische Vorteile für das Debütantenduo destilliert dessen früherer Mitspieler Andreas Müller aus dem Umstand, dass beide lange für Schalke aktiv waren. Büskens hat in den neunziger Jahren 257 Bundesligaspiele für den Klub gemacht, Mulder 177. Slomkas mit geschätzt einer Million Euro vergütete Entlassung sowie die Verpflichtung von Büskens und Mulder nannte Müller zunächst "eine Entscheidung für die Zukunft", um im nächsten Moment zu bestätigen, "dass zur neuen Saison ein neuer Trainer kommt".

Ob es sich dabei in dem 45-jährigen Niederländer Fred Rutten um Mulders bisherigen Chef handelt, nämlich den Trainer von Twente Enschede, mochte Müller nicht kommentieren. Mulder tat es umso deutlicher: "Fred ist eine sehr gute Wahl, und wenn's schief geht, nehme ich das auf meine Kappe!"

"Ich favorisiere Kontinuität"

Fred Rutten galt kürzlich sowohl beim PSV Eindhoven als auch beim Hamburger SV als Trainerkandidat und entspricht etwa jenem Profil eines durchsetzungsstarken Charakters, wie ihn die Schalker gerne hätten, weil sie sich mit einem ähnlichen Typus vor einigen Jahren wohler gefühlt hatten als zuletzt. Fünf Jahre und acht Monate lang war der in Gelsenkirchen-Buer sehr beliebte Huub Stevens Trainer auf Schalke, im nahezu identischen Zeitraum haben sich seither in der Reihenfolge Frank Neubarth, Jupp Heynckes, Ralf Rangnick und Mirko Slomka um die sportlichen Belange gekümmert; sie wurden allesamt vorzeitig abgesetzt.

"Ich favorisiere Kontinuität", sagte Müller am Montag wohlwissend, dass die regelmäßigen Schalker Trainerwechsel diese These einerseits bislang nicht zu belegen vermochten, dass aber Müller andererseits sein Amt vom Manager Rudi Assauer selbst ja erst im Mai 2006 übernommen hat und die jetzige Trainersuche mithin die erste unter seiner Verantwortung ist.

Müller steht demnach in den nächsten Wochen sehr viel stärker in der Verantwortung als seine Trainernovizen, die am Montag die erste Übungseinheit leiteten und sich noch nicht über eine taktische Ausrichtung für das Spiel gegen Cottbus äußern wollten. Primär zu verbessern gilt angesichts nur zweier Tore aus den jüngsten drei Spielen die Chancenausbeute. "Wir machen also ein bisschen Torschusstraining", witzelte Mulder. Da musste sogar der grimmige Manager Müller lächeln.

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