Hamburger SV:Auf dem Weg zum klubinternen Rekord

Hamburger SV: Signal der Nachhaltigkeit: Länger als Tim Walter hat es beim HSV kaum einer ausgehalten.

Signal der Nachhaltigkeit: Länger als Tim Walter hat es beim HSV kaum einer ausgehalten.

(Foto: MIS/Imago)

Trainer Tim Walter verlängert seinen Vertrag beim Hamburger SV, derlei Konstanz gab es in der Hansestadt lange nicht mehr. Der Vorgang hat im Klub aber auch eine andere Dimension.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Das Szenario, wie das alles mal aussehen soll, wurde bereits mehrmals durchgespielt. In Kürze: Sollte der Hamburger SV in dieser Saison die Rückkehr in die Erstklassigkeit schaffen, dann würde der Trainer Tim Walter einen Teufel tun und plötzlich Außenseiterfußball spielen lassen. Nein, es bliebe alles beim Alten: Bei eigenem Ballbesitz würde zum Beispiel ein Außenverteidiger zum Mittelfeldspieler umfunktioniert, der im Zentrum Überzahl schafft und dabei mithilft, dass der Gegner in der eigenen Hälfte eingeschnürt wird. Walter ist es dabei übrigens völlig egal, ob der Gegner Sandhausen heißt oder ein Spitzenteam wie etwa RB Leipzig ist, so wie vor ein paar Monaten in der zweiten Runde des DFB-Pokals (0:4). Auch in der ersten Liga würde beim HSV weiterhin alles auf Dominanz ausgelegt - unter steter Inkaufnahme von Lücken in der Defensive, die mitunter als Landebahn für Langstreckenflugzeuge taugen würden.

Tim Walters Fußball ist speziell, weil man ihn sich erst mal trauen muss. Als Trainer, aber auch als Verein. Am Mittwoch wurde nun bekannt, dass dieses im Sommer 2021 geschlossene und für alle Parteien zunächst riskante Arbeitsverhältnis fortgeführt wird: Walter hat seinen Vertrag um ein Jahr bis 2024 verlängert und steht damit für eine Nachhaltigkeit, die es in der Hansestadt lange nicht mehr gab.

Der bislang letzte HSV-Coach, dem die Ehre einer Vertragsverlängerung zuteil wurde, war 2017 Markus Gisdol. Wenn Walter bis zum Vertragende im Amt bliebe, hätte er mit mehr als 1000 Tagen Dienstzeit sogar einen klubinternen Rekord im aktuellen Jahrtausend aufgestellt. "Hamburg ist wieder eine Einheit", wird Walter im offiziellen Communiqué des Klubs zitiert: "Wir sind auf einem sehr guten Weg. Wenn wir den so weitergehen, dann werden wir unser Ziel erreichen."

Das Ziel ist im mittlerweile fünften Zweitligajahr einzig der Aufstieg. Zumindest in der Theorie stehen die Zeichen dafür gut, denn der HSV hat die Hinrunde auf dem Aufstiegsplatz zwei abgeschlossen und die Fans mit dem spektakulären Walter-Fußball so verzückt, dass sie weiterhin in Scharen ins Hamburger Volksparkstadion kommen. Ein wesentlicher Faktor für den gegenwärtigen Zuspruch des Publikums ist allerdings, dass die Leute wieder auf bessere Zeiten hoffen - ein erneutes Scheitern im Aufstiegsrennen taucht im Erwartungshorizont der Anhänger nicht auf und dürfte daher auch nicht toleriert werden.

Mit dieser Entscheidung könnte HSV-Präsident Marcell Jansen seine Position stärken

Der Zeitpunkt von Walters Vertragsverlängerung hat deshalb auch eine innenpolitische Dimension, so wie fast alles beim HSV. In Hamburg glauben viele, dass sich der Präsident und Aufsichtsratsschef Marcell Jansen die aktuell positive Stimmung zunutze machen möchte, um die Mitgliederversammlung am 21. Januar zu überstehen: Da liegen zwei Abwahlanträge gegen den früheren Profi vor; nach einer längeren Phase des Zauderns hat Jansen also gerade noch rechtzeitig ein öffentlichkeitswirksames Signal ans Wahlvolk ausgesendet. Denn Trainer Walter und der Hamburger Sportchef Boldt, dessen Vertrag kurz vor Jahreswechsel verlängert wurde, genießen unter den HSV-Fans hohe Beliebtheitswerte - die von Jansen hingegen sind erheblich gesunken, seit er sich im vergangenen Jahr so einige kommunikative und fachliche Patzer geleistet hat.

Der Ausgang der Mitgliederversammlung ist ungewiss, der dieser Saison ist es auch. Sicher erscheint beim HSV nur, dass alle Beteiligten heilfroh wären, wenn Tim Walter in der nächsten Spielzeit einen dominanten Favoritenfußball aufführen ließe, obwohl man häufig nur Außenseiter wäre. Denn dieses Szenario würde nicht nur die Erstligazugehörigkeit des Klubs bedeuten. Es könnte sogar weitere Arbeitsverhältnisse hervorbringen, die einen HSV-internen Rekord im aktuellen Jahrtausend darstellen würden.

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