Fußball:Gnabry tanzt im Regen

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Nationalmannschafts-Debüt mit drei Toren: Serge Gnabry (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Debütant von Werder Bremen glänzt beim lockeren 8:0 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in San Marino mit drei Treffern.

San Marino sei kein Gegner, mindestens zweistellig müsse das werden: Das waren die Sätze, die man vor diesem WM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft in Serravalle zu hören bekam. Tatsächlich stellte sich dann heraus, dass die DFB-Elf in ihrer langen Geschichte schon den ein oder anderen besseren Gegner hatte, aber in einer Hinsicht hatte die öffentliche Meinung diesen Gastgeber unterschätzt. San Marino war ein fast unbezwingbarer Gegner für alle Reporter - bzw. für jene bedauernswerten Menschen, die immer diese Aufstellungs-Grafiken herzustellen haben.

Gegen diesen besonders kleinen Gegner würde Bundestrainer Löw seine Elf bestimmt auch besonders anordnen, das war die allgemeine Einschätzung - so gab eine Nachrichtenagentur ein Schema heraus, in dem nur ein einziger (!) Spieler in der Abwehr stand (Mats Hummels) und Joshua Kimmich auf dem rechten offensiven Flügel; eine andere Agentur machte den Debütanten Benjamin Henrichs zum Innenverteidiger in einer Dreierkette - gemessen an diesen abenteuerlichen Varianten geriet Löws Elf geradezu enttäuschend konservativ. Sein - auf den ersten Blick - fast klassisches 4-2-3-1 reichte aber selbstverständlich ebenfalls locker aus, um den Kleinsten der Kleinen mit 8:0 zu besiegen und die Führung in der Qualifikationsstabelle locker zu behaupten.

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Nicht mal gegen San Marino will Thomas Müller ein Tor gelingen. Ilkay Gündogan ist Fan von Chips. Und Serge Gnabry empfiehlt sich nachdrücklich für weitere Einsätze. Die DFB-Einzelkritik - heute in 140-Twitter-Zeichen.

Von Martin Schneider, Serravalle

Besser als Brasilien wolle man sein, das hatten die Männer aus San Marino vor dem Spiel als Ziel ausgegeben und dabei eher nicht an die grundsätzliche Qualität gedacht. Gemeint war: Besser als Brasilien in Belo Horizonte im Juli 2014 - damals unterlagen die WM-Gastgeber der deutschen Elf, wie sich inzwischen herumgesprochen hat, mit 1:7. Am Ende verfehlte der 201. der Weltrangliste sein schönes Ziel - auch, weil die DFB-Elf bis zum Schluss konzentriert und seriös blieb.

Debüt für Henrichs und Gnabry

"Wir haben vor dem Spiel gesagt, wir wollen möglichst viele Tore erzielen und den Gegner ständig laufen lassen", sagte Löw später. So schickte der Bundestrainer auch gegen die naturgemäß überforderten Amateure eine mutige und sehr ernst gemeinte Elf aufs Feld - es war kein Widerspruch, dass er dabei den Neulingen Benjamin Henrichs (Bayer Leverkusen) und Serge Gnabry (Werder Bremen)

vertraute. Natürlich war San Marino ein debüttauglicher Gegner, dennoch passten diese Personalien perfekt in die Logik dieses Abends. In Erwartung eines extrem defensiven Gegners hatte Löw alle Positionen extrem offensiv besetzt und fast alle Offensivspieler gebracht, die sein Kader hergab - auch den angriffslustigen Rechtsverteidiger Henrichs und den dribbelstarken Linksaußen Gnabry. Auf der Bank saßen nur zwei Offensive (Volland, Meyer) - ansonsten stapelten sich auf der Bank die Defensiven (Höwedes, Mustafi, Tah, Gerhardt, Goretzka, Rudy, Weigl), deren Qualitäten gegen diesen Gegner nicht gebraucht wurden.

Es dauerte dann auch nur ein paar Sekunden, bis sich die taktische Formation von der Papierform emanzipierte, der Innenverteidiger Kimmich schob sich gleich weit ins zentrale Mittelfeld vor, der offensive Sechser Ilkay Gündogan wurde zum offensiven Zehner, und der Rechtsverteidiger Henrichs verwandelte sich in einen kessen Rechtsaußen. Fast hätte die Partie mit einem hübschen Anfängertor begonnen: Nach einer Minute und 58 Sekunden verfehlte Henrichs das Tor nur knapp, nach vier Minuten und 56 Sekunden scheiterte Gnabry.

Die Stimmen zum 8:0
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Serge Gnabry ist sein Debüt selbst unheimlich. Jonas Hector hadert mit dem Rasen. Und Bundestrainer Joachim Löw will das Ergebnis nicht überbewerten. Die Reaktionen zum DFB-Spiel.

Diese Anfangsoffensive reichte schon, um die Gastgeber zu erschrecken: Weitere vier Minuten und 56 Minuten später stand es bereits 2:0. Erst traf Sami Khedira, der Manuel Neuer als Kapitän vertrat, nach sehr coolem Heber von Gündogan, kurz darauf nutzte Gnabry eine massive Verwirrung in der Abwehr zu einem trockenen 2:0. Das Spiel war nach zehn Minuten entschieden - beendet werden durfte es laut Reglement allerdings nicht, was der DFB-Elf weitere 80 Minuten im verwerflich kalten Adria-Regen bescherte. Und Joachim Löw weitere 80 Minuten unter einer Frisur ruinierenden Kapuze.

San Marino war nicht besser als Brasilien

Natürlich war der Gegner zu winzig, um Löw bahnbrechende Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen, aber die Qualität seiner Neulinge ließen sich doch gut erkennen. Vor allem Gnabry sauste nach Herzenslust seine Flanke entlang, und er vergaß dabei keine Sekunde die richtige Richtung. Sein Drang zum Tor war bemerkenswert, auch wenn die DFB-Elf nun etwas Tempo herausnahm. Dennoch gelang Hector noch vor der Pause das 3:0 (32.).

Es war der Abend der ungewöhnlichen Torschützen: Während Gomez oder Müller in der Zehner-Abwehrkette der Gastgeber verloren gingen, legten Gnabry, Hector Gnabry und der eingewechselte Volland unter Zuhilfenahme eines Eigentors nach. Und wieder imponierte Gnabry - diesmal mit zwei anspruchsvollen Direktabnahmen.

Nein, San Marino war nicht besser als Brasilien, dafür sicherte sich aber Gnabry einen Rekord. Erstes Länderspiel, drei Tore: Diese Quote hatte nicht mal Gerd Müller.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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