Fußball:Fußballer, die Sport-BHs tragen

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Trug im Testspiel gegen Manchester City unten drunter Schwarz: Franck Ribéry. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Sieht aus wie Damenwäsche, ist hochkomplexe Technik: Monitoring-Systeme helfen den Bundesligaklubs dabei, die Leistung der teuren Profis weiter zu optimieren.

Von Jan Geißler

Da stand er nun, mitten auf dem Platz, zwischen seinen Mannschaftskollegen, und diskutierte über die vergangenen 90 Minuten: Zlatan Ibrahimovic. Er stand da und trug nichts außer einer schwarzen Boxershorts - was ja seit Gennaro Gattuso für einen Fußballer, der lange in Italien spielte, nichts Ungewöhnliches mehr ist. Der große Ibra also in Unterhose. Und, jetzt kommt's: in einem schwarzen Sport-BH. Zlatan, der sich selbst am liebsten mit Gott vergleicht, trug an anscheinend Damenwäsche. Das Bild ging um die Welt.

Gut drei Jahre ist das nun her. Während die Sportwelt damals rätselte, wofür der Schwede einen Büstenhalter benötige, ist er heute längst nicht mehr der einzige, der so etwas trägt. Immer häufiger sieht man Fußballer im BH, meist beiTestspielen. So auch während der aktuellen Saisonvorbereitung des FC Bayern, als Franck Ribéry im Spiel gegen ManCity das Trikot riss und es schwarz darunter hervorblitzte.

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Es handelt sich hier weder um einen neuen Modetrend, noch übernimmt das Stück die tatsächliche Funktion eines BHs. Sein Innenleben ist der eigentliche Grund, warum Profis ihn tragen.

In den Teilen steckt das "Monitoring System" des australischen Unternehmens GPSports, das bevorzugt im Fußball und im Rugby eingesetzt wird. Systeme dieser Art - inzwischen gibt es weltweit mehrere Hersteller - ermöglichen es den Vereinen, ihre Spieler und deren Leistungen noch besser zu überwachen.

Ein Sensor, der weniger als 100 Gramm wiegt und im Nackenbereich eingenäht ist, liefert unterschiedliche GPS-Daten sowie Informationen zur Beschleunigung. Pro Messung, also entweder über den Zeitraum einer Trainingseinheit oder eines Testspiels, spuckt der Sensor circa 70 Kennzahlen aus. Diese werden anschließend in einem Report zusammengefasst. Meist wird das Ganze durch einen Brustgurt ergänzt, durch den sich auch die Herzfrequenz aufzeichnen lässt.

Informationen, die mit bloßem Auge nicht erkennbar sind

Mussten sich die Trainer früher noch auf die eigenen Augen - oder die eines Betreuers auf der Tribüne - verlassen, geht die Entwicklung im Profisport hin zum "gläsernen Spieler". In den Stadien zeichnen Kameras sämtliche Spielzüge der Mannschaften auf, um diese anschließend in Animationen umzurechnen und jeden falschen Laufweg herauszufiltern. Die Monitoring-Systeme liefern Informationen, die darüber noch weit hinausgehen.

Für die Trainer sind dabei vor allem die zurückgelegte Distanz, die Geschwindigkeit sowie die Anzahl der Sprints von Interesse. "Diese jeweiligen Bereiche können auf die Wünsche der Trainerteams angepasst werden", erklärt Thomas Thimm von GPSports. Der Speed eines Spielers wird in sechs Geschwindigkeits-Zonen unterteilt. So lässt sich genau nachverfolgen, wie viele Meter mit welchem Tempo zurückgelegt wurden. Daraus wiederum lässt sich ableiten, wie viele Sprints ein Spieler angezogen hat. Die gesammelten Parameter erscheinen anschließend in einer Tabelle, sodass mehrere Spieler miteinander verglichen werden können.

Die Folge? Kein Spieler kann sich mehr unauffällig Auszeiten gönnen. Auch Bayerns Mittelfeldstratege Xabi Alonso ist sich dessen bewusst. Erst kürzlich sagte der Spanier bei einem Vortrag am Rande der US-Tour des Rekordmeisters, dass es durch die fortschrittliche Technik keine Betrüger mehr gebe. "Keiner kann sich mehr ausruhen und andere laufen lassen." Die GPS-Sender gehören inzwischen zum Alltag eines Fußballprofis, teilweise wird schon in der Jugend begonnen, die Spieler dahingehend zu erziehen. Dass die Technik jedoch irgendwann alles bestimmt, daran glaubt Alonso nicht: "Natürlich spielt Technologie für uns eine große Rolle. Aber Fußball kann man nicht auf mathematische Formeln herunterbrechen."

Reimut Hellmerichs von der finnischen Firma Polar, die Messgeräte für Herzfrequenz entwickelt und im vergangenen Jahr ebenfalls ein Monitoring System auf den Markt brachte, glaubt, dass die Daten inzwischen essentiell sind: "Es geht darum, langfristig fundierte Daten zu sammeln und auszuwerten, um den Spieler besser zu machen und ihn eventuell auch vor Überforderung zu schützen." Schließlich seien die Spieler ja ein wahnsinniges Kapital, und ein Ausfall würde die Vereine viel Geld kosten.

Ohnehin profitiert der Fußball enorm davon, dass man heutzutage viel einfacher und schneller an Informationen kommt, findet Hellmerichs: "Der Spieler wird vielmehr individuell angeschaut: Was kann er leisten und wie kann ich ihn in das Teamgeflecht einbinden?" So lasse sich die Mannschaft viel leichter aufstellen, weil sich der Trainer sicher sein könne, dass die fittesten Spieler auf dem Platz stehen. Oder zumindest die Spieler mit den besten Werten. Akribiker wie Pep Guardiola und Thomas Tuchel dürften solche Hilfsmittel sehr begrüßen.

Dass letztlich aber trotzdem Faktoren wie Talent und Tagesform eine Rolle spielen, ist auch klar.

2016 vertrauten alle Vereine auf Monitoring Systeme

Ein anderer Bayern-Profi sieht ebenso Vorteile in der Weiterentwicklung: Holger Badstuber, der während seiner Verletzungsphasen vieles ausprobieren konnte. "Natürlich weiß man - speziell, wenn man von einer Verletzung zurückkommt - zu schätzen, dass man diese Daten hat. Man sieht genau, in welchen Bereichen man sich noch verbessern muss." Das eigene Gefühl sei für den Innenverteidiger allerdings genauso wichtig wie die Daten der Sensoren. "Ich höre in meinen Körper und weiß, woran ich noch arbeiten muss."

An der Technik wird also fleißig weiter gefeilt. Entwickler Hellmerichs sieht vor allem in der Validität der Daten noch Verbesserungspotenzial. Genauso könnte an der Genauigkeit sowie der Größe der Sensoren gearbeitet werden. Viel wichtiger ist jedoch, glaubt Hellmerichs, dass eine Überforderung vermieden wird und die Daten so schnell wie möglich vereinfacht werden. Zuständig sind hierfür meist sogenannte "Performance Coaches". In der englischen Premier League, die der Bundesliga in Sachen Monitoring ohnehin etwas voraus ist, kommen diese professionellen Datenauswerter bereits zum Einsatz.

In der Saisonvorbereitung im Sommer 2016 vertrauten bereits alle Vereine der ersten und zweiten Bundesliga auf ein Monitoring System.

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