Fußball:Für die Freiheit geht Naki notfalls ins Gefängnis

Lesezeit: 3 Min.

Deniz Naki spricht nach dem Prozess mit der Presse. (Foto: dpa)
  • Deniz Naki wird in der Türkei wegen angeblicher Terrorpropaganda zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, Prozessbeobachter finden das politisch motiviert.
  • Er hatte im Januar 2016 einen Sieg im Pokal auf Facebook den Opfern der türkischen Militäroperation gegen kurdische Rebellen gewidmet.
  • Nach dem Urteil sagte Naki, er werde weiterhin Frieden fordern - und dass er davon ausgehe, bald im Gefängnis zu sitzen.

Von Sebastian Fischer

Es gehört immer noch in jede Geschichte über Deniz Naki, dass sein rechter Fuß mit außergewöhnlichem Gefühl gesegnet ist. Naki, 27, ist immer noch ein Fußballer, er kann Sachen mit einem Ball anstellen, an denen die meisten Menschen verzweifeln würden. Er könnte also noch ein paar Jahre lang in einer anspruchsvollen Liga spielen und gutes Geld verdienen. Doch er hat sich dafür entschieden, sein Talent dem Einsatz für den Frieden zu widmen. Und deshalb ist er nun ein in der Türkei verurteilter Terror-Propagandist.

Nicht mal 30 Minuten lang wurde am Donnerstagmorgen im Gericht in Diyarbakır im Osten der Türkei verhandelt, dann lautete das Urteil: ein Jahr, sechs Monate und 22 Tage Haft auf Bewährung, ausgesetzt für fünf Jahre. Naki soll in den sozialen Netzwerken für die als Terrororganisation verbotene Arbeiterpartei PKK geworben haben. Dabei war im November ein Verfahren mit derselben Anklage unter Verweis auf die Meinungsfreiheit eingestellt worden. Doch zwei Tage später folgte die Revision, angeblich wegen Kommentaren auf Nakis Facebook-Seite. Derselbe Richter, der ihn damals freisprach, verurteilte ihn nun.

Prozessbeobachter wie der Linken-Politiker Fabio De Masi berichten vom scheinbar Offensichtlichen: einem politisch motivierten Urteil, ähnlich dem Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Und eigentlich, das hat Naki zuletzt immer wieder gesagt, hat er ja gewusst, dass es so kommen wird.

Naki ist in Düren im Rheinland geboren, seine Eltern flohen einst aus der Türkei. Sein Vater, ein Kurde, wurde vom türkischen Militärregime gefoltert. Sein Vater habe ihm beigebracht, zu seinem Wort zu stehen. Es ist Nakis Sicht der Dinge, dass er seit eineinhalb Jahren nichts anderes macht, als diesen Rat zu befolgen.

Auch der Fußballverband hat Deniz Naki gesperrt

Im August 2015 wechselte er in die dritte türkische Liga, in die Fußball-Provinz, zu Amed SK, dem Klub im mehrheitlich von Kurden bewohnten Diyarbakır. Bereits dieser Transfer des früheren deutschen Juniorennationalspielers war damals, noch vor dem Putschversuch gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan, ein Zeichen der Solidarität mit den massiv unterdrückten Kurden im Land. Nach einem Sieg im Pokal im Januar 2016 schrieb er dann auf Facebook, dass er den Erfolg den Opfern der türkischen Militäroperation gegen kurdische Rebellen widme, "den Menschen, die in den 50 Tagen der Unterdrückung getötet oder verletzt wurden". Dazu stellte er ein Bild einer Tätowierung auf seinem Unterarm: Azadi, kurdisch für: Freiheit.

Naki wurde für zwölf Spiele gesperrt und galt fortan als Staatsfeind. Und nach dem Putschversuch, als die Regierung begann, reihenweise Politiker der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP zu verhaften, fürchtete auch Naki die Verurteilung. Wobei von Furcht in seinem Fall kaum die Rede sein kann. Erst vor ein paar Wochen sagte er dem WDR über eine drohende Gefängnisstrafe: "Wenn ich rein muss, dann muss ich rein." Er verzichtete darauf, nach Deutschland auszureisen, um in Sicherheit zu sein. Er werde immer für Frieden eintreten, sagte er, andere seien dabei gestorben, "ich kann froh sein, dass ich lebe". Er sei nur für Frieden, das sagte er auch am Donnerstag vor Gericht.

Deniz Naki ist einer der seltenen Fußballer, die stets sagen, was sie denken. Das war zu seiner aktiven Zeit als Profi in der zweiten Bundesliga beim SC Paderborn oder in St. Pauli der Grund, warum er immer mal wieder aneckte. Nun ist es der Grund, warum rund zwölf Millionen türkische Kurden in ihm einen Helden sehen. Er werde weiterhin nicht schweigen, wenn er Menschen leiden sehe, sagte er den Journalisten in Diyarbakır, und er werde weiterhin Frieden fordern. Sein Anwalt will gegen das Urteil vorgehen.

Vom türkischen Fußballverband (TFF) wird ihn niemand unterstützen. Während mündige Fußballer in anderen Ländern immerhin toleriert werden, sind sie in der Türkei geächtet, sobald sie der Regierungsmeinung widersprechen.

Neulich sagte der TFF-Präsident Yıldırım Demirören, er hoffe auf die Mehrheit für ein "Ja" im Referendum über eine Verfassungsänderung, die Erdoğans Machtbefugnisse erweitern soll. Der Fußballverband hat Naki bis Saisonende gesperrt, er soll das Publikum beleidigt haben. Doch vielmehr scheint auch diese Strafe politisch motiviert zu sein, und ein Versuch, dem Klub den möglichen Aufstieg in die zweite Liga zu erschweren.

Deniz Naki, so will es die türkische Justiz, soll seine Füße stillhalten, und nichts mehr sagen. Deniz Naki hat am Donnerstag gesagt, er gehe davon aus, bald im Gefängnis zu sitzen.

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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