Fußball:Freie Räume

Fußball: Ohne Zwang und Trillerpfeife: Das Projekt "Mädchen an den Ball" (hier in Berg am Laim) kommt an.

Ohne Zwang und Trillerpfeife: Das Projekt "Mädchen an den Ball" (hier in Berg am Laim) kommt an.

(Foto: Biku / oh)

Das Münchner Fußballprojekt "Mädchen an den Ball" will zwanglosen Sport und feministische Bildung vereinen - und expandiert: Es läuft inzwischen in sieben Stadtbezirken.

Von Johannes Müller, München

Einige der Mädchen tragen Fußballschuhe, andere haben Laufschuhe oder gewöhnliche Sneaker an. Sie passen einander die Bälle zu, probieren sich im Eins gegen Eins, schießen aufs Tor. Man sieht schnell, wer schon häufiger einen Ball am Fuß hatte und wer noch unerfahren ist. Aber das spielt hier keine Rolle, beim Training von "Mädchen an den Ball" auf der Bezirkssportanlage in Berg am Laim. Die Mädchen sind mit Enthusiasmus bei der Sache, und bei jeder gelungenen Aktion werden sie durch ihren Trainer beglückwünscht.

Das Bildungs- und Kulturprogramm (BIKU) e.V. bietet Mädchen zwischen sechs und 16 Jahren die Möglichkeit, kostenfrei Fußball zu spielen, ohne sich dafür einem Sportverein anschließen zu müssen. 2020 startete das Projekt in zwei Münchner Bezirken und wurde so gut angenommen, dass der Ball vor Kurzem in fünf weiteren Stadtteilen ins Rollen kam. Finanziell unterstützt wird es durch die Bezirksausschüsse. Im Schnitt kämen 15 bis 20 Mädchen zu den Übungseinheiten, sagt Anna Seliger, 62. Die Pädagogin hat das Konzept vor Jahren entwickelt. Sie ist überzeugt, dass Mädchen Räume brauchen, in denen sie sich ungehindert von Jungen bewegen können: "Wenn sie mit anderen Mädchen aus ihrer Altersgruppe zusammen sind, wird man ihrem Entwicklungsstand viel gerechter."

Kein Fußball, wie er im Verein gespielt wird

Eines soll "Mädchen an den Ball" auf keinen Fall sein, das macht Anna Seliger sehr deutlich: ein gewöhnliches Fußballtraining, so wie es ihrer Meinung nach in den meisten Amateurvereinen praktiziert wird. Zwar gibt es regelmäßige Trainingszeiten, aber die Kinder sind frei zu kommen und zu gehen, wie es ihnen beliebt. "Das ist wichtig, dass sie nicht diesen Zwang haben, der in der Schule herrscht oder im Verein", betont sie. "Es ist ein absolut freiwilliges Angebot." Und ein Gegenentwurf zum Trainer mit Trillerpfeife. In manchen Vereinen sei es üblich, dass ein autoritärer Ton auf dem Platz herrsche, sagt sie: "Das muss nicht sein, es kann auch sensibler miteinander umgegangen werden."

Gerade weil ihr Angebot anders ist, sieht Seliger die Initiative nicht in Konkurrenz zu Fußballvereinen. Eventuell profitieren diese sogar von dem Projekt. Michael Mössinger, Geschäftsführer des ESV München-Ost, dem Partner-Verein von "Mädchen an den Ball" in Berg am Laim, sagt: "Wir haben zwei weibliche Mannschaften in unserem Verein, eine B-Jugend und eine Frauenmannschaft, und wir sehen in diesem Projekt auch Potenzial für unsere Fußballabteilung." Die Hoffnung besteht darin, dass fußballbegeisterte Mädchen den Weg hinüber zum Verein finden.

Die Mädchen sollen mitdiskutieren und partizipieren

Das Ziel von "Mädchen an den Ball" besteht allerdings nicht darin, möglichst gute Fußballerinnen auszubilden. Der Sport ist ein Vehikel für ein erklärtermaßen feministisches Bildungsprogramm. "Es geht mir um emanzipatorische Erziehung, also darum, dass Mädchen mitdiskutieren und partizipieren können", sagt Seliger. Um die Trainer dafür fit zu machen, werden verpflichtende Grundlagen- und Aufbauseminare beispielsweise in Pädagogik und Antirassismus angeboten.

Anna Seliger hofft, dass ihr Angebot noch viel mehr Mädchen erreichen wird. Vor allem an den Münchner Grund- und Mittelschulen wurde die Werbetrommel gerührt, mehr als 40 000 Flyer verteilt. Fünf weitere Bezirke hätten bereits Interesse angemeldet, im kommenden Jahr mitzumachen. Und Seliger ist sich sicher: "Es sind sehr viele Mädchen in München, die sich dafür begeistern würden."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: