Deutschland im Finale der Fußball-EM:Ab nach Wembley dank Alex Popp

Alexandra Popp EM Deutschland

Alexandra Popp und ihre Kolleginnen sind in England nicht aufzuhalten: Im Halbfinale erzielte die deutsche Stürmerin beide Treffer gegen Frankreich.

(Foto: Nick Potts/AP)

In einem leidenschaftlich geführten Halbfinale gegen Frankreich ist die deutsche Kapitänin wieder die überragende Figur. Das 1:0 erzielt sie mit einem Volleyschuss, das 2:1 mit dem Kopf - am Sonntag wartet nun vor fast 90 000 Zuschauern England.

Von Anna Dreher, Milton Keynes

Alexandra Popp, natürlich. Mit dem Kopf, klar, wie hätte es anders sein können? Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg rannte jubelnd die Seitenlinie entlang: Ihre Kapitänin hatte die Entscheidung gebracht, ihr Tor in der 76. Minute zum 2:1 hat das deutsche Nationalteam gegen Frankreich ins Finale dieser Europameisterschaft gebracht, wo es am Sonntag im Londoner Wembley-Stadion auf Gastgeber England trifft - und nach schwierigen und enttäuschenden Jahren die Chance auf den neunten EM-Titel hat.

"Ich kann das alles gar nicht in Worte fassen. Wir haben wirklich alles reingeworfen und sind so unfassbar glücklich", sagte Popp im ZDF. Ihre knappe, aber treffende Einschätzung der Kolleginnen lautete: "Die Mannschaft ist geil." Voss-Tecklenburg sprach von großem "Stolz" auf ihre Spielerinnen. "Das ist so verdient, wir haben so hart dafür gearbeitet", fand sie, "wir sind so ein Haufen geworden hier, der sich überall unterstützt. Ich finde, wir haben völlig verdient dieses Spiel gewonnen."

Die Deutschen waren gewarnt vor den überfallartigen Angriffen der Französinnen, die zwar gegen die Niederlande im Viertelfinale nur 1:0 gewonnen, dabei aber 33 Mal aufs Tor geschossen hatten. Diese Offensivpower bekamen sie nun zu spüren, vor allem über die linke Seite, wo die schnellen Sakina Karchaoui und Delphine Cascarino immer wieder Alarm machten.

Die Französinnen drängten die Deutschen zurück, bisweilen wirkte es, als klebten sie am Ball. Dass ihnen vor den 27 445 Zuschauern in Milton Keynes zunächst kein Tor gelang, lag an der wachen Defensive der Deutschen, die in diesem Turnier herausragte: Als Einzige waren sie bis zu diesem Abend noch ohne Gegentreffer geblieben. Wie ein kleiner Bienenschwarm rannten sie auf die Französinnen zu, und trennten sie so immer wieder vom Ball.

Gezwungenermaßen hatte Voss-Tecklenburg ihre Startelf verändert. Nach der inzwischen genesenen Lea Schüller hatte es nun auch Klara Bühl erwischt: Ihr Corona-Test war am Dienstag positiv ausgefallen. Ausgerechnet die 21-Jährige würde fehlen, die bisher in der Offensive mit ihren Läufen, Ideen, einer Vorlage und einem Tor Leistungsträgerin gewesen war. Die Nachricht, hatte die Bundestrainerin auf der Pressekonferenz vor der Partie gesagt, habe "uns alle schon erst mal stiller gemacht. Wir sehen das als nächste Herausforderung an."

Dieser Ausfall werde ihr Team aber nur weiter zusammenschweißen. Und die Tests aller anderen Spielerinnen und Mitglieder des DFB-Trosses fielen laut Verband negativ aus - es blieb also dabei, nur Bühl würde gegen Frankreich fehlen.

Die deutsche Elf kommt gegen Frankreich im Halbfinale immer besser ins Spiel

Vor Torhüterin Merle Frohms begannen Felicitas Rauch, Marina Hegering, Kathrin Hendrich und Giulia Gwinn in der Abwehrkette. Lina Magull, Lena Oberdorf und Sara Däbritz bildeten das Mittelfeld, Bühl-Vertreterin Jule Brand, Kapitänin Alexandra Popp und Svenja Huth die Offensive. "Es wird ganz viel an uns liegen und an dem, was wir zulassen", wusste Voss-Tecklenburg. Frankreich sei stark, aber auch verwundbar: "Es wird Mentalität brauchen und es wird wehtun."

Doch ihr Team konnte befreit aufspielen, der größte Druck war weg. Unter die besten vier zu kommen, lautete nach dem Aus im Viertelfinale bei der WM 2019 sowie der EM 2017 die Vorgabe. Und nun sollte beim zehnten EM-Halbfinale auch der nächste Schritt gelingen.

Deutschland im Finale der Fußball-EM: Merle Frohms und Jule Brand: Zwei Protagonistinnen dieses Spiels - Frohms mit Paraden in der zweiten Hälfte, Brand als unermüdliche Dribblerin.

Merle Frohms und Jule Brand: Zwei Protagonistinnen dieses Spiels - Frohms mit Paraden in der zweiten Hälfte, Brand als unermüdliche Dribblerin.

(Foto: Shaun Botterill/Getty Images)

Nach und nach kamen die Deutschen besser ins Spiel und auch zu Chancen. Nach einem Freistoß von Lina Magull war es in der 19. Minute eine Frage von Sekunden, wer zuerst am Ball sein würde: Alexandra Popp oder Frankreichs Torhüterin Pauline Peyraud-Magnin? Die französischen Hände gewannen gegen den deutschen Kopf. Die Kapitänin der DFB-Frauen hatte danach bei einem Freistoß, den sie präzise durch die Mauer trat, die nächste Chance zur Führung. Doch wieder vereitelte Peyraud-Magnin (22.). Die Angriffe ließen auf beiden Seiten nicht nach, es war nur eine Frage der Zeit, bis eine dieser Offensiven erfolgreich sein würde. Was dann nach 40 Minuten passierte, passte zur Dramaturgie des Spiels wie zur Dramaturgie dieser EM.

Sara Däbritz leitete über Jule Brand einen Angriff ein, der Ball kam schließlich von Huth geflankt in den Strafraum geflogen. Lina Magull stand zentral, sprang hoch und verpasste. Doch wenige Meter dahinter lauerte Popp und schoss den Ball nach einer Art Ausfallschritt mit links zum 1:0 ein. Für die 31-Jährige war es das fünfte Tor im fünften Spiel bei ihrer ersten EM. Das hat vor ihr noch keine Fußballerin geschafft. Zudem war es das 100. Tor der DFB-Frauen bei einer EM, auch diese Bestmarke hat sonst niemand erreicht.

Während Popp mit ihren Mitspielerinnen diesen Befreiungsschlag ausgelassen feierte, rief ihr Pendant auf der Gegenseite mit energischem Winken und ernstem Blick alle zusammen. Wendie Renard fand, es sei höchste Zeit für eine Besprechung. Und was auch immer Frankreichs Kapitänin gesagt hatte, es zeigte Wirkung. Denn noch vor der Pause setzten sie ein Statement.

Kadidiatou Diani bekam den Ball, dribbelte auf das deutsche Tor zu, und nachdem sie von Kathrin Hendrich und Marina Hegering nicht eng genug bedrängt wurde, zog sie von der Strafraumgrenze ab. Der Ball zischte an den Pfosten, und was zunächst wie Glück für die Deutschen aussah, erwies sich als Falle. Denn vom Aluminium sprang der Ball der Torhüterin Merle Frohms an den Rücken und prallte ins Netz zum 1:1 (44.). Deutschlands Nummer eins wurde damit nicht nur erstmals überwunden, sondern überwand sich selbst. Statt mit Euphorie ging es mit einem Dämpfer in die Kabine.

Nach der Pause wechselte Frankreichs Nationaltrainerin ihre zentrale Stürmerin Melvine Malard aus, für sie kam Selma Bacha. Nach einer Stunde kam Clara Matéo für Delphine Cascarino auf den Platz. Die beiden Neuen brachten viel Dynamik ins französische Spiel, Bacha hatte in der 62. Minute eine gute Chance, nur eine Minute später trat sie eine Ecke auf Renard, die beinahe ihre 1,87 Meter genutzt hätte, doch Frohms stellte sich bei beiden Versuchen entschlossen in den Weg.

Und dann stieg Alexandra Popp zu ihrem nächsten Kopfball in die Luft.

Nachdem auch Brand bei ihrem ersten Startelf-Einsatz sowie Huth gute Gelegenheiten hatten und auch Voss-Tecklenburg in Linda Dallmann (für Magull) und Sydney Lohmann (für Däbritz) frische Kräfte brachte, hätte Bacha in der 79. Minute beinahe noch den Ausgleich erzielt. Aber ein zweites Mal ließ Frohms den Ball an diesem Abend nicht mehr durch.

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