2:0 gegen Österreich:Popp beendet das Nervenspiel

2:0 gegen Österreich: Alexandra Popp sorgt in der 90. Minute für die Entscheidung - sie provoziert einen Fehler der gegnerischen Torhüterin.

Alexandra Popp sorgt in der 90. Minute für die Entscheidung - sie provoziert einen Fehler der gegnerischen Torhüterin.

(Foto: Dylan Martinez/Reuters)

Pfostentreffer, Lattentreffer, klarste Chancen: Deutschland und Österreich liefern sich im EM-Viertelfinale einen intensiven Schlagabtausch. Am Ende hat Alexandra Popp eine letzte Idee - und die DFB-Auswahl zieht ins Halbfinale ein.

Von Anna Dreher, London

Als es schon wirkte, als würde in diesem intensiven Viertelfinale kein Tor mehr fallen, obwohl es so viele Versuche gegeben hatte, passierte es doch. 90 Minuten waren vorbei. Österreichs Torhüterin Manuela Zinsberger wollte den Ball wegschlagen - und schoss geradewegs die heranstürmende Alexandra Popp an, von der der Ball zum 2:0 über die Linie abprallte. Für die Kapitänin war es das vierte Tor in ihrem vierten EM-Spiel bei diesem Turnier in England. Für das deutsche Nationalteam bedeutete es den Einzug ins Halbfinale.

"Insgesamt war es ein Riesen-Spiel und wir sind glücklich, dass wir heute 2:0 gewonnen haben", sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Popp urteilte: "Auch wenn es extrem intensiv war, haben wir es uns verdient." Torschützin Lina Magull meinte: "Wir sind unendlich froh und stolz, endlich mal wieder ein Halbfinale erreicht zu haben." Zuletzt stand die DFB-Auswahl bei Olympia 2016 in Rio unter den besten vier.

Vor dem Anpfiff wurde dem am Donnerstag verstorbenen ehemaligen Nationalspieler Uwe Seeler mit einer Schweigeminute gedacht. Die Deutschen spielten mit Trauerflor. Die Partie vor 16 025 Zuschauern im Brentford Community Stadium im Westen Londons ging dann so intensiv los, wie es erwartet worden war. Die DFB-Frauen näherten sich in der achten Minute erstmals dem Tor, eine Minute später testete Julia Hickelsberger-Füller Merle Frohms auf der anderen Seite, bevor als direkte Reaktion die erste gute Chance von Popp weit über die Latte ging. Die Österreicherinnen setzten die Deutschen permanent unter Druck und wäre der Kopfball von Marina Georgieva nicht an den linken Pfosten gegangen, sie hätten sich in der 13. Minute mit der Führung belohnt. Die Deutschen wirkten nervös, ihnen unterliefen einige Fehlpässe und Ballverluste - und dass die Gegnerinnen sich ihnen konsequent in den Weg stellten und so den Spielaufbau verhinderten, half auch nicht.

2:0 gegen Österreich: Nur einer von insgesamt drei Aluminium-Treffern der Österreicherinnen. Merle Fohms im deutschen Tor kommt nicht mehr an den Ball.

Nur einer von insgesamt drei Aluminium-Treffern der Österreicherinnen. Merle Fohms im deutschen Tor kommt nicht mehr an den Ball.

(Foto: Mike Hewitt/Getty Images)

2017 hatten es die Österreicherinnen bis ins EM-Halbfinale geschafft und waren vor allem mit einer bestens organisierten Defensive aufgefallen. Die ist auch fünf Jahre später noch zu beobachten, vor dem Viertelfinale hatten sie in acht EM-Partien nur zwei Gegentore kassiert und sich in England zudem variabler in der Offensive gezeigt. Aber in der 25. Minute wurde die Abwehr dann doch überwunden. Marina Hegering gab den Ball von der Mitte mit dem Kopf weiter zu Klara Bühl, die ÖFB-Kapitänin Carina Wenninger auf der linken Seite davonlief. Dann passte die 21-Jährige clever in den Strafraum, Popp ließ den Ball durch zu Lina Magull, die ihn scharf ins untere rechte Eck zum 1:0 abschloss.

Eine glückliche Führung gegen bestens organisierte und aggressive Nachbarinnen. Nach einer halben Stunde setzte Regen ein, Bühl wechselte zwischendurch die Position mit Popp und stürmte an der Spitze, Huth machte auf der rechten Seite weiter Wirbel - und spekulierte in der 42. Minute nach einem Sololauf auf das kurze Eck. Im Weg war das Schienbein von Zinsberger.

Es war unabhängig vom Ergebnis eine besondere Begegnung: Ein Treffen unter Bekannten. Aus dem österreichischen Kader stehen 13 bei Bundesligisten unter Vertrag, nimmt man ehemalige hinzu, sind es gar 20. Irgendwann standen sich also vermutlich schon mal alle im Fußball-Alltag gegenüber, was auf beiden Seiten als Vorteil wie als Nachteil gewertet wurde. Man selbst wusste so viel mehr über die Gegnerinnen - aber die eben auch über einen selbst.

Voss-Tecklenburg kehrte zur gleichen Anfangsformation wie vergangene Woche gegen Spanien zurück. Die zuletzt gelbgesperrten Felicitas Rauch und Lena Oberdorf sowie die zuletzt angeschlagene Lina Magull fingen an. Lea Schüller saß nach ihrer Corona-Isolation zunächst auf der Bank. Einzig Ersatztorhüterin Almuth Schult hatte aufgrund eines fiebrigen Infekts nicht mitfahren können und blieb im Hotel. Ihr Trikot war trotzdem vertreten: Teampsychologin Birgit Prinz trug es über einer Trainingsjacke. Vor Frohms in der Abwehr spielten also Rauch, Kathrin Hendrich, Marina Hegering und Giulia Gwinn, davor Magull, Oberdorf und Sara Däbritz, die Angriffsreihe formten Klara Bühl, Kapitänin Alexandra Popp und Svenja Huth.

2:0 gegen Österreich: Das 1:0. Alexandra Popp (vorne) lässt eine Vorlage von Klara Bühl clever durch - Lina Magull versenkt präzise im langen Eck.

Das 1:0. Alexandra Popp (vorne) lässt eine Vorlage von Klara Bühl clever durch - Lina Magull versenkt präzise im langen Eck.

(Foto: Peter Cziborra/Reuters)

Wenige Sekunden nach Wiederanpfiff wäre Bühl beinahe wieder zur Vorlagengeberin geworden. Doch Gwinn verpasste das 2:0 knapp, ihr Schuss donnerte an den linken Außenpfosten. Diesmal starteten die DFB-Frauen ruhiger, mit mehr Ordnung und kamen schon in den ersten fünf Minuten der zweiten Hälfte oft in den Strafraum. Kurz darauf hatten sie dreimal erhöhten Puls.

Erst nach einem schnellen Konter, bei dem Frohms herausgestürmt und schneller an den Ball kam als Hickelsberger-Füller, dann bei einem Schuss aus mehr als 20 Metern von Barbara Dunst, der an die Latte knallte, beides in der 52. Minute. Fünf Minuten später half bei der Abwehr der linke Pfosten, den Sarah Puntigam beim Abschluss erwischte. "Wir sind gewappnet, dass da einiges auf uns zu kommt", hatte Popp gesagt. "Die laufen definitiv, bis sie umfallen, und werden wahrscheinlich alles reinhauen, was sie haben. Die sind bei der letzten EM auch schon ins Halbfinale gekommen, das passiert nicht einfach so."

Die Partie verlor auch in den folgenden Minuten nicht an Intensität. Vor allem Bühl und Oberdorf fielen als Antreiberinnen an, in der 78. Minute hätte eine Kombination der beiden beinahe den nächsten Treffer gebracht, doch Bühls Schuss knallte an die Latte. In der 82. Minute wieder: Die eingewechselte Lena Lattwein eroberte den Ball, der über Popp zu Bühl kam - die kurz vor ihrer Auswechslung aus komplett freier Position links vorbeischoss. Aber daran dachte wenige Minuten später niemand mehr.

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