Eigentlich läuft es für die Fußball-Bundesliga der Frauen gerade richtig gut. Mehrere Vereine sind an der Tabellenspitze dicht aneinander gerückt: Der VfL Wolfsburg steht nach neun Spieltagen mit 22 Punkten auf Rang eins, dahinter folgen mit jeweils 20 Zählern Eintracht Frankfurt, der FC Bayern und Bayer Leverkusen. Seit Langem wird ein solches Szenario herbeigesehnt. Möglichst viel Spannung an der Spitze, das stand auf vielen Wunschzetteln.
Diese Momentaufnahme passt zu dem, was im Hintergrund seit Monaten erarbeitet wird: ein Plan, die Liga professioneller, finanziell unabhängiger und international wieder stärker zu machen. Ein Vorhaben, das inzwischen in der Gründung der „Geschäftsplan Frauen-Bundesliga Projekt GbR“ mündete. Die Öffentlichkeit erfuhr davon am 1. Oktober. Synchron verschickten manche Klubs eine Mail, andere setzten einen Beitrag auf ihre Homepage. Drei Absätze waren wortgleich, andere unterschieden sich, die Botschaft blieb die gleiche: Es soll gemeinsam in eine bessere Zukunft gehen.
Zunächst war in den Schlagzeilen dann von einer „Frauen-DFL“ die Rede. Das suggerierte, der Weg führe weg vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) – wie bei den Männern und ihrer Deutschen Fußball-Liga (DFL). Doch das ist nicht das Ziel. Denn vorerst geht es nicht um eine Trennung, stattdessen versuchen die Klubs und der DFB eine Zusammenarbeit in so noch nie dagewesener Form. Eben: gemeinsam.

DFB:Schnell weg mit der Fotoaffäre
„Keine Schadensersatzansprüche gegen Rainer Koch“: Der DFB beendet die Untersuchung rund um den Ausbruch des „Sommermärchen“-Skandals. Doch es zeigt sich, dass er das Thema gar nicht ausermittelt hat.
Das Vorhaben hat die Unterstützung aus den Chefetagen der Lizenzvereine, also des FC Bayern, des VfL Wolfsburg und so weiter, die neben der SGS Essen, Turbine Potsdam und Carl Zeiss Jena in der Bundesliga die Mehrheit bilden. Es wurde eine Taskforce aus Vertretern der Klubs und des Verbandes gegründet. Doch der Prozess scheint sich zu ziehen und so langsam kommt Zeitdruck hinzu.
Die Herausforderungen sind allen klar. International entwickelt sich der Frauenfußball rasant – auch deshalb müssen die Klubs „durch den stark wachsenden Markt mit einem immer größer werdenden Ausgabendruck umgehen“, sagt Katharina Kiel, Technische Direktorin bei Eintracht Frankfurt. Das Problem: „Dies führt bei vielen Klubs zu einer immer größeren Abhängigkeit vom Männerfußball.“ In der Saison 2022/2023 betrug der Gesamtumsatz der Frauen-Bundesliga knapp 25 Millionen Euro. Im Schnitt lagen die Erträge pro Klub bei rund zwei Millionen Euro – diese Summe fiel aber allein schon für Personalaufwand an. Jeder der zwölf Bundesligisten hat im Schnitt ein Minus von fast 1,8 Millionen Euro gemacht.
Das Bild in der Liga ist heterogen, die Unterschiede teils groß
Die Hoffnung liegt derzeit vor allem im Wachstum der Medienerlöse. Die Liga nimmt von 2023/24 bis 2026/27 insgesamt 20,7 Millionen Euro an TV-Geldern ein. Das ist zwar sechzehnmal mehr als in der vorherigen Rechteperiode, doch die internationalen Maßstäbe sind inzwischen andere. Der US-amerikanischen National Women’s Super League (NWSL) bringt ein neuer TV-Deal seit 2024 über vier Jahre 240 Millionen US-Dollar (225 Millionen Euro). Bei der englischen Women’s Super League (WSL) sollen es laut Guardian für die nächsten fünf Spielzeiten 65 Millionen Pfund (78 Millionen Euro) sein. Die Klubs der WSL und der zweiten englischen Liga haben sich gerade vom englischen Verband FA getrennt.
Auch in Deutschland wurde immer wieder gefragt, ob die Liga unter dem Verbandsdach noch richtig aufgehoben ist. Im Oktober 2021 sagte Herbert Hainer, der Präsident des FC Bayern, im Interview mit der SZ: „Generell erwarte ich mir in dieser Sparte viel mehr vom DFB. Da wird der Frauenfußball immer noch stiefmütterlich behandelt.“ Hainer schlug vor, den Frauenfußball auszugliedern und „in welcher Form auch immer“ separat zu organisieren. Ralf Kellermann, Direktor Frauenfußball des VfL Wolfsburg, hatte schon zuvor gefordert: „Der Frauenfußball muss mittelfristig mit in die DFL.“
Der DFB reagierte und entwickelte die „Strategie Frauen im Fußball FF27“ – benannt nach dem Jahr, in dem der Verband mit den Niederlanden und Belgien gerne die WM ausgerichtet hätte (den Zuschlag erhielt Brasilien). Die Bundesliga wuchs dann tatsächlich, was aber unmittelbar wohl mehr am Abstrahleffekt des Nationalteams lag, das 2022 furios ins EM-Endspiel eingezogen war. Während zuvor im Schnitt 800 bis 900 Zuschauer pro Spiel kamen, waren es in der Saison nach der EM rund 2700; wobei der Durchschnitt von Highlight-Partien in großen Arenen nach oben gezogen wurde. Nur: Für eine nachhaltige Entwicklung reicht das nicht. Im März 2023 begann die Arbeit an der Zukunft also erneut. Und die Frage ist nun: Warum kommt sie schleppend voran?
Die Themen reichen von Nachwuchsförderung über einen Mindestlohn für die Spielerinnen bis zur Organisation des Ganzen. Das Bild in der Liga war erwartungsgemäß heterogen: Was dem einen Klub fehlte, war für den anderen kein Problem. Die Unterschiede sind teils groß. Entsprechend kontrovers soll um die Priorisierung und die zeitlichen Abläufe debattiert worden sein. Im Dezember 2023 sollten die Maßnahmen eigentlich abgesegnet werden, um sich dann der nicht minder komplexen Finanzierungsfrage widmen zu können. Inzwischen hatten sich auch Geschäftsführer und Vorstände aus den Klubs eingeklinkt, deren Fokus sonst eher auf den Männerteams liegt, etwa Frankfurts Axel Hellmann oder Münchens Jan-Christian Dreesen. Die Vision der Frauen-Bundesliga war zur Chefsache geworden. Das kann Vor- und Nachteile haben.
Bei den Vereinen jedenfalls ploppten Fragezeichen auf. Manch einer soll sich überrumpelt gefühlt haben von der Fülle an Daten. Manch einer bewertete diese als unvollständig, Faktoren wie Ticketeinnahmen und Merchandising seien nicht berücksichtigt worden. Wie sehr die Entwicklung auch dadurch beeinflusst wurde, dass in diese Phase die Abstimmung um den umstrittenen, letztlich abgelehnten Investorendeal der DFL fiel, lässt sich schwer beurteilen. Als es um Finanzierungsmöglichkeiten für den vom DFB für die Frauen errechneten Investitionsbedarf von 135,8 Millionen Euro bis zur Saison 2030/31 ging, war vom Verband ein externer Investor zumindest nicht kategorisch ausgeschlossen worden. Dem Vernehmen nach war damals auch das ein Grund, dass abschließende Diskussionen verschoben wurden.
Um die eigene Studie transparenter zu machen und den Prozess nicht zu verzögern, soll der DFB umfassend Dateneinsicht gegeben haben
Die Klubs wollten sich eigenständig ein Bild machen. Beteiligte hatten den Eindruck, nicht richtig mitgenommen worden zu sein von den Etappen-Gesprächen bis zur Dezember-Präsentation. Also: Streit zwischen Liga und Verband? Um eine Konfrontation, heißt es von mehreren Seiten, sei es nicht gegangen. Eher um mehr Information.
Die Vereine schlossen sich zusammen, um sich in Ruhe mit dem Geschäftsplan auseinanderzusetzen. Zwischen dem DFB und allen Klubs soll es auch Einzelgespräche gegeben haben. Bis die Bundesligisten im Sommer beschlossen, die erwähnte Gesellschaft zu gründen – und eine Agentur mit Analyse, Prognose und Zielsetzung der Liga zu beauftragen. Dabei handelt es sich wohl um die Agentur Portas, die auch an der Abspaltung der Women’s Super League vom englischen Verband (FA) beteiligt war.
Aus Sicht des DFB ist diese noch laufende externe Prüfung unnötige Mehrarbeit. Um die eigene Studie transparenter zu machen, sollen alle Klubs voll umfassend Einsicht erhalten haben in die – an sensiblen Stellen geschwärzten – Zahlen des DFB. Und um den Prozess nicht weiter zu verzögern, soll ebenso die Agentur alle Daten übermittelt bekommen haben, mit Hilfe derer der Investitionsbedarf etwa auch zu Infrastruktur, Personal und Vermarktung vom DFB ermittelt worden war. „Am Ende geht es ums höhere Ziel, es geht um die Entwicklung des Frauenfußballs“, sagt dazu Florian Wittmann, der den Prozess beim Verband in Abstimmung mit Geschäftsführer Holger Blask leitet. „Wir werden uns nie vorwerfen lassen müssen, dass es an uns gescheitert ist. Wir waren immer progressiv und transparent.“
Vermutlich, darin sind sich Klubs und Verband einig, wird die Agentur-Analyse nicht zu eklatant anderen Schlussfolgerungen kommen als der DFB. Nur: Wann ist sie fertig? Ende des Jahres sollten die Maßnahmen ursprünglich verabschiedet werden. Das wird knapp. Dabei geht es auch um die Einhaltung von Fristen mit Blick auf die nächste Vermarktungsperiode der Medienrechte, die 2027/28 beginnt. Mit gemeinsamem Geschäftsplan wäre die Verhandlungsposition eine stärkere. Schließt sich dieses Zeitfenster, weil sich der Prozess weiter und weiter in die Länge zieht – dann könnte zumindest diese Chance verpufft sein.