Fußball: FC Bayern München:Stichelei im Titelrausch

Das überzeugende 4:0 gegen Bremen steigert das Selbstbewusstsein der Bayern weiter. Mehr denn je glauben sie an das Triple - und sticheln bereits gegen Inter-Trainer José Mourinho.

Johannes Aumüller, Berlin

Ottmar Hitzfeld hätte in der 52. Minute wahrscheinlich reagiert. Gerade hatte Bayerns Ivica Olic im DFB-Pokal-Finale gegen Bremen das 2:0 erzielt, die Partie war entschieden. Und mit Blick auf das Champions-League-Finale am nächsten Samstag wäre dem einstigen Bayern-Trainer Hitzfeld wahrscheinlich in den Sinn gekommen, zum Beispiel Arjen Robben, Franck Ribéry und Thomas Müller aus dem Spiel zu nehmen und ihnen ein wenig Erholung zu verordnen.

Fußball, DFB-Pokal, Pokalsieger FC Bayern München; ddp

Zwei Holländer und ihr neuer Freund: Die Bayern-Spieler Mark van Bommel (links) und Arjen Robben präsentieren den gewonnenen DFB-Pokal.

(Foto: Foto: ddp)

Louis van Gaal hat in dieser Saison zwar schon bewiesen, dass er bisweilen der Hitzfeldschen Rotationslogik folgt, doch in dieser 52. Minute des DFB-Pokal-Finales war er von solchen Gedanken ungefähr so weit entfernt wie Holland von einem Olympiasieg in der Skilanglauf-Staffel. Er reagierte überhaupt nicht, sondern ließ die Robbens, Ribérys und Müllers einfach auf dem Platz, damit sie sich hineinspielen konnten in ihren Rausch.

Triumphal statt gemütlich

So fährt der FC Bayern nicht mit einem gemütlich zu Ende gespielten 2:0 nach Madrid, sondern mit einem triumphalen 4:0, bei dem die Münchner beinahe en passant einen der stärksten Kontrahenten der Bundesliga zerlegten. "Welcher Trainer außer Louis van Gaal würde nach einem 2:0 weiter Vollgas geben?", fragte Bayern-Präsident Uli Hoeneß vergnügt.

Es war in den Tagen vor dem Endspiel von Berlin ja schon ein wenig paradox gewesen: Triple oder nicht Triple, so lautete die einzige Frage. Das nationale Double und damit der DFB-Pokalsieg waren stillschweigend vorausgesetzt worden. Die Möglichkeit, gegen Inter zu gewinnen, aber gegen Bremen zu verlieren, kam gar nicht in Betracht.

Normalerweise beteuern Profis immer nachdrücklich, ganz gewiss nicht an das nächste, sondern nur an das aktuelle Spiel zu denken. Diesmal aber, so bekannte Philipp Lahm, speiste sich ein Teil der Motivation für Berlin auch aus der Partie in Madrid. "Dieses Spiel heute hat gezeigt, wie sehr wir das Triple wollen", sagte Lahm.

Der 15. DFB-Pokal-Sieg, das neunte nationale Double, das sind an sich schon überragende Ergebnisse. Aber die Aussicht auf das erste Triple einer deutschen Mannschaft, auf eine historische Saison, auf eine Marienplatz-Sause mit drei Trophäen, sie treibt diese Bayern an. Die Münchner sind wie im Titel-Rausch, und nachdem sie nun mit Vollgas-Fußball zwei Drittel des Triples erfüllt haben, hat beim FC Bayern kaum jemand Zweifel, dass am nächsten Samstag mit Vollgas-Fußball der nächste Sieg folgt. "Wir wollen gegen Mailand unsere Leistung bringen, und dann ist es schwer, den FC Bayern zu schlagen", sagte Lahm. "Wir feiern nur so viel, dass es für Inter reicht", ergänzte Müller keck.

Liebesgrüße nach Mailand

Der eine oder andere konnte sich eine kleine Stichelei in Richtung Endspiel-Gegner nicht verkneifen. "Mourinho ist mehr defensiv, mit unserem Trainer wollen wir Fußball spielen", sagte Robben, und Trainer van Gaal meinte auf seine bekannt süffisante Art: "Auch José Mourinho hat gesehen, dass wir sehr gut Fußball spielen können."

Ab Mittwoch will er seine Mannschaft auf das Finale vorbereiten, eine wichtige Entscheidung fällt aber bereits am Montag. Dann entscheidet der Internationale Sportgerichtshof Cas über die Rechtmäßigkeit der Drei-Spiele-Sperre gegen Ribéry. Unter Umständen kann der Franzose gegen Mailand doch noch mitwirken; sollte er ausfallen, müsste van Gaal die Berliner Erfolgself umstellen, Hamit Altintop wäre wohl der erste Ersatzkandidat.

Doch ob Ribéry mitspielt oder nicht: Nach den jüngsten Leistungen gehen die Münchner keineswegs als Außenseiter, sondern eher leicht favorisiert ins Endspiel von Madrid. Pünktlich zum Saison-Höhepunkt befindet sich diese Mannschaft auf dem Gipfel ihres Schaffens. Die Organisation stimmt, die Einstellung auch, im Defensivspiel hat sich eine gute Ordnung entwickelt, im Offensivspiel greifen die Automatismen exzellent. Strukturelle Schwachstellen gibt es nicht mehr, die - seltenen - individuellen Aussetzer bleiben meist folgenlos, weil das Gesamtgefüge sie kompensiert.

Der beste Robben aller Zeiten

Dazu ragen die Münchner auch dann heraus, wenn es nicht um Passdreiecke, Laufwege und Achsenstaffelung geht, sondern um die Momente, in denen abseits aller mannschaftstaktischen Überlegungen die individuelle Kreativität des einzelnen Spielers gefragt ist. "Das ist der beste Arjen Robben, den es je gab", sagte - Arjen Robben. Es scheint, als berauschten die Münchner nicht nur die Fans und die Journalisten, sondern auch sich selbst.

Es gibt nicht wenige Beobachter, die beim Hören oder Lesen des Robben-Zitats denken, dies sei vielleicht auch der beste FC Bayern, den es je gab. Und in nur sechs Tagen vielleicht auch der erfolgreichste FC Bayern aller Zeiten.

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