Sven Ulreich müsste man sein. Aufregend wäre das. Aber wollte man es wirklich? Ulreich, geboren 1988 in Schorndorf, ist ein Torwart. Doch über diese profane Berufsbezeichnung hinaus hat er eine der speziellsten Aufgaben in der Bundesrepublik zu seiner Lebensaufgabe gemacht: Als Ersatz von Manuel Neuer muss er beim FC Bayern immer bereit sein, obwohl er nie weiß, wann genau er bereit sein muss. So gesehen streift Ulreichs Job-Definition die des Feuerwehrmanns. Wenn die Sirene ertönt, rutscht er die Stange hinab, Tag und Nacht.
Seit Sonntag ist wieder Neuer-Alarm beim FC Bayern. Am Tag nach dem 3:2 gegen den Tabellensechsten RB Leipzig verbreitete sein Verein die Kunde von einer Operation am rechten Knie, wegen der Neuer "in den kommenden Wochen" ausfalle. Interessant war, dass über den medizinischen Eingriff zum Zeitpunkt der Aussendung bereits in der Vergangenheit berichtet werden konnte.
Das muss man ja erst mal so hinbekommen: Das Tor gegen aufopferungsvoll kämpfende Leipziger mit so viel Einsatz hüten wie noch nie in dieser Saison (fünf Paraden!) - und sich dabei von niemandem anmerken lassen, dass im Hinterkopf bereits der Koffer für das Krankenhaus gepackt werden musste. Auf Instagram reichte Neuer schon 24 Stunden nach der Partie Bilder und Persönliches aus dem Hospital nach, legeres OP-Kleidchen, müde Augen, ein gestreckter Daumen, dazu der Text: "Alles ist super gelaufen, sodass ich zeitnah mit dem Aufbautraining beginnen kann. Bis ganz bald auf dem Platz."
Seinen längsten Einsatz in München hatte Ersatzmann Ulreich von April 2017 bis Mai 2018
Man darf davon ausgehen, dass Ulreich sein Einsatzbefehl diesmal nicht unvorbereitet ereilt hat. Anders als zuletzt bei der 1:2-Niederlage zum Rückrundenauftakt gegen Mönchengladbach, die Neuer wegen einer Corona-Infektion verpasste. Als es diesmal laut wurde, saß Ulreich sozusagen schon im Löschfahrzeug. Denn bereits seit Längerem soll klar gewesen sein, dass eine OP unvermeidbar war, weshalb sich die Bayern und Neuer entschieden, diese lieber jetzt als später durchzuführen. Ein Teil des Innenmeniskus wurde laut Kicker bei Neuer entfernt, vorgenommen wurde der Eingriff beim Spezialisten Dr. Christian Fink in Innsbruck.
Mehrere Spiele hintereinander zuletzt im Frühjahr 2019 für den FC Bayern im Einsatz: Torwart Sven Ulreich.
(Foto: Thomas Frey/imago)Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie viele Wochen vergehen werden, ehe Neuer "ganz bald" wieder die Handschuhe überstreift. Und ob sein Fehlen gut ausgehen kann. Ulreich hatte seinen längsten Einsatz in München von April 2017 bis Mai 2018, nachdem Neuer zwei Mittelfußbrüche erlitten hatte. Mehrere Spiele hintereinander war Ulreich für den FC Bayern zuletzt im Frühjahr 2019 im Einsatz. Auf der abschließenden Missionsbesprechung wurden ihm überwiegend gute Noten ausgestellt; weil sich Bernd Leno am Daumen verletzte, wurde er sogar als Back-up für die Nationalmannschaft nominiert.
Sollte seine Genesung nicht länger dauern als sieben Wochen, Neuer wäre in einem möglichen Viertelfinale der Champions League Anfang April wieder einsatzbereit. Die Partien im Achtelfinale gegen Salzburg wird er verpassen, ebenso die Bundesliga-Begegnungen gegen Bochum, Fürth, Frankfurt und Leverkusen. Angesichts neun Punkten Vorsprung auf Verfolger Dortmund ist der Zeitpunkt für den Eingriff schlau gewählt. Im April und Mai, wenn die Pokale in Bundesliga und Champions League verteilt werden, ist er spätestens zurück. Und Sven Ulreich sitzt wieder auf der Bank.