Fußball-Bundesliga:Mal schnell zum Verlieren nach München

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Ob sich der Gegner hinten reinstellt oder "mutig" mitspielt, ist letztlich egal: Die Bayern (rechts Robert Lewandowski) gewinnen mal hoch und mal weniger hoch, diesmal 4:0 gegen Wolfsburg. (Foto: ActionPictures/imago)

Die Meisterschaft dürfte bereits in der Winterpause zu Gunsten des FC Bayern entschieden sein - wieder mal. Macht das jetzt noch Spaß?

Kommentar von Philipp Selldorf, Köln

Uli Hoeneß' Spruch vom Nikolaus, der noch nie ein Osterhase gewesen sei, gehört sicherlich zu den originellsten Sentenzen der Bundesligageschichte. Aber es ist ein alter Spruch, er stammt aus dem Jahr 2006. Bayern München hatte damals an einem Sonntag im November 2:2 bei Schalke 04 gespielt, Werder Bremen (tags zuvor 1:1 gegen Energie Cottbus) blieb Tabellenführer, und die Reporter nutzten die Gelegenheit, um den Manager Hoeneß mit ketzerischen Fragen zu ärgern.

In Rede stand, dass Bayern möglicherweise erneut der Fehlbarkeit überführt werden könnte. Würde der SV Werder es abermals schaffen? Es war ja erst zweieinhalb Jahre her, dass nicht die Münchner, sondern die Bremer den Meistertitel hatten feiern dürfen. Diese Fragen, erwiderte Hoeneß im Trompetenton, "die gehen mir auf den Sack". Werder dürfe gern an Weihnachten oben stehen - "Meister werden WIR!"

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Von Sebastian Fischer

Längst tragen sie mittlerweile alle miteinander das Trikot des FC Bayern: der Nikolaus, Knecht Ruprecht, das Christkind, die Heiligen Drei Könige, Prinz Karneval. Der Osterhase, das Maiglöckchen und der Pfingstochse sowieso. Jeder Tag im Jahr der Bundesliga ist inzwischen von früh bis spät ein Bayern-Tag, wie es Hoeneß eigentlich recht sein sollte, doch der Patriarch sitzt draußen auf seiner Ranch am Tegernsee und erforscht sein Gewissen. Wie ein texanischer Viehzüchter, der im Alter zur Besinnung kommt: Er hat den Krieg gewonnen und sie alle plattgemacht, und keine Rinderherde im Land wird mehr größer sein als seine. Aber macht das jetzt noch Spaß?

Neun Punkte Vorsprung auf den einzig denkbaren Widersacher sind natürlich noch keine Garantie

Den Wolfsburgern hat die Aussicht auf ihre Visite in der Allianz-Arena offenbar keine Freude bereitet. Ihr Auftritt erweckte den Anschein, als seien sie bloß mal schnell zum Verlieren vorbeigekommen. In Wahrheit ist es allerdings relativ egal, ob die Münchner Gegner auf Schadensbegrenzung zielen, ob sie sich allesamt hinten reinstellen oder, wie man sagt, "mutig" mitspielen. Das Ergebnis ist üblicherweise das gleiche: Bayern gewinnt aufgrund sportlicher Übermacht, mal hoch und mal weniger hoch. Ausnahmefälle sind möglich, aber unwesentlich.

Aus der Kenntnis dieser Tatsachen hat sich ergeben, dass Kommentatoren im ganzen Land bereits am Wochenende den zehnten Titelgewinn des FC Bayern hintereinander zum vorläufigen amtlichen Endergebnis der Saison erklärt haben, obwohl erst die halbe Runde gespielt ist. Gegenansichten zur herrschenden Meinung wurden dennoch nicht geäußert.

Neun Punkte Vorsprung auf den einzig denkbaren Widersacher Borussia Dortmund sind natürlich noch keine Garantie. Am 18. Spieltag kommt ja nicht nur die neue DFL-Chefin Donata Hopfen zur sportlichen Amtseinführung nach München, sondern auch der Angstgegner Borussia Mönchengladbach, und am 19. Spieltag empfängt der frühere Angstgegner 1. FC Köln den Tabellenführer, und danach könnten die neun Punkte Abstand schon zu drei Punkten geschmolzen sein. Ernsthaft darauf hoffen tun aber nicht mal diejenigen, die an Nikolaus und Osterhase glauben. Damit es noch mal spannend wird im Titelkampf, dazu müssten die Bayern absichtlich verlieren, und das ist vermutlich das einzige, das sie sportlich nicht draufhaben.

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