Eigentlich hatte Kevin Trapp nicht mehr über das Camp Nou sprechen wollen. Zum Ende der Pressekonferenz erwähnte es der Torhüter von Eintracht Frankfurt aber doch und gab Inhalte aus einer Unterredung mit dem beim FC Barcelona angestellten Nationalmannschaftskollegen Marc-André ter Stegen preis. Es ging um die Beschaffenheit des Untergrunds in der katalanischen Spielstätte: Ter Stegen hatte Trapp nämlich nach dem 1:1 im Europa-League-Hinspiel in der Frankfurter Arena geflüstert, dass der Rasen in Barcelona zwar wirklich top gepflegt sei, aber meist derart gewässert werde, "dass gefühlt Wasserpfützen auf dem Platz sind, so nass wie er ist", erzählte Trapp. Im Rückspiel werden die Bedingungen also nicht besser sein, sollte das heißen.
Zuvor waren an Trapp und Trainer Oliver Glasner Beschwerden herangetragen worden, die Barça-Coach Xavi Hernández nach dem Viertelfinale öffentlich vorgebracht hatte. Der 42-Jährige rügte wiederholt die Rasenqualität beim Fußball-Bundesligisten und versprach: "Das wird sich alles ändern im Camp Nou." Doch wirkte es ein bisschen billig, den unrunden Auftritt seiner Mannschaft auf schlechte Arbeit der Greenkeeper im Frankfurter Stadtwald zu schieben.
Glasner verdrehte beim Rasenthema sogleich die Augen: Der gebürtige Salzburger wollte eine "fantastische Leistung" gewürdigt wissen und stellte heraus: "Wir hatten sie am Rande der Niederlage, aber wir bleiben sehr, sehr demütig. Auch ein Sieg wäre möglich gewesen, aber es gibt keinen Wermutstropfen - nur Komplimente." Selbstbewusst schob der 47-Jährige nach: "Wir fahren mit der Überzeugung nach Barcelona, dort gewinnen zu können."
Es fühle sich etwas verrückt an, sagt Kevin Trapp, weil die Frankfurter "das Gefühl haben, dass wir hätten gewinnen können"
Mit welchen Gefühlen dann sein Keeper Trapp im Flugzeug sitzt, kann niemand wissen; aber ihn soll bitte keiner, wirklich keiner mehr mit seiner persönlichen Erinnerung ans Camp Nou kommen. Am 8. März 2017 erlebte Trapp, damals bei Paris Saint-Germain, den Tiefpunkt seiner Karriere, als ein noch von Lionel Messi dirigiertes Barça-Ensemble das schon damals prominente PSG-Team wie ein Inferno 6:1 überrollte. "Eine andere Mannschaft, ein anderer Verein, eine andere Situation", sagte Trapp. "Ich werde immer wieder gefragt", sagte er, "aber ich kann bestätigen, dass das nicht mehr im Kopf ist."
Lieber analysierte der 31-Jährige ein intensives Europapokalspiel mit 66 Prozent Ballbesitz für die Gäste, aber 16:7 Torschüssen für die Hausherren. "Es fühlt sich etwas verrückt an, weil wir mit einem 1:1 gegen den FC Barcelona vom Platz gehen und das Gefühl haben, dass wir hätten gewinnen können", sagte Trapp. "Wir hatten vorher viel Selbstvertrauen und nun gezeigt, dass wir allen Grund dazu hatten. Wir haben uns eine gute Ausgangsposition für die nächste Woche geschaffen." Auch wegen der kämpferisch und taktisch bemerkenswerten Vorstellung der Hessen herrschte von Anfang bis Ende eine elektrisierende Atmosphäre auf den vollbesetzten Rängen.
Das verzückte Publikum entließ seine Spieler erst nach Walzer und Ehrenrunde in die Kabinen, auch am kommenden Donnerstag (21 Uhr, RTL) wird es Unterstützung geben. Tatsächlich wollen bis zu 25 000, vielleicht sogar 30 000 Eintracht-Fans in die Hauptstadt Kataloniens reisen, zehn Flieger sind bereits gechartert. Kardinalfrage wird sein, wie die Entourage an so viele Karten kommt. Dass es ungünstig wäre, nach einem überraschend ausgeglichenen Hinspiel den Heimvorteil abzugeben - dieser Gedanke trieb auch Xavi um: "Ich hoffe, dass viele Fans kommen, dann können wir uns fürs Halbfinale qualifizieren."
"Es war von uns kein gutes Spiel, aber ein gutes Ergebnis", gesteht Xavi
Der Trainer lobte artig die Eintracht für ihre "physisch starke Mannschaft", die seiner Auswahl mehr Probleme bereitete als erwartet. Das Mittelfeld mit Pedri, Gavi und Kapitän Sergio Busquets bemühte sich lange vergeblich um Spielkontrolle. Selbst als sich Frankfurts Abwehrmann Tuta eine gelb-rote Karte einhandelte (78. Minute), blieben Chancen noch Mangelware. "Es war von uns kein gutes Spiel, aber ein gutes Ergebnis", gestand Xavi. Die Klubikone musste nach gut einer Stunde die zuvor geschonten Frenkie de Jong und Ousmane Dembelé einwechseln, um einen an die von ihm geprägte Epoche erinnernden Spielzug zu erleben, den Ferran Torres zum 1:1 abschloss (66.). Zuvor hatte der deutsche U-21-Nationalspieler Ansgar Knauff mit einem Traumtor den stimmungsvollen Höhepunkt erschaffen (48.).
Die Leihgabe aus Dortmund hat sich als verkappter Rechtsaußen prächtig entwickelt und fast schon als Leistungsträger etabliert. "Es war ein unglaubliches Gefühl, vor der Kurve dieses Tor zu schießen", berichtete der 20-Jährige sichtlich ergriffen. "Ab der ersten Minute habe ich gespürt, dass was geht. Das 1:1 ist ein super Ergebnis, im Rückspiel ist alles offen." Die Eintracht hat den psychologischen Vorteil, viel gewinnen zu können, während Barça mit einem weiteren Aus (schon in der Champions League war Schluss) weiteres internationales Renommee verspielen würde.
So machten sich Glasner und Trapp in bester Laune plaudernd fünf Minuten vor Mitternacht vom Podium auf, während Xavi zuvor deutlich nachdenklicher den Presseraum mit den lebensgroßen Eintracht-Idolen an den Wänden verlassen hatte. Wer am Donnerstag zu einer ähnlichen Uhrzeit lacht, ist nicht absehbar. Nur dass zu dieser Zeit noch ein Elfmeterschießen steigt, in das Eintracht Frankfurt bei seinem Europa-League-Siegeszug 2019 im Halbfinal-Rückspiel den FC Chelsea zwang, schließt Trapp aus: "Wir werden uns nicht auf ein Elfmeterschießen vorbereiten, weil wir in Barcelona so spielen wollen, dass wir direkt weiterkommen."