Spanien bei der Fußball-EM:Finale, olé

Lesezeit: 4 Min.

Geschafft: Spaniens Dani Olmo jubelt über seinen Treffer zum 2:1. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Nach frühem Rückstand dreht Spanien das Spiel gegen Frankreich und setzt mit dem 2:1 das nächste Zeichen. Beim sechsten Sieg im sechsten Spiel treffen Dani Olmo und Lamine Yamal, der jüngste Torschütze der EM-Geschichte.

Von Javier Cáceres, München

Spaniens Fußballnationalmannschaft hat am Dienstagabend in München ein weiteres Machtwort gesprochen – und das Endspiel der Europameisterschaft erreicht. Vier Tage nach dem Viertelfinalsieg gegen Gastgeber Deutschland siegte Spanien auch gegen den WM-Finalisten Frankreich mit 2:1, diesmal ohne Verlängerung und strittige Elfmetersituation. Kylian Mbappé, der vor Beginn des Turniers als eine der möglichen prägenden Figuren gehandelt worden war, sagte Adieu, ohne richtig den Mund aufzumachen. An einem eingeschränkten Sichtfeld kann das nicht gelegen haben – er lief am Dienstag ohne Maske auf. Spanien trifft am Sonntag in Berlin auf den Sieger aus dem Duell zwischen den Niederlanden und England (Mittwoch, 21 Uhr). Egal, wer ins Olympiastadion nachfolgt: Spanien wird nach dieser Vorstellung der haushohe Favorit sein.

„No pasarán“, war der Slogan, der in den vergangenen Wochen von der französischen Linken auf den Straßen von Paris skandiert wurde; „no pasarán“ lautete die Zeile, die am Dienstag auf der ersten Seite der französischen Sportzeitung L’Équipe prangte: „Sie werden nicht durchkommen.“ Es war eine Reminiszenz an den französischen Wahlkampf der vergangenen Wochen, den die Ultrarechte verlor. Aber auch an eine berühmte Rede der Kommunistin Dolores Ibárruri, besser bekannt als „La Pasionaria“, aus dem Jahr 1936, dem ersten Jahr des von faschistischen, nationalkatholischen Generälen ausgelösten Spanischen Bürgerkriegs.

SZ PlusMeinungBelastung im Fußball
:Ein Hoch auf die Verlängerung

Kommentar von Thomas Hürner

Ein paar Plätze in Fröttmaning blieben verwaist; offenbar waren einige deutsche Zuschauer, die auf ein Halbfinale mit DFB-Beteiligung spekuliert hatten, ihre Karten auf dem Schwarzmarkt nicht mehr losgeworden. Dass nicht gerade wenige Deutsche im Stadion waren, konnte man bei Verlesung der Aufstellungen bestens hören. Als der Name von Spaniens Linksverteidiger Marc Cucurella aufgerufen wurde, ertönten gellende Pfiffe – weil er im Viertelfinale gegen Deutschland vom Freitag den Ball an die Hand bekommen hatte. Das Pfeifkonzert wiederholte sich dann bei jedem Ballkontakt. Es war lauter als bei jedem EM-Spiel, wofür die Türken als unsportlich gegeißelt wurden.

Lamine Yamal erzielt ein Tor wie gemacht für den Louvre

Es war nicht das, was das Spiel für die Spanier in einen Tourmalet verwandelte. Sondern das frühe Tor des früheren Frankfurters Randal Kolo Muani. Drei Minuten nach der ersten Kopfballchance der Spanier durch Fabián Ruiz zeigte Kolo Muani, wie es geht: Er stieg nach einer Flanke von Kylian Mbappé hoch und setzte den Ball aus drei Metern ins Tor, nicht drüber. Das roch nach „rien ne va plus“, nichts geht mehr. Denn es war das erste Tor, das die Franzosen aus dem Spiel heraus erzielten (9. Minute). Und Frankreich hatte bei der EM bis dahin nur ein Gegentor kassiert, durch einen Elfmeter.

Aber von wegen „rien ne va plus“! Lamine Yamal rieb an der Wunderlampe und zauberte den Ball mit einem Schuss aus 20 Metern von rechts in den linken oberen Winkel (21.). Ein Tor wie gemacht für den Louvre – und fürs Guinness-Buch der Rekorde. Yamal löste mit 16 Jahren und 362 Tagen einen gewissen Pelé als jüngsten Spieler ab, der je bei einer WM oder EM ein Tor geschossen hat; der WM-Rekordler Pelé war 17 gewesen bei der WM 1958, EM-Rekordler Johan Vonlanthen (Schweiz) 18 Jahre. „Ich habe den Ball genommen, nicht lange nachgedacht und einfach geschossen“, sagte Yamal nach dem Spiel. Am Samstag, dem Tag vor dem Finale in Berlin, wird er 17: „Mein Ziel war es, meinen Geburtstag in Deutschland zu feiern. Das habe ich geschafft.“

Vier Minuten nach dem Ausgleich folgte der Auftritt von Dani Olmo, der alles auf den Kopf stellte: Der Noch-Leipziger ließ einen Abpraller im Strafraum zweimal auf dem Fuß tanzen – und zog direkt ab. Die Uefa schrieb den Treffer zunächst Jules Koundé als Eigentor zu, der den Ball noch berührt hatte, was ein wenig bürokratisch anmutete. Aber das 2:1 war ein Fakt – und wurde am Ende doch auf das Konto von Olmo gebucht. „Es fehlt noch ein Schritt. Es ist unglaublich. Wir verdienen es, im Finale zu sein“, sagte der 26-Jährige anschließend.

Mit 16 Jahren und 362 Tagen und dank dieses Schusses nun der jüngste Spieler, der je bei einer WM oder EM ein Tor erzielt hat: Lamine Yamal (Mitte). (Foto: Kieran McManus/Shutterstock/Imago)

Die Franzosen hatten Probleme, die Wendung dieses Halbfinals zu verdauen. Auch weil die Spanier so gut und solidarisch verteidigten, dass sie nicht den Druck entstehen ließen, den sie gegen Deutschland im Viertelfinale erlitten hatten. N’Golo Kanté brillierte, aber halt im defensiven Mittelfeld. Ousmane Dembélé flankte und flankte, aber immer wieder ins Leere.

Mbappé? Spielte ohne Maske und konnte wohl besser sehen, wirkte aber, als könne er noch immer nicht so recht atmen. Gleichwohl: Frankreichs Nationalcoach Didier Deschamps schien alles einigermaßen zu gefallen. Anders als im WM-Finale gegen Argentinien und obwohl Antoine Griezmann auf der Bank saß, wechselte er nicht nach einer halben, sondern erst nach einer vollen Stunde, als die Spanier ihre Abwehr umgestellt hatten, weil der gelbbelastete Jesús Navas, der den gesperrten Carvajal ersetzte, Beschwerden anzeigte und durch Dani Vivian ersetzt werden musste.

Frankreichs Trainer versucht es mit der Brechstange – vergeblich

Deschamps brachte Griezmann, Bradley Barcola und Eduardo Camavinga für Kanté, Kolo Muani und Adrien Rabiot. Das glich dem Signal, alles auf Rot zu setzen. Nur: Auch diese viel vertikaler agierenden Spanier wissen die Kugel in aller Ruhe kreisen zu lassen. Und wenn die Franzosen doch einmal bis in den Strafraum vorstießen, verhinderte irgendein spanisches Bein, dass mehr entstand als eine Halbchance. Ob sie tief standen oder hoch, ob mit oder ohne Ball – die Spanier wussten sich zu verteidigen. Nur einmal bekamen sie den Ball nicht richtig weg. Doch Théo Hernández jagte ihn aus 14 Metern mit dem schwächeren rechten Fuß übers Tor (76.).

Richtige Entlastungsangriffe konnten sie aber lange Zeit nicht setzen – ein Grund dafür, dass Spaniens Trainer Luis de la Fuente wie schon gegen Deutschland die beiden Mikels einwechselte: Merino und Oyarzabal. Deschamps antwortete mit der Brechstange, es kam der klassische Neuner Olivier Giroud. Für das nächste „Uuuuy“ sorgte freilich wieder Yamal: Er setzte in der 81. Minute unverfroren zu einem Solo an – und schoss vergleichsweise knapp übers französische Tor. Kurz danach fiel Giroud auf. Aymeric Laporte prallte nach einem langen Pass von Torwart Mike Maignan gegen die Schulter des Stürmers. Die Behandlungspause reichte, um die Spanier kurz groggy wirken zu lassen: Mbappé begab sich auf die Reise, setzte aber einen Schuss aus 14 Metern deutlich übers Tor. Dann erstarb die Partie, langsam und unwiederbringlich – begleitet von langen Olé-Rufen der spanischen Anhänger und einer Ovation für Lamine Yamal, der Geschichte schrieb.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusZukunft der DFB-Elf
:Zeit für ein paar neue Gesichter

Das Nationalteam steht nach der EM vor einem Umbruch. Wer soll Toni Kroos ersetzen? Ist Brajan Gruda näher dran am Kader als Serge Gnabry? Und was ist mit Mats Hummels? Eine Übersicht.

Von Christof Kneer, Philipp Selldorf

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: