Fußball-EM:Signor Conte stellt die Honigfalle auf

EURO 2016 - Italy training

Antonio Conte: Hat einen klebrigen Plan

(Foto: dpa)

Italiens Trainer macht sich und seine Mannschaft vor dem Viertelfinale gegen Deutschland so klein wie möglich. Mesut Özil wirkt kurz so, als könnten die Deutschen darauf hereinfallen.

Von Thomas Hummel, Bordeaux

Bald war es angebracht, sich zu vergewissern, ob Antonio Conte überhaupt noch zu sehen war. Oder ob er sich inzwischen so klein gemacht hatte, dass er womöglich unter dem Tisch verschwand. "Diese Mannschaft" - seine Gesichtszüge bewegten sich von beunruhigt Richtung sehr besorgt - diese Mannschaft sei die kompletteste, die es auf dieser Welt gebe. Sie sei physisch stark, gut organisiert, die Spieler treten auf dem Platz als Einheit auf, dazu dieses große Talent. "Mein Kompliment an die deutsche Mannschaft und Joachim Löw."

Mamma mia, trug Signor Conte dick auf am Vorabend des Viertelfinals im neuen Stade de Bordeaux. Er pinselte dem Gegner so viel Honig auf den Bauch, dass dieser eigentlich gar nicht anders kann, als tags darauf fett und behäbig einzulaufen. Im sicheren Glauben an den Sieg. Schließlich hat es der Conte doch ganze vier Mal während einer einzigen Pressekonferenz betont, wie unglaublich toll und überirdisch und eigentlich unschlagbar Löws Team sei. Noch ein Beispiel gefällig? "Wir sehen Deutschland als die herausragende Mannschaft der Welt, da möchte ich meinen Spielern nicht so viel Druck zu machen."

Neben Conte saß Gianluigi Buffon. Der nahm sich seine dunkelumrandete Brille ab, konnte aber dank seines riesigen Torwart-Oberkörpers nicht verbergen, dass er ziemlich groß ist. Dennoch spielte er Contes Strategie selbstverständlich mit. Manuel Neuer? "Es wäre eine Beleidigung, ihn mit so einem alten Mann wie mich zu vergleichen."

Özil klingt selbstbewusst

Der alte Buffon, 38, und seine Kameraden hatten zuletzt auf dem Fußballplatz zwar überhaupt nicht klein gewirkt. Im Achtelfinale hatten sie die Spanier überrannt, sie ausgespielt und vorgeführt. Eigentlich hätte das Ergebnis viel höher sein müssen als 2:0. Für viele Beobachter ist deshalb die Partie gegen Deutschland ein gefühltes Finale, die beiden Besten würden hier aufeinandertreffen. Doch Conte und Buffon machten zumeist den Eindruck, als stehe ein Pokalspiel eines Regionalligisten gegen einen Champions-League-Anwärter an.

Kurz darauf trat Mesut Özil vor die europäische Fußball-Öffentlichkeit und wurde gleich auf den Honig des Signor Conte angesprochen. "Das ist natürlich ein Riesenkompliment. Aber wir wissen sowieso, was wir für Stärken haben." Das klang einerseits selbstbewusst. Andererseits kam in diesem Kellerraum des Stadions der Eindruck auf, als würde sich dieser Özil genau auf den Leim zubewegen, den die Italiener auf das Spielfeld gestrichen haben. Immerhin Bundestrainer Joachim Löw fand in seinen Ausführungen den Nebensatz: "Die Italiener sind sicherlich auf Augenhöhe."

Löw äußert sich zur Start-Elf

Der italienische Fußball hatte vor dieser Europameisterschaft tatsächlich genug Gründe gehabt, sich möglichst klein zu machen. Die älteste Mannschaft hatte Conte nominiert, Ricardo Montolivo, Marco Verratti und Claudio Marchisio fielen aus, im März noch gab es ein 1:4 in München. Niemand hat von dieser Squadra mehr erwartet als Mittelmäßigkeit. "Alle glaubten, das werden sehr dunkle Tage für uns", erklärte Conte.

Aber dieser Glaube war vielleicht genau das, was Conte gebraucht hat. Den er nun pflegt wie eine empfindliche Orchidee und vor dem Viertelfinale gegen den Weltmeister nochmals mit allen erlaubten Chemikalien düngt. Sein Plan: Aus der Position der Kleinheit heraus es den Großen zeigen. All den Zweiflern, Kritikern und Missgünstigen da draußen. Nur hin und wieder richtete sich Conte auf und erklärte: "Wir haben die Fähigkeiten und den Willen, um Hindernisse zu überwinden, die als zu groß für uns gelten."

Wird De Rossi fit?

Ob ihm bei diesem Vorhaben sein bärbeißiger Organisator Daniele De Rossi helfen kann, wollte Conte nicht verraten. "Sein Zustand ist mäßig", sagte der commissario tecnico, "wir wissen sehr gut, dass man in solchen Partien bei 120 Prozent sein muss." Durch die Sperre für Thiago Motta könnte den Italienern trotz aller Beteuerungen im zentralen Mittelfeld ein Problem entstehen. Bundestrainer Löw tat die Spekulationen dennoch als "Geheimniskrämerei" ab. Italiener würden den Gegner ja auch gerne mit ihrer Aufstellung überraschen.

Zur eigenen Elf erklärte Löw im ZDF: Benedikt Höwedes werde nicht für Joshua Kimmich von Beginn an zurückkehren. Dennoch werde er nicht die gleichen elf Spieler aufstellen wie zuletzt gegen die Slowakei. "Aber mehr werde ich natürlich nicht verraten."

Von einem vorgezogenen Endspiel wollte er nichts wissen. Der Sieger dieser Partie sei zwar sicherlich einer der Turnierfavoriten, müsse aber im Halbfinale eventuell gegen Gastgeber Frankreich bestehen. "Und das wird jetzt auch kein Honigschlecken", erklärte er. Und bedauerte dabei die Übersetzer in Bordeaux: "Ich weiß nicht, wie man das jetzt auf Italienisch übersetzt." Signor Conte wird es so oder so verstanden haben.

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