Portugal bei der EM:Bestie mit Chauffeur

Fußball EM - Ungarn - Portugal

Cristiano "Bitte nur Wasser" Ronaldo, so lautet sein vollständiger Name.

(Foto: Bernadett Szabo/dpa)

Beim 3:0 gegen Ungarn zeigt sich Portugal als souveräner Titelverteidiger. Auf das DFB-Team kommen Probleme zu - und Cristiano Ronaldo ist nur eines davon.

Von Javier Cáceres

Eine Rechnung wollte Fernando Santos, der portugiesische Europameistertrainer von 2016, doch noch begleichen. Eine Rechnung, die er mit Marco Rossi offen hatte, seinem italienischen Kollegen, der die ungarische Nationalelf anleitet.

Am Vorabend der Partie hatte Rossi eine Bemerkung gemacht, die Santos sauer aufgestoßen war. Eine Bemerkung, die eigentlich als Kompliment für den Gegner Portugal gedacht war, Rossi aber etwas verrutscht war. Die Portugiesen seien so gut, die könne auch der Busfahrer oder der Zeugwart trainieren, scherzte Rossi. In den Ohren von Santos klang das freilich nicht so charmant, wie es Rossi gemeint haben dürfte.

"Ich habe das in aller Nüchternheit aufgenommen", brummte Santos, ein studierter Ingenieur. "Ich habe großen Respekt vor all meinen Kollegen, aber auch vor Chauffeuren und Zeugwarten. Und daher kann ich sagen, dass ich sehr stolz bin, der Chauffeur dieser Mannschaft zu sein."

Am Dienstagabend war dieser Stolz in Budapest noch größer. Seine Mannschaft startete gegen Rossis Ungarn mit einem 3:0-Sieg ins Turnier. Durch späte, sehr späte Tore nur, durch "Ketchup-Tore", wie die Sportzeitung Record anderntags im heimischen Portugal meinte, als sei die Partie eine Flasche mit roter Sauce gewesen, die man lange schütteln musste, ehe etwas rauskam. Doch wird das am Ende der Vorrunde noch jemanden interessieren?

"Tore sind teuer", sagte Santos, wer sich mit der Materie befasse, stelle fest, dass man nur selten Spiele mit zwei oder gar drei Toren sehe. Zur Pause hatte er seine Mannschaft auch vor diesem Hintergrund gemahnt, die Ruhe nicht zu verlieren; aber durchaus ein steileres Passspiel zu wagen. Dass er gleichwohl weitgehend zufrieden war, zeigte sich unter anderem daran, dass er die erste Auswechslung erst vornahm, als die 70. Minute schon vorbei war und Mittelfeldspieler Rafa Silva der Aufgabe nachkam, das Spiel seines Teams zu beleben. Der frühere Bayern-Profi Renato Sanches und der Frankfurter André Silva kamen sogar noch später. Jedoch: zeitig genug. Es müsste schon einigermaßen diabolisch zugehen, um den Einzug Portugals ins Achtelfinale zu verhindern; so ein Sieg ist gerade in der Gruppe F mit Deutschland und Frankreich viel wert. Nicht nur, weil so ein Auftaktsieg üblicherweise positive psychologische Effekte zeigt, das Selbstwertgefühl steigert. Sondern auch, weil diese ungarische Mannschaft erst mal geschlagen sein will. Die Portugiesen dominierten die Partie von Alpha bis Omega, so wie es vorab vermutet worden war, das schon. Aber: Die Ungarn sind ein überaus unangenehmer, passioniert verteidigender Gegner.

Ronaldo, 36, ist nur noch drei Tore von den 109 Länderspieltreffern des Iraners Ali Daei entfernt

"Ich hatte sie offensiver erwartet, aber sie waren es aufgrund der Stärke meiner Mannschaft nicht, weil meine Mannschaft den Ball gut zirkulieren ließ und bei Ballverlusten gut reagierte", dozierte Santos, "es war nicht einfach, die richtigen Räume zu finden, und dennoch haben wir Torchancen kreiert." Die besten davon vereitelte Ungarns Torwart Peter Gulacsi, der vor allem gegen Diogo Jota und Pepe blendende Paraden zeigte - und in der ersten Halbzeit noch von Glück sprechen konnte, als Ronaldo frei vor ihm auftauchte und aus nächster Nähe übers Tor schoss. Geschlagen war Gulacsi erst, als die Fortune seinem Leipziger Kollegen Willi Orban den Rücken kehrte. Der Innenverteidiger hatte eine sehr gute Partie geboten und einmal mit einer mutigen und brillanten Grätsche im Strafraum den Rückstand verhindert. Dann aber fälschte er in der 84. Minute einen Schuss von Raphael Guerreiro unhaltbar mit der Ferse ab - 0:1. dann verursachte er einen tendenziell fragwürdigen Elfmeter, den Ronaldo verwandelte - 0:2. Und als die Nachspielzeit schon lief, umkurvte Ronaldo noch Gulacsi zum 0:3. Das bedeutete unter anderem, dass Ronaldo neue Bestmarken an sich riss. "Die Bestie ist geweckt", jauchzte Record. Was bei 60 000 frenetischen Zuschauern kein größeres Wunder war.

Ronaldo ist mit fünf EM-Teilnahmen seit 2004 der Rekordspieler in der Geschichte des Turniers und mit insgesamt elf Treffern der alleinige Spitzenreiter in der Torschützenliste, gefolgt vom Franzosen Michel Platini mit neun Toren (alle erzielt beim Turnier 1984). "Ich bin mir sicher, dass für ihn das Wichtigste die drei Punkte sind", sagte Santos. Ronaldo, 36, ist nur noch drei Tore von einem weiteren Rekord entfernt, von den 109 Nationalmannschaftstoren des Iraners Ali Daei. Doch auch das werde bei Ronaldo keine obsessiven Manien auslösen. "Er hat noch anderthalb Jahre Zeit, um vier oder fünf weitere Tore zu erzielen." Legt man überdies zugrunde, dass Ronaldo im Alter noch immer effektiv ist, muss man wohl davon ausgehen, dass er dem ehemaligen Bundesligaspieler Daei die Weltbestmarke entreißt.

"Er hatte drei Chancen - und machte zwei Tore", klagte Ungarns Trainer Marco Rossi, mit dieser Mischung aus Frust und Bewunderung, die schon so viele Gegnern des Tormonsters von Madeira überfallen hat. Dort, auf der Blumeninsel im Atlantik, hält Ronaldos Mutter Dolores nicht nur die Stellung, sie hat auch schon ein paar Kerzlein in der Kathedrale von Funchal angezündet. In einem Sozialnetzwerk kündigte sie an, diesmal nur ein Spiel live im Stadion sehen zu wollen: Das Finale von London, das am 11. Juli stattfinden soll und das Portugals Trainer als Ziel ausgerufen hat.

Im Weg steht nun erst einmal das DFB-Team, am Samstag in München. "Portugal ist bereit, gegen jeden Gegner zu spielen. Portugal ist also auch bereit, gegen Deutschland zu spielen", sagte Fernando Santos. "Wir wissen, dass jedes Spiel seine besonderen Schwierigkeiten hat. Deutschland hat eine Mannschaft mit enormer Qualität und einen exzellenten Trainer. Ich glaube, mein geschätzter Kollege, O Joaquim (Löw, d. Red.), denkt dasselbe über uns." Aber Portugal geht mit größerer Sicherheit in die Partie: Der Titelverteidiger ist Tabellenführer - und könnte das Team von O Joaquim in ärgere Probleme stürzen.

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