Fußball-EM:Perisic weckt schöne Erinnerungen

Croatia v Spain - EURO 2016 - Group D

Ivan Perisic trifft zum 2:1-Erfolg gegen Spanien.

(Foto: REUTERS)

Ivan Perisic steht für den Erfolg der Kroaten, die bei der WM 1998 schon einmal überraschten. Nun ist der ehemalige Wolfsburger beim FC Barcelona im Gespräch.

Von Javier Cáceres, Bordeaux

Der Matchwinner hatte es eilig. "Meine Familie wartet da schon seit einer Dreiviertelstunde!", sagte Ivan Perisic, als er aus der Umkleide kam nach dem 2:1 gegen Spanien, das Kroatien den überraschenden Vorrundensieg in der Gruppe D bescherte. Er klang nicht euphorisch, wie es zu vermuten gewesen wäre, sondern sprach mit ernster Stimme. Dass er soeben "natürlich einen der größten Momente meiner Karriere" erlebt hatte, musste der frühere Bundesligaprofi, der heute bei Inter Mailand spielt, schon betonten. Er hatte nach der spanischen Führung durch Alvaro Morata (7.) den Ausgleich durch Nikola Kalinic (45.) vorbereitet und in der 87. Minute den Siegtreffer erzielt. Ausgerechnet er, der bei Inter in den letzten sieben Monaten gerade einmal drei Tore erzielt hatte.

Ob Ivan Perisic deshalb eines dieser kuriosen Phänomene ist, die sich verwandeln, wenn sie das Leibchen ihres Heimatlandes überstreifen? Wer weiß. In jedem Fall hat Perisic, 27, bei internationalen Turnieren nun vier Tore geschossen und drei Torvorlagen gegeben, nur der heutige Verbandspräsident Davor Suker hat mit neun Toren und einer Vorlage eine bessere Ausbeute aufzuweisen.

"Das Spiel, das Perisic heute geliefert hat, war enorm", sagte Trainer Ante Cacic, und bezog sich dabei beileibe nicht nur auf das Tor. Perisic hatte auf der rechten Angriffsseite der Kroaten begonnen, er brachte dort Spaniens Linksverteidiger Jordi Alba immer wieder in Verlegenheit.

Barcelona angeblich interessiert

Dann wechselte Perisic auf die linke Seite, wo er die Abwesenheit des spanischen Rechtsverteidigers Juanfran nutzte, um das Kontertor zum 2:1-Sieg zu erzielen. Die Spanier lagen danach am Boden wie vom tödlichen Gift einer Spinne narkotisiert. "Ich hatte aber Glück, weil Piqué den Ball berührte und er die Richtung änderte", sagte Perisic. Danach jubelte er vor den kroatischen Fans, die sich am Dienstag ruhig verhielten, und zog zur Feier des Tages das Hemd aus. Der Schiedsrichter zückte die gelbe Karte. Doch die dürfte Perisic so egal sein wie die Geldstrafe, die er in jungen Jahren beim FC Brügge zahlen musste, weil er am Vorabend einer Niederlage in der Disco gesehen worden war. Brügge war die erste Auslandsstation von Perisic, der bei Hajduk Split groß wurde.

Noch vor einem Jahr war Perisic beim VfL Wolfsburg in der Bundesliga tätig gewesen, der VW-Klub hatte den Kroaten bei Borussia Dortmund ausgelöst. Dass die Niedersachsen in der letzten Bundesliga-Spielzeit dürftig abschnitten, wird gemeinhin mit dem Verkauf des Belgiers Kevin De Bruyne an Manchester City erklärt. Dabei wird oft übersehen, dass Perisic ebenfalls zu den Stützen jenes VfL gehörte, der Pokalsieger und Vizemeister wurde. Seit seinem Wechsel nach Mailand wird er vermisst.

"Perisics EM hat mich überhaupt nicht überrascht", sagte Davor Suker, "er hat enorme Qualität." Nicht umsonst ist Perisic an der Transfergerüchte-Börse nun in aller Munde, aktuell gilt der FC Barcelona als Interessent. Eigentlich wollte Barça Nolito von Celta de Vigo holen, doch der ist auf dem Weg zu Manchester City. "Das alles interessiert mich jetzt nicht", sagte Perisic, der gegen Spanien die Abwesenheit von Regisseur Luka Modric und Sturmführer Mario Mandzukic gemeinsam mit dem früheren Schalker Ivan Rakitic kompensierte. Perisic und Rakitic bürgten für die Aggressivität, die den Spaniern fehlte.

"Ihr müsst mir dankbar sein, dass ihr nicht gegen Kroatien spielen müsst"

Dass der Sieg gegen den Titelverteidiger in Abwesenheit der Galionsfiguren zustande kam, geriet den Kroaten zum besten Argument für höchste Ansprüche. "Wir haben gezeigt, wie stark wir sind", sagte Trainer Cacic. Präsident Suker ging noch weiter: "Ich habe schon vor Wochen gesagt, dass wir die Überraschung der EM sein werden."

Natürlich ruft die Leistung der Kroaten die Erinnerung an die Weltmeisterschaft von Frankreich 1998 hervor, als Suker & Co. Dritter wurden und auch Deutschland heim schickten. Suker sagte: "Man wird uns jetzt die Etikette mit dem Wort 'Favorit' anheften. Aber ich würde diese Mannschaft nicht mit unserem Team vergleichen, oder Ziele ausrufen, die wir erreicht haben. Wir müssen diese EM genießen und etwas nicht vergessen: Demut."

Das heißt nicht, dass die Kroaten sich unter Wert verkaufen würden. "Ich wollte Italien, ehrlich. Wir haben nie verloren. Wir spielen immer gut gegen die Großen", sagte Davor Suker. Nun spielt Kroatien gegen einen Gruppendritten. Auch Perisic ist von den Azzurri nur mäßig beeindruckt. "Hast Du das Tor gemacht, weil Du nicht gegen Italien spielen wolltest?", wurde Perisic von einem italienischen Journalisten gefragt - Italien hätte ja als Gegner gewartet, wenn Kroatien hinter Spanien Zweiter geworden wäre. "Ich glaube, ihr müsst mir dankbar dafür sein, dass ihr nicht gegen Kroatien spielen müsst", sagte Perisic. Und ging lächelnd davon.

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