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Fußball-EM und Sommerspiele:Mit Plan B und ohne Plan B

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Können die beiden sportlichen Großevents 2021 stattfinden - und wenn ja, wie? Klar ist: Bei der Fußball-EM ist der Fall anders gelagert als bei Olympia.

Kommentar von Claudio Catuogno

Möglicherweise müsste der japanische Premierminister Yoshihide Suga einfach mal mit dem deutschen Kolumnisten Stefan Effenberg ein Vier-Augen-Gespräch führen, dann würde sich schon eine Lösung finden für die Olympischen Spiele. Dass die trotz Pandemie im Juli und August in Tokio stattfinden können, glauben ja immer weniger Menschen, ebenso wie immer weniger glauben, dass die Fußball-Europameisterschaft im Juni und Juli wie geplant in zwölf europäischen Städten ausgetragen werden kann. Und immerhin: Für das EM-Problem hat der Fachmann Effenberg jetzt eine Lösung gefunden.

Da es "vollkommen unverantwortlich" sei, die beteiligten Teams hin und her über den Kontinent zu schicken, schrieb Effenberg jedenfalls in seinem Gastbeitrag bei t-online, sollte die Uefa das Turnier "stattdessen in nur einem Land austragen". Und - Tusch! - "darüber nachdenken, ob dieses Land nicht Deutschland sein muss". Problem gelöst! Denn natürlich muss dieses Land Deutschland sein, wenn man als ehemaliger deutscher Nationalspieler eine Kolumne bei einer deutschen Website hat. Wo genau in Deutschland, das hat Effenberg der Uefa auch schon vorgeschlagen (und würde es bestimmt auch dem Japan-Premier Suga ans Herz legen, wenn der sich denn mal melden würde): am besten in Nordrhein-Westfalen.

Nordrhein-Westfalen! Klingelt da was? Eben! Nordrhein-Westfalen will sich mit der Rhein-Ruhr-Region bekanntlich um die Sommerspiele 2032 bewerben - aber warum so lange warten? So ein paar Wettkämpfe im Ringen, Fechten oder Bodenturnen müsste man zwischen Bottrop und Wuppertal doch auch früher unterkriegen, warum nicht zum Beispiel - nur ein Vorschlag - in jenen Hallen, die bisher als Impfzentren ein eher klägliches Dasein fristen?

Okay, so einfach ist es vielleicht doch nicht, weder mit der EM noch mit Olympia, und schon gar nicht mit der Pandemievorhersage für den Sommer. Insofern sind gerade die Wortbeiträge all jener willkommen, die ehrlich einräumen, dass es so einfach gerade nicht ist.

Die Uefa bereitet auch abgespeckte Varianten vor

Dass die Planungsstäbe bei Europas Fußball-Union in Nyon auch über Alternativszenarien für ihre Zwölf-Länder-EM nachdenken, ist eine Selbstverständlichkeit; alles andere wäre grob fahrlässig. Dass dabei auch NRW mal den Weg in ein Thesenpapier findet, weil das Bundesland im Sommer 2020 kurzfristig die Endrunde der Europa League übernahm, ist ebenfalls nicht verwunderlich. Dass es so kommen wird, wie Effenberg glaubt, und wie es kürzlich auch RTL und NTV enthüllt haben wollten, ist dennoch unwahrscheinlich.

Die Uefa kommuniziert halbwegs offen ihre B-, C-, und D-Szenarien. Sie geht von einer EM in zwölf Städten und in vollen Stadien als Optimalmodell aus, bereitet aber auch abgespeckte Varianten vor. Vielleicht findet die EM am Ende in sieben Stadien statt, vielleicht in drei davon mit begrenzter Zuschauerauslastung und in den anderen ohne Publikum. Stattfinden wird sie wohl. Fußballteams kann man in Blasen auch über den Kontinent fliegen und nicht nur von Duisburg nach Dortmund kutschieren, das ist alles nicht zuletzt in der Champions League vielfach erprobt.

Es klingt nicht abwegig, dass Tokio 2032 statt 2021 Gastgeber sein will

Mit Olympia sieht es leider ganz anders aus. Olympias Kern ist die Zusammenkunft von Sportlern und Begleitern aus der ganzen Welt. Eine Stadt, eine Region, ein ganzes Land sind als Gastgeber gefordert. Kann das gehen, wenn gleichzeitig Corona-Notstand herrscht?

Dass die englische Times jetzt ein namentlich nicht genanntes Mitglied der Suga-Regierung damit zitiert, dass diese intern längst abgeschlossen habe mit Olympia 2021, dass sie stattdessen versuchen wolle, die Spiele 2032 zu bekommen: Das ist alles andere als abwegig. Wenn es auch unmittelbar und heftig dementiert wurde.

IOC-Präsident Thomas Bach behauptete kürzlich sogar, er habe "überhaupt keinen Anlass zu glauben, dass die Spiele nicht wie geplant stattfinden"; es gebe keinen "Plan B". Das ist entweder die übliche olympische Realitätsverweigerung. Oder es zählt zu jener Sorte von Wortbeiträgen, die man besser nicht zu ernst nehmen sollte.

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