Marko Arnautovic bei Österreich:Ein einstiger Skeptiker in der Startelf

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Auf dem Platz beste Nachbarn: Marko Arnautovic (links) hat sich in Ralf Rangnicks System längst eingefunden. (Foto: Sören Stache/dpa)

Dass Ralf Rangnick und Marko Arnautovic harmonieren würden, hatte man in Österreich nicht zwingend erwartet – bis Trainer und Spieler das Gegenteil bewiesen. Szenen einer speziellen Nachbarschaft.

Von Felix Haselsteiner, Berlin

Die Unsicherheit war groß, damals in Bad Tatzmannsdorf. Ganz genau wusste niemand, was man von Ralf Rangnick zu erwarten hatte, als dieser Anfang Juni 2022 im burgenländischen Regen aus einem Auto stieg, um sich bei einer interessierten wie skeptischen Nation vorzustellen. Ein Revolutionär, der zuletzt Manchester United angeleitet hatte, wie sollte der ins kleine Österreich passen mit all seinen Ecken und Kanten? Was man damals nur vermutet hatte, inzwischen aber weiß: Einer der größten Skeptiker saß in Rangnicks Kabine.

„Bei mir war es am Anfang schon so, dass ich gedacht habe, jetzt kommt die Red-Bull-Schule zu uns, jetzt wird das schwierig für mich“, sagte Arnautovic am Montag bei der Pressekonferenz vor dem dritten Gruppenspiel gegen die Niederlande. Er habe „nie dieses Pressingsystem“ gelernt und wie der Rest des Landes erwartet, dass der Trainer diese Schule kompromisslos fortführen würde. Arnautovics engen Freund Aleksandar Dragovic etwa lud Rangnick damals gar nicht erst ein, weshalb ein Szenario recht unrealistisch wirkte: dass der Spieler Arnautovic bei der EM 2024 das Gruppenspiel gegen Polen in der Startelf bestreiten und sogar mit einem Elfmeter zum 3:1 entscheiden würde. Was bedeutet, dass gegen die Niederlande sogar eine knappe Niederlage reichen könnte, um ins Achtelfinale einzuziehen.

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Das Verhältnis Rangnick/Arnautovic sagt einerseits viel über den Trainer aus. Über einen, der die ihm unterstellten Stereotype Schritt für Schritt widerlegte, weil er zuerst kompromissbereit wurde und dann auch noch über sich selbst lachte: Während der Europameisterschaft ist in Österreich ein Werbespot zu sehen, in dem Rangnick ein Haus kaufen möchte, dann doch beschließt, die Unterkunft sei „nichts für mich“ – woraufhin sich Marko Arnautovic als Nachbar vorstellt.

Andererseits erzählt das wertschätzende Verhältnis, das beide seit zwei Jahren auf und neben dem Platz aufgebaut haben, vor allem vom Charakter des Marko Arnautovic, der wie Rangnick ein Mann mit einem gewissen Ruf war – den er gerne widerlegt.

Mit ruhiger Stimme und viel Wortwitz präsentiert sich Arnautovic inzwischen der Öffentlichkeit, er wirkt mit 35 Jahren völlig angekommen in der Rolle, die immer schon für ihn vorgesehen war. Der offensive Anführer dieser Nationalmannschaft sollte er seit seinem Debüt im Jahr 2008 sein, aber allein diese Jahreszahl zeigt, wie lange er danach streben musste – mit wechselhaftem Erfolg. 113 Einsätze machen ihn inzwischen zum Rekordnationalspieler.

Er nehme Arnautovic als „gereifte, beeindruckende Persönlichkeit“ wahr, sagt Rangnick

Arnautovic hat viele Phasen erlebt, drei Europameisterschaften, ein intensives Vereinsleben dazu. In Deutschland, England und China hat er gespielt, bevor er nach Italien zog, erst nach Bologna, dann zu Inter Mailand, wo er seinen zweiten, vielleicht eher dritten Frühling erlebt. Drei Jahre war er auch in den Niederlanden, bei Twente Enschede, zu Beginn seiner Karriere. „Die Technik, Ballannahme, Ballmitnahme, das alles“ habe er damals gelernt, in der niederländischen Schule: „Ich war damals noch Flügelspieler, ich habe bei einer Gastfamilie gelebt und das Land kennengelernt. Ich habe viel erlebt in meiner Zeit dort.“ Die versammelten Journalisten lachten an dieser Stelle, weil auch Arnautovic lachte. Die Erlebnisse beschränkten sich nicht allein auf das Spielfeld.

Die Originalität des alten Arnautovic ist freilich weiter vorhanden. Über seinen Kollegen bei Inter Mailand, den Niederländer Denzel Dumfries, auf den die Österreicher im letzten Gruppenspiel am Dienstag treffen, sagte Arnautovic den in typischer Arnautovic-Prosa formulierten Satz: „Der, was Denzel kennt, weiß, was der Denzel kann.“ Und zum Geburtstag am Montag wünschte er seinem langjährigen, engen Freund David Alaba „vor allem Gesundheit“, er tat das aus gutem Grund öffentlich: „In der Früh hat es bei mir ein bisschen gebraucht mit den Glückwünschen, weil ich bin in der Früh nicht ansprechbar.“

Der Frühaufsteher Rangnick verkündete kurz darauf, er habe um die Uhrzeit schon eine Yogastunde absolviert und Alaba anscheinend alles Gute gewünscht. Wer wollte, konnte an dieser Stelle wieder die meilenweiten Unterschiede zwischen zwei Charakteren entdecken, die man sich tatsächlich kaum in direkter Nachbarschaft vorstellen könnte, trotz der ehrlichen Begeisterung füreinander.

„Er ist immer noch schnell genug fürs Zentrum und hat alle Qualitäten, die ein Stürmer dort braucht“, sagte Rangnick über den einen Spieler in seinem Kader, der nicht alle Pressing-Kriterien erfüllt und dennoch regelmäßig spielt. Und den er abseits des Platzes als gereifte, beeindruckende Persönlichkeit wahrnimmt, „alleine, wenn man ihn heute hier erlebt“.

Vor der Pressekonferenz habe er Arnautovic dabei zugehört, wie er in hervorragendem Niederländisch ein Fernsehinterview gab, so etwas imponiert Rangnick: „Bei mir kommt’s mit Schwäbisch und Österreichisch auf maximal zweieinhalb Sprachen, er spricht sechs. Das sagt doch alles über Eloquenz und Intelligenz aus.“

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