Zu den Sehenswürdigkeiten von Amsterdam zählen das Rijksmuseum, das Van-Gogh-Museum und die Johan-Cruyff-Arena. Im Rijksmuseum sind unter anderem 22 Gemälde von Rembrandt zu sehen. Im Van-Gogh-Museum hängen mehr als 200 Kunstwerke von Vincent van Gogh. In der Johan-Cruyff-Arena sind regelmäßig die besten Fußballer der Niederlande zu besichtigen. Das ist aber keine Dauerausstellung. Man muss schon zu ganz bestimmten Anlässen in die riesige Betonschüssel im Südosten der Stadt kommen.
Die aufmerksamen Besucher, die am Donnerstagabend mit zwei Reisebussen zur Arena gefahren sind, waren in dieser Konstellation zum ersten Mal im heiligen Tempel des Oranje-Fußballs. Nie zuvor hatte eine österreichische Nationalmannschaft in dieser Amsterdamer Arena gespielt. Der Anlass war allerdings mitnichten die ehrfürchtige Besichtigung der besten niederländischen Fußballer. Ehrfurcht kann man erwarten, wenn man vor einem originalen Rembrandt steht oder vor einem echten van Gogh. Wenn man hingegen vor einem originalen Matthijs de Ligt, einem echten Frenkie de Jong oder einem zumindest als echt zertifizierten Wout Weghorst steht, dann heißt es schlichtweg: zupacken.
Die Gäste aus "Oostenrijk" hatten bei ihrem Premieren-Auftritt in dieser Arena die historische Chance, sich mit einem Sieg frühzeitig erstmals für die K.-o.-Runde einer Europameisterschaft zu qualifizieren. Doch vier Tage nach ihrem ersten Erfolg (3:1 gegen Nordmazedonien) bei einer EM verpassten sie es, sogleich den zweiten folgen zu lassen. Vielmehr verloren sie gegen die Niederländer verdient mit 0:2 (0:1). Damit bleibt vor ihrem finalen Gruppenspiel am kommenden Montag gegen die Ukraine in Bukarest die Teilnahme am Achtelfinale vage. Verlieren sollten sie dort jedenfalls nicht.
Sollten sie dies jedoch packen, dann setzen sie in London, Budapest, Bukarest oder Glasgow am übernächsten Wochenende ihre aufregende Sightseeing-Tour durch Europa fort. Die Niederländer sind derweil schon durch und haben sich vor dem Spiel gegen Nordmazedonien am Montag in Amsterdam bereits den Gruppensieg gesichert. Nach zwei Spieltagen der Gruppe C führt das Oranje-Team die Tabelle mit sechs Punkten vor der Ukraine, Österreich (jeweils 3) und Nordmazedonien (0) an.
Je eine Änderung pro Startelf hatte es am Donnerstagabend gegeben. Bei den Niederländern rückte der außergewöhnliche Juventus-Verteidiger de Ligt, 21, nach überstandener Blessur ins Zentrum der Dreierabwehrkette. Bei den Österreichern ersetzte der Augsburger Michael Gregoritsch den Stuttgarter Sasa Kalajdzic, während der alternative Mittelstürmer Marko Arnautovic wegen ungebührlichen Verhaltens für eine Partie gesperrt war. Bis auf den Torwart Daniel Bachmann (Watford) und den Linksaußen Andreas Ulmer (Salzburg) sind alle Spieler dieser Startelf in der Bundesliga beheimatet.
Sie wussten also, was sie vom fidelen Wolfsburger Stürmer Weghorst zu erwarten hatten, dem einzigen Bundesliga-Fußballer im niederländischen EM-Kader. Weghorst, 1,97 Meter groß, ist in der Spitze der stete Zielspieler der Niederländer - zu Lande ebenso wie in der Luft, und würde eine Gracht durchs Spielfeld verlaufen, dann gewiss auch noch zu Wasser.
David Alaba tritt Denzel Dumfries im Strafraum auf den Fuß - Memphis Depay verwandelt den Elfmeter zur Führung
Doch es war die hängende Spitze namens Memphis Depay, die bereits in der elften Minute per Foulelfmeter das 1:0 erzielte. David Alaba war zwei Minuten zuvor dem stadtauswärts sprintenden Flügelläufer Denzel Dumfries derart zentimetergenau im vorderen rechten Strafraumeck auf den Fuß getreten, dass es in Realgeschwindigkeit nicht zu erkennen war und der israelische Referee das am Monitor verifizieren musste. Fünf Minuten vor der Pause vergab Depay auf Weghorst-Vorlage eine 99-prozentige Einschusschance.
Die derart im Spiel gehaltenen Österreicher suchten weiter ihre Möglichkeiten. Bis zum Strafraum kombinierten sie sich gut durch, doch den finalen Pass blockte oft der für sein Alter so fabelhafte Abwehrspieler de Ligt. Ausgerechnet der aufgerückte 21-Jährige vergab in der 61. Minute aber die nächste Oranje-Großchance zum zweiten Tor. Erst in der 67. Minute erlöste Dumfries die knapp 16 000 Niederlande-Fans mit seinem zweiten Turnier-Treffer.
So schien es jedenfalls. Doch die Österreicher gaben nicht auf, wohlwissend, dass die Niederländer gegen die Ukraine eine 2:0-Führung noch spät aus der Hand gegeben hatten (bevor sie sehr spät dann doch noch den 3:2-Siegtreffer erzielt hatten). Die Spieler in Orange aber haben dazugelernt. Diesmal brachten sie den Vorsprung über die Zeit. Das Publikum jubelte. In keinem Amsterdamer Museum ist es so stimmungsvoll wie hier.