Fußball-EM:Mit diesen Italienern ist zu rechnen

Fußball-EM: Emanuele Giaccherini

Emanuele Giaccherini

(Foto: AFP)
  • Mit dem 2:0-Sieg gegen Belgien übertrifft sich Italien selbst. Die viel gescholtene Mannschaft zeigt sogar feines Direktspiel.
  • Verteidiger Leonardo Bonucci kündigt an: "Das soll nur der Anfang gewesen sein."
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Von Maik Rosner, Lyon

Antonio Contes beim ersten Torjubel malträtierte Mundpartie umspielte später ein kleines, feines Lächeln, als er voller Stolz über seine Mannschaft sprach. Von Leidenschaft und Hingabe war die Rede, von Geschlossenheit und Glaube, von all jenen Zutaten also, die einen verschworenen Haufen ausmachen. Als solcher hatte sich die italienische Auswahl ja tatsächlich präsentiert am Montagabend in Lyon, als der EM-Mitfavorit Belgien im ersten richtigen Topspiel des Turniers nicht nur 2:0 (1:0) besiegt, sondern auch einer überraschenden Grenzerfahrung ausgesetzt wurde.

"Wir haben gezeigt, dass im Fußball nichts festgeschrieben ist", sagte Italiens Trainer Conte, 46, danach. Daraus sprach nicht nur Stolz über den unerwarteten, aber verdienten Erfolg durch die Tore von Emanuele Giaccherini (32.) und Graziano Pellè in der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit. Es war auch eine Genugtuung vernehmbar nach all den Schmähungen zuletzt. "Wir alle lesen Zeitungen", sagte Conte spitz, und manchmal sei das Urteil, das da über die Squadra Azzurra gefällt worden war, verletzend gewesen. Nicht zuletzt, weil ja auch "die Wunde von vor zwei Jahren", vom Aus in der Gruppenphase bei der WM in Brasilen, noch nicht verheilt sei, wie Conte erinnerte.

Conte spricht von "Blut, Schweiß und Tränen"

Nun hatte seine Elf eine unerwartete Antwort geliefert, mit "Blut, Schweiß und Tränen", wie der künftige Teammanager des FC Chelsea nicht ohne eine gehörige Portion Pathos befand, "dieser Zusammenhalt in der gesamten Gruppe macht mich wirklich glücklich."

Das galt auch für die Anhänger, die Tifosi, die entzückt feststellten, dass Italien sogar die ureigenen Klischees übertraf. Die viel gescholtene Mannschaft zeigte nicht nur die alten typisch italienischen Qualitäten wie Stabilität, Abgezocktheit und Kühle. Sie begeisterte das eigene wie das neutrale Publikum auch mit einem schnellen, feinen und direkten Stil. Wie bei beiden Toren, die zwar auf sehr unterschiedliche Weise entstanden, aber die kluge Zusammenarbeit gemein hatten.

Zunächst gab Innenverteidiger Leonardo Bonucci im Stile von Jérôme Boateng und Mats Hummels mit seinem weiten, präzisen Pass über rund 50 Meter den Quarterback. Giaccherini lief los, nahm den Ball mit links technisch fein an und schob ihn in einer flüssigen Bewegung mit rechts am herausstürzenden Torwart Thibaut Courtois vorbei zur Führung. Später war es ein Konter, mit dem das gesamte Feld schnell überbrückt wurde. Und an dessen Ende die Italiener mit einem bedachten Zusammenspiel die Belgier durch den eigenen Strafraum irren ließen wie durch die verwinkelten Gassen in der schmucken Altstadt von Lyon. Pellè wuchtete den Ball schließlich mit einem Volleyschuss ins Netz.

Am Ende des Abends stand die Erkenntnis, dass all jene, die die mit 31,5 Jahren im Schnitt älteste Mannschaft der EM-Geschichte nur müde belächelt hatten, offenbar einer großen Fehleinschätzung aufgesessen waren. Vielmehr ist mit diesem Italien, mit Contes funktionierender Einheit, zu rechnen, obwohl in der Tat die großen Spieler oder hochbegabten Talente fehlen. Doch wenn man zusammenhalte, dozierte der Trainer, spiele ein Mangel an Talent keine große Rolle. Dann können auch plötzlich Spieler aus der europäischen Mittelklasse, wie die beiden Angreifer Pellè vom FC Southampton und der in der Brasilien geborene Éder, künftig wieder bei Sampdoria Genua, glänzen und die hochgelobte belgische Mannschaft nachhaltig irritieren.

Und wie man gegnerische Mannschaften mit einer kompakten Defensive geschickt ausbremst, das wissen die Italiener ja ohnehin, zumal mit einer solch eingespielten Abwehr wie jener von Juventus Turin vor dem ewigen Torwart Gianluigi Buffon, ebenfalls vom italienischen Rekordmeister. "Wir haben die beste Abwehrkette des Turniers", befand Giaccherini. Und Bonucci kündigte für die gesamte Mannschaft an: "Das soll nur der Anfang gewesen sein."

Und die von sich selbst sehr enttäuschten Belgier? "Sie sind weiterhin ein Favorit auf den Titel. Sie werden weit kommen", prognostizierte Conte. Das war indirekt auch ein großes Lob für den eigenen, verschworenen Haufen.

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