Auch mit knapp 48 Stunden Abstand konnte sich Spaniens Linksverteidiger Marc Cucurella noch gut daran erinnern, dass ihn instinktiv ein ungutes Gefühl beschlich, als ihm der Ball im Viertelfinale gegen Deutschland in Stuttgart an die linke Hand flog. Bei einem Schuss also, den Jamal Musiala in der Verlängerung, beim zwischenzeitlichen Stand von 1:1, aufs spanische Tor abgegeben hatte.
Aber: Die Reaktion des Schiedsrichters Anthony Taylor aus England beruhigte Cucurella umgehend. „Nein, nein, nein“, habe der Referee sofort signalisiert. Beziehungsweise: kein Elfmeter! Und siehe da, die spanischen Medien boten im Nachgang sogleich eine Reihe von früheren Schiedsrichtern des Weltverbands Fifa auf, die Taylors Entscheidung für korrekt erachteten.
Die Szene sei „ein wenig zweifelhaft“ gewesen, räumt Cucurella ein
So unterbreitete das ein spanischer Journalist dem Verteidiger des FC Chelsea dann auch bei der Pressekonferenz vom Sonntag in Donaueschingen – ohne den ausdrücklichen wie impliziten Verweis auf die Instruktionen an die EM-Schiedsrichter zu erwähnen. Ihnen war vor dem Turnier auch durch ein Schaubild erklärt worden, dass ein Handspiel, wie es Cucurella begangen hatte, nicht strafbar sei. Je tiefer der Verteidiger dabei die Hände positioniert, umso unwahrscheinlicher ist ein Pfiff, grob gesagt. „Wenn die Experten sagen, dass es kein Handspiel war, dann war’s kein Handspiel“, sagte Cucurella jedenfalls – und lachte.
Dieses Lachen bedeutete aber nicht, dass Cucurella nicht auch mit Empathie auf den deutschen Frust über den möglichen Strafstoß blickte. Die Szene sei „ein wenig zweifelhaft“ gewesen, konzedierte der spanische Verteidiger. Auch er zähle zu jenem Teil der Menschheit, der „etwas müde“ sei, Handspiele zu sehen, die mal gepfiffen und mal nicht gepfiffen werden, obwohl sie voneinander kaum zu unterscheiden sind.
Den Kontext übrigens – ein mögliches Abseits von Passgeber Niclas Füllkrug im Aufgalopp des Schusses von Musiala – hielt der frühere spanische Fifa-Referee Edu Iturralde González für irrelevant. Entscheidend bleibe, dass Cucurellas Hand eindeutig im nicht strafbaren Bereich sei.
Cucurella wiederum betonte: „Wir würden jetzt nicht darüber reden, wenn Deutschland weitergekommen wäre.“ Und überhaupt: Man könne ja auch darüber reden, dass Taylor früher Karten hätte zücken müssen. „Wir könnten auch darüber klagen, dass Toni Kroos hätte vom Platz gestellt werden müssen“, argumentierte Cucurella. Auch für Schiedsrichter gelte: „Fußball ist ein Spiel von Fehlern und Triftigkeiten.“ Entscheidend sei, stellte Cucurella fest, dass Spanien am Freitag in Stuttgart einmal häufiger ins Tor getroffen habe als die Gastgeber.