Fußball-EM:Heiß umworben: Schalkes Leroy Sané

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Kann erstaunliche Dinge am Ball: Leroy Sané.

(Foto: imago/Moritz Müller)

Achtung, bei der EM spielt ein Talent, das man schleunigst holen sollte, bevor es ein anderer tut.

Von Christof Kneer, Évian

Als Christian Heidel noch Manager von Mainz 05 war, hat er gerne und stolz erzählt, dass sein Verein keine offizielle Scouting-Abteilung beschäftigt. Heidel mochte diese Geschichte vor allem deshalb, weil sie eine sehr hübsche Pointe enthielt, zumindest für denjenigen, der zufällig Manager von Mainz 05 war. Die Pointe war ja, dass Mainz trotzdem dauernd Spieler hatte, die die anderen gerne gehabt hätten, aber trotz ihrer schicken Scouting-Abteilungen nie gefunden haben.

Das führte in der Regel dazu, dass die anderen die Spieler dann in Mainz einkauften, was Heidels Klub einen Haufen Geld bescherte, den dieser aber immer noch nicht in eine Scouting-Abteilung investierte. Heidel hat sich die Spieler weiterhin von Dutzenden Vertrauten in allen Winkeln des Erdballs empfehlen lassen, und bei verschärfterem Interesse ließen sich zusätzlich jene beneidenswert gut informierten Datenbanken konsultieren, in denen sämtliche Groß- und Kleinzehenbewegungen eines kolumbianischen Stoßstürmers per Knopfdruck abrufbar sind.

Auch der FC Bayern verfolgt Sanés Entwicklung mit Interesse

Es müsste also, alles in allem, ziemlich egal sein, ob zum Beispiel Leroy Sané an diesem Donnerstag gegen Polen eingewechselt wird. Was dieser Spieler kann, wissen die Topvereine längst, und ob der Spieler nun 30 Millionen, 60 Millionen oder viereinhalb Milliarden wert ist, ist am Ende auch nur eine obszöne akademische Spitzfindigkeit. Dennoch ist es erstaunlicherweise nicht ganz egal, ob Sané von Joachim Löw etwas Spielzeit abbekommen wird und ob er mit dieser Spielzeit vielleicht sogar Sinnvolles anzufangen weiß. Sollte Sané spielen, wäre das wie ein neuerliches Signal an den Markt, das der Markt eigentlich gar nicht mehr braucht, weil er's ja eh' schon weiß: Achtung, hier spielt ein Supertalent, das man schleunigst holen sollte, bevor's ein anderer holt.

Es zählt zu den geheimen Regeln eines großen Fußballturniers, dass viele große Geschichten hinter den Kulissen ausgetragen werden, dort, wo nicht mal die Trainerkamera hinkommt. Zu den geheimen Geschichten gehört diesmal auch dieser 20-jährige deutsche Außenstürmer, der sich im sehr abgelegenen Évian-les-Bains den Luxus erlauben kann, sich nur auf das Turnier zu konzentrieren. Ums Geschäftliche kümmern sich derweil Berater, Familienmitglieder sowie natürlich die Ober- und Unterhändler der interessierten Klubs, die sich inzwischen übrigens an einen Schalker Manager namens Christian Heidel wenden müssen. Während Sané mit der DFB-Elf zum Spiel nach Paris aufgebrochen ist, wurde in seiner Sache weiter erwogen, geprüft und sondiert, und so taugt dieses kolossale Talent bereits jetzt als Musterbeispiel für die Mechanismen des großen europäischen Transfer-Strategos.

Der "City-Express" habe Fahrt aufgenommen, sagt ein Guardiola-Vertrauter

Das Absurde am gegenwärtigen Marktgeschehen ist ja, dass das Geld dabei eher egal ist. Jeder der interessierten Klubs könnte 50 Millionen locker machen, man geht ja auch manchmal gut Abendessen, warum soll man da kleinlich sein. Mustergültig ist der Fall eher, weil er zeigt, wie sich die Klubs belauern und wie alles mit allem zusammenhängt. Nach SZ-Informationen sind es vor allem die beiden Klubs aus Manchester mit den verfeindeten Trainern Pep Guardiola (City) und José Mourinho (United), die den Wunderknaben dringend anwerben wollen, und vor allem Guardiolas Klub, so ist zu hören, liege aussichtsreich im Rennen. Der "City-Express" habe Fahrt aufgenommen, sagt ein Guardiola-Vertrauter, was wiederum Betriebsamkeit bei anderen Klubs auslösen dürfte.

Natürlich gehört es auch zum Selbstverständnis des FC Bayern, den Weg dieses jungen Mannes zu verfolgen, zumal der junge Mann eine Position bevorzugt, auf der die Münchner auch ältere Männer beschäftigen (Ribéry, Robben), die es irgendwann zu ersetzen gilt. Am liebsten wäre es den Bayern wohl, sie könnten Sané noch eine Weile in Schalke beobachten, aber eine City-Offensive könnte sie ins Grübeln bringen.

Christian Heidel wird nun erst mal abwarten, wie Sané selbst die Sache sieht, und im Zweifel wird er dann beschließen, bei welcher Summe Schalke schwach wird. Für den Fall, dass er einen oder mehrere Nachfolger suchen muss, kann er übrigens auf die offizielle Schalker Scouting-Abteilung vertrauen.

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