Die Griechen haben in diesen Monaten wenig Grund zur Freude. Ständig diese Vorhaltungen von der internationalen Finanzpolizei und vor allem von dieser deutschen Bundeskanzlerin. Sparen, sparen, sparen, hieß es, sonst gibt es bald kein frisches Geld mehr. Da kommt so ein großes Sportereignis wie die Fußball-Europameisterschaft gerade recht, um den Nationalstolz ein wenig aufzupolieren.
Am Samstagabend hat die griechische Nationalelf das Viertelfinale des Turniers erreicht - sie sind fußballerisch unterlegen gewesen gegen die starken Russen, doch am Ende haben sie durch einen Treffer von Giorgos Karagounis 1:0 gewonnen.
Ein Blick in die griechischen Gazetten zeigt den wiedergewonnen Stolz - vermischt mit einer großen Portion Trotz - mehr als deutlich. "Ihr habt uns den IWF gegeben, wir geben eurer EURO TNT", titelt Metro Sport. Die englische Ausgabe von Kathimerini schreibt: "Dieser Sieg gegen den Favoriten der Gruppe A zeigt: Das griechische Team, genauso wie die Bürger Griechenlands, verdient Respekt."
Von Respekt war auch bei vielen der Sportler in Interviews nach dem Spiel die Rede. Bemerkenswert war aber vor allem: Fast jeder griechische Spieler, Trainer, Funktionär, der am gestrigen Abend ein Mikofon unter die Nase gehalten bekam, äußerte sich zur Situation in der Heimat. Nationaltrainer Fernando Santos - und der ist Portugiese - sagte: "Wir haben allen Griechen eine Freude bereitet. Das war sehr wichtig für uns." Er bitte um Respekt für das Land, erklärte Santos weiter.
Die Freude in Griechenland war derweil kurz, aber heftig. Ein Aufschrei nach dem Schlusspfiff, einige Blendgranaten. Die richtig große Party wie im Jahr 2004 blieb noch aus. Aber der Einzug ins Viertelfinale ist auch nicht mit dem überraschenden EM-Titel zu vergleichen.
Man durfte ja auch nicht allzu ausgiebig feiern, denn heute sind die Griechen dazu aufgerufen, die politische Hängepartie im Land zu beenden. Ob das sportliche Ergebnis dabei eine Rolle spielt, ist jedoch fraglich. Neu entflammter Nationalstolz wird das Kreuzchen auf dem Wahlzettel kaum beeinflussen. Besonders, nachdem quasi alle griechischen Parteien in den vergangenen Tagen recht offensiv die nationale Karte gespielt haben.
Fußball wird die Politik kaum beeinflussen
Der Fußball wird also kaum eine direkte Auswirkung auf die Politik haben. Griechenlands defensiver Mittelfeldmann Kostas Katsouranis hat eine andere Hoffnung für seine Landsleute: "Die Griechen sollten bei der Wahl eine Lösung finden, so wie wir heute eine Lösung auf dem Fußballplatz gefunden haben." Dass Katsouranis kein hochbezahlter Profi im Ausland ist, sondern sein Geld in der Heimat bei Panathinaikos verdient, macht die Aussage ein gutes Stück glaubhafter.
Ob die Griechen am Ende für einen pro-europäischen Kurs stimmen, wird sich frühestens Sonntagnacht zeigen. Fußballerisch könnten sie es im Viertelfinale mit den (aus griechischer Perspektive für das Spardiktat verantwortlichen) Deutschen zu tun bekommen. Also die mit der sparwütigen Kanzlerin.
Dass dieses Spiel die euphorisierten griechischen Medien zu einigen Seitenhieben auf Angela Merkel reizt, verwundert kaum. "Bringt uns Merkel! Ihr werdet Griechenland niemals aus der Euro-Zone befördern", heißt es da bei Goal News. Europa sei "wieder einmal außer sich wegen der bankrotten Griechen." Und Sport Day warnt schon jetzt: "Angela, sei bereit." Es wäre nicht das erste Mal, dass sich eine Sportmannschaft aufgrund von Problemen im Heimatland bei einem Turnier besonders geschlossen und entschlossen präsentiert - und am Ende für eine Überraschung sorgt.