Frankreich steht im EM-HalbfinaleFußball wie ein trockenes Croissant

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Auch er traf gegen die Portugiesen nicht: Frankreichs Ausnahmekönner und Maskenmann Kylian Mbappé (rechts).
Auch er traf gegen die Portugiesen nicht: Frankreichs Ausnahmekönner und Maskenmann Kylian Mbappé (rechts). (Foto: Darko Vojinovic/AP)

Mit einer unglaublich mageren Trefferquote zieht Frankreich ins EM-Halbfinale ein. Ob der stoische Ergebnisfußball auch gegen die Spanier funktioniert? Trainer Deschamps hat eine gute Idee.

Von Ulrich Hartmann, Hamburg

Wer sich darüber mokiert, dass die offensiv so brillant besetzten Franzosen bei dieser Europameisterschaft bislang viel zu selten ins Tor treffen, der hat am Freitagabend zwischen 23.35 und 23.42 Uhr offenbar nicht genau hingeschaut. Da hat es nämlich ordentlich gekracht im Gebälk der gegnerischen Portugiesen: erst dank Ousmane Dembélé, dann durch Youssouf Fofana, Jules Koundé, Bradley Barcola und schließlich Theo Hernández.

Fünf Tore binnen sieben Minuten bedeuteten den Einzug ins Halbfinale – aber okay, zugegeben, das war halt nur ein Elfmeterschießen. 5:3 hieß es am Ende nach zuvor 120 torlosen Spielminuten.

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Ein Viertelfinale mit Mbappé und Ronaldo – und trotzdem 120 torlose Minuten. Am Ende qualifizieren sich die Franzosen dank ihrer Treffsicherheit vom Punkt für das Halbfinale gegen Spanien. Für Ronaldo endet der Abend traurig.

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Der Einzug in die EM-Runde der besten vier Mannschaften ist den Franzosen mit unglaublich mageren drei Treffern in fünf Spielen gelungen – diese drei waren auch noch ein Eigentor des Österreichers Maximilian Wöber, ein Elfmeter von Kylian Mbappé gegen Polen und ein halbes Eigentor des Belgiers Jan Vertonghen nach einem Schuss von Randal Kolo Muani. 1:0 gegen Österreich, 0:0 gegen die Niederlande, 1:1 gegen Polen, 1:0 gegen Belgien und nun 0:0 gegen Portugal binnen 120 Minuten – Frankreichs Fußball ist in diesen Tagen wie ein trockenes Croissant, ein zähes Baguette, ein laues Ratatouille. Den Hunger kann man damit stillen, aber ist es auch ein Vergnügen? Non!

Doch die Franzosen zittern nicht – sie spielen ihre Partien stoisch herunter

Darüber reden die Franzosen dieser Tage allerdings nicht so gerne. Sie loben viel lieber ihre Abwehrarbeit. „Defensiv haben wir gut gestanden“, sagte nach dem Halbfinaleinzug der Torwart Mike Maignan, der in dieser Angelegenheit freilich auch ein guter Ansprechpartner ist. Denn der 29-Jährige von der AC Mailand ist in den fünf Spielen und mithin binnen acht Stunden Fußball (viermal 90 plus ein Mal 120 Minuten) bloß ein einziges Mal bezwungen worden, und das auch bloß durch einen polnischen Foulelfmeter von Robert Lewandowski, und dabei wiederum bloß, weil Maignan sich beim ersten, gehaltenen, ein wenig zu früh bewegt hatte und der Elfmeter wiederholt werden musste.

Am Freitagabend im Viertelfinale in Hamburg musste Maignan im Elfmeterschießen dann drei Elfmeter passieren lassen: den ersten von Cristiano Ronaldo, den zweiten von Bernardo Silva und den vierten von Nuno Mendes – den dritten schoss João Félix an den Pfosten. Die Franzosen verwandelten all ihre fünf Versuche.

„Wir haben nicht gezittert“, hat Maignan zufrieden beobachtet – und vielleicht ist genau dies die herausragende Charaktereigenschaft der Équipe de France bei dieser Europameisterschaft: Obwohl sie ihre Chancen skurril vergeigen, obwohl sie ihren Gegnern herausragende Torgelegenheiten gestatten – irgendwie zittern sie trotzdem nicht. Sie spielen ihre Partien derart stoisch herunter, dass man sich nicht wundern dürfte, wären sie nächsten Sonntagabend Europameister mit, sagen wir, fünf Treffern in sieben Spielen.

„Geduld und Gelassenheit“, nannte der Nationaltrainer Didier Deschamps als mentale Schlüsselqualifikationen seiner Mannschaft – und lächelte dabei. Zutiefst gelassen wirkt auch Deschamps selbst. Mit jedem seiner entwaffnend kecken Blicke beantwortet er skeptische Fragen der Journalisten sinngemäß so: Was wollt ihr denn, wir haben doch gewonnen. Und die Sache mit der Defensive stimmt natürlich. Torwart Maignan, die Abwehrspieler Jules Koundé, Dayot Upamecano, William Saliba und Theo Hernández sowie der herausragende Mittelfeldmann N’Golo Kanté spielen praktisch in jedem Spiel durch und haben maßgeblichen Anteil am soliden Ergebnisfußball.

Nun stehen sie am kommenden Dienstag in München im Halbfinale gegen Spanien vor ihrer größten Herausforderung, denn die Spanier haben in fünf Spielen elf Tore geschossen. In diesem Duell wird die derzeit beste Offensive Europas auf die beste Defensive Europas treffen – und das ist schon eine relativ gute Prämisse für ein interessantes Spiel.

Der ach so gelassene Trainer Deschamps hat übrigens für die Partie gegen Spanien, in der man nicht unbedingt davon ausgehen darf, dass sie ihr Tor wieder sauber halten können, eine gute Idee für seine Franzosen: „Wir sollten mehr Tore schießen!“

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