Fußball-EM der Frauen:"Supernatze, Supernatze, hey, hey"

Bei der WM 2011 zog Torhüterin Nadine Angerer viel Kritik auf sich, nun hat sie die Stabilität ins Spiel gebracht - und die DFB-Frauen mit zwei abgewehrten Elfmetern zum EM-Titel geführt. Die jungen Spielerinnen wissen, was sie an der 34-Jährigen haben und überraschen Angerer mit einer Gröleinlage.

Von Nicole Werner, Solna

Das Klacken der Highheels wird vom orangefarbenen PVC-Boden der Katakomben geschluckt. Die norwegischen Spielerinnen haben bunte Sommerkleidchen angezogen, doch die Augen sind rotgweint. Die meisten haben zudem die silbernen Anhänger abgenommen, den sie kurz zuvor überreicht bekommen hatten. Ada Hegerberg, Stürmerin bei Turbine Potsdam, versucht erst kurz, die 0:1-Niederlage schönzureden: "Wir haben ein sehr, sehr gutes Turnier gespielt." Doch dann schaut sie immer wieder auf die unheilvoll glänzende Medaille zwischen ihren Fingern: "Wir müssen stolz sein über, ja, Silber."

Im Finale der Europameisterschaft, das mehr als 41.000 Zuschauer in der Friends Arena in Solna verfolgten, wollte Norwegen "Rache nehmen" für das verlorene EM-Finale von 2005 in England. So hatte es die 31-jährige Abwehrspielerin Trine Rønning vorab ausgedrückt. Dass gerade sie und ihre Kollegin Solveig Gulbrandsen, die beide damals die 1:3-Niederlage auf dem Feld erlitten hatten, die Schlüsselfiguren der neuerlichen norwegischen Finalenttäuschung gegen Deutschland wurden, kann sich nur ein grausamer Fußballgott ausgedacht haben. Beide Norwegerinnen scheiterten am Elfmeterpunkt an Nadine Angerer. Für Trainer Even Pellerud waren zwar die nicht getroffenen Elfmeter der Knackpunkt des Spiels, er ließ aber kein schlechtes Haar an seinem Team: "Die Schüsse waren gut, die Torhüterin hat nur richtig spekuliert."

Man habe gemerkt, dass sie einfach keinen ins Tor lassen wolle, sagte Nationaltrainerin Silvia Neid anerkennend über Angerer. Das beschrieb natürlich nur im Ansatz ihren Willen und Reflexartigkeit: Den ersten Strafstoß lenkte Angerer wie ein Handballtorwart mit dem Knie über das Tor und den zweiten wehrte sie mit der rechten Hand ab. "Geil" und "phänomenal" fand Angerer die Paraden selbst. Und mit gespielter Sachlichkeit konstatierte Innenverteidigerin Saskia Bartusiak: "Natze musste halten, das hat sie gemacht. Sehr gut." Die stahlblauen Augen der 74-maligen Nationalspielerin funkelten, als sie ergänzte: "Die Natze feiern wir heute richtig."

Bei der Heim-WM 2011 war die Torhüterin noch stark kritisiert worden, nun zeigte sie bei der packenden Europameisterschaft in Schweden, dass sie mit ihrer Souveränität Stabilität in das deutsche Spiel bringen kann. Als cooler, ruhender Pol zwischen den Pfosten wissen ihre Vorderleute stets, dass sie sich auf sie verlassen können.

Den Presseraum geentert

Die deutsche Mannschaft kassierte bei dem Turnier nur ein einziges Gegentor - bei der Vorrundenniederlage gegen Norwegen. "Nadine hat großen Anteil an dem Titel", bestätigt Stürmerin Anja Mittag. Dass sie im Finale das entscheidende Siegtor zum 1:0 erzielt hatte, nimmt sie nicht so wichtig: "Ich habe nicht viel gedacht und das ist ja immer ganz gut, man soll ja nicht so viel nachdenken. Es war ein sehr guter Pass von Celia (Okoyino da Mbabi, Anm. der Red.) und ich musste nur meinen Fuß hinhalten."

Nadine Angerer, Fußball-EM der Frauen, Deutschland - Norwegen

Gruppenfoto mit Torhüterin: Nadine Angerer (im grünen Trikot) und ihre Teamkolleginnen

(Foto: dpa)

Mannschaft, Zusammenhalt, Teamgeist heißt auf Schwedisch "Laganda", - dieses Wort hat die deutsche Elf auf rote Armbänder geschrieben und umgebunden. Es stand fortwährend im Mittelpunkt aller Aussagen der Fußballerinnen.

Auch in der letzten Pressekonferenz nun, in der sie noch einmal erklären soll, wie das Team den achten EM-Titel, den sechsten in Serie, gewonnen hatte, betont Kapitänin Angerer: "Mit Individualisten gewinnt man kein Turnier." Aber durchaus mit individueller Klasse. Denn die Kolleginnen heben diese plötzlich hervor, als sie den Presseraum stürmen und grölen: "Supernatze, Supernatze, hey, hey." Plötzlich ist Leben im kargen Presseraum, das Podest, auf dem Angerer und Neid sitzen, wackelt. Der Kommentar von Angerer über die fröhlich hüpfende Truppe: "Der Kindergarten hat Ausgang."

Ihre gute Laune hat sich die Torhüterin während des ganzen Turniers bewahrt. Sie hat damit als Kapitänin die Mannschaft aufgebaut, die jungen und erfahrenen Spielerinnen zusammengeführt. So wurde die Elf nach einem etwas holprigen Start in der Gruppenphase von Mal zu Mal stärker und eine stabile Einheit. Die sechs verletzten Stammspielerinnen wurden zwar vermisst, aber letztlich gar nicht gebraucht.

Eine der jungen Fußballerinnen, die nach dem Ausfall von Babett Peter in die Startelf aufrückte, ist die 20-jährige Leonie Maier. Sie steht für die neue Generation. Vor dem Endspiel hatte die kleine Verteidigerin mit dem hellblonden Pferdeschwanz einen bemerkenswerten Satz gesagt: "Es ist der Traum von jedem Mädchen, einmal im Finale zu stehen." Nicht nur von jedem Jungen.

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