Fußball:Alles deutet auf eine Verschiebung der EM hin

Portugal v France - Final: UEFA Euro 2016

Cristiano Ronaldo: Ist vielleicht noch ein Jahr länger Europameister

(Foto: Getty Images)
  • Der Druck auf die Uefa aus den nationalen Verbänden ist bereits immens: die EM soll verlegt werden.
  • Die meisten Vereinsvertreter senden eine eindeutige Botschaft in die Welt: An erster Stelle sollen jetzt die Ligen stehen, nicht die EM.
  • Der naheliegende Ersatztermin für das Kontinentalturnier wäre der Sommer 2021. Dafür müsste aber die Fifa ihre reformierte Klub-WM antasten.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

An diesem Montag kommen in einem Hotel am Frankfurter Flughafen die 36 Profiklubs der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu ihrer außerordentlichen Mitgliederversammlung zusammen. Wichtige Aspekte sind zu besprechen in der Frage, wie es in der Coronakrise weitergeht. Viele Punkte sind nicht final zu entscheiden, weil niemand seriös sagen kann, wie wild das Virus noch wütet. Doch selbst die Szenarien, die die Erst- und Zweitligisten entwickeln wollen, stehen unter Vorbehalt. Ihre Umsetzung wird abhängig sein von einer Entscheidung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) am Tag darauf.

Am Dienstag schalten sich die Vertreter der 55 Uefa-Mitgliedsländer zu einer Telefonkonferenz zusammen. Im Mittelpunkt steht nur eine Frage: Wird die Europameisterschaft verschoben? Jenes breit gefächerte Turnier, das in zwölf Ländern gespielt und am 12. Juni in Rom starten sollte. Wird die EM um ein Jahr verschoben, könnten die Klubs den Sommer übernehmen, um ihre Ligen vielleicht doch noch zu beenden. Falls das Virus im Sommer aufgibt, könnten die Klubs den EM-Spielraum nutzen und hätten bis mindestens Ende Juni Zeit.

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Die Deutschen müssen noch neun Spieltage absolvieren, ebenso die Engländer, die Franzosen zehn, die Spanier elf und die Italiener sogar zwölf. Wird die EM nicht verschoben, könnten die Ligen sicher nicht ordentlich zu Ende gespielt werden. Die Botschaft, die viele Vereinsvertreter gerade in die Welt senden, ist entsprechend eindeutig: Zuerst die Liga, dann der Rest!

Zudem ist es im Interesse der Uefa, sich Luft zu verschaffen, um die Europa League und vor allem die Champions League zu finalisieren. Derzeit ist man mitten im Achtelfinale stecken geblieben. Eine Europacup-Saison bringt der Uefa im laufenden Zyklus im Schnitt 800 Millionen Euro pro Saison. Die EM wäre wirtschaftlich für die Uefa kein ganz großer Wurf. Wann die EM konkret stattfindet, wird sicher zu einer der spannendsten Fragen des Weltsports, nicht nur wegen Corona. Denn diese Debatte reicht tief hinein in den seit Monaten schwelenden Machtkampf zwischen der Uefa und dem Fußball-Weltverband (Fifa).

Der naheliegende Ersatztermin für das Kontinentalturnier wäre der Sommer 2021. Dafür müsste aber die Fifa ihre reformierte Klub-WM antasten, die für diese Zeit geplant ist und erstmals mit 24 Teams stattfinden soll. Das Turnier steht in der allgemeinen Prioritätenliste sehr weit unten, es ist aber das Prestigeprojekt des Fifa-Bosses Gianni Infantino - und es verspricht einigen Großklubs üppige Einnahmen. Vor diesem Hintergrund berichtete der Telegraph jetzt von einer Variante, wonach auch eine EM im kommenden Winter eine Option sei.

Die Uefa sagte dazu am Sonntag nichts, sie will erst das Meeting am Dienstag durchziehen, an dem neben den Mitgliedsverbänden auch Vertreter der großen Klubs, der Ligen und der Spielergewerkschaft teilnehmen sollen. Schon jetzt ist aber klar, dass der Winter-Gedanke abwegig ist. Sollten überhaupt wieder irgendwann Spiele möglich sein, würde sich der Betrieb in den nationalen Ligen bis Sommer ziehen - vielleicht sogar, auch dazu gibt es bereits erste Überlegungen unter Funktionären, über die bisher geltende Grenze vom 30. Juni hinaus. Die ist unter anderem deswegen entscheidend, weil dann die Arbeitsverträge enden. In jedem Fall wird die Beendigung der laufenden Spielzeit stark in die folgende hineinwirken. Dass in den noch knapperen Zeitraum ein vierwöchiges Turnier hineingepresst werden soll, ist schlicht nicht vorstellbar.

Kommen englische Wochen?

Andererseits muss die Uefa am Dienstag noch keinen konkreten Ersatztermin für die EM bestimmen - es würde reichen, fürs Erste eine Verlegung zu beschließen. An diesem Beispiel zeigt sich bereits, wie viele unterschiedliche Interessen es gerade auch in der Coronakrise gibt. Da ist es eher fraglich, ob alle Vertreter sich solidarisch zeigen - oder ob nicht manche noch ihren Profit daraus schlagen wollen.

Die deutschen Klubs werden am Montag für ihre Überlegungen jedenfalls von einer Verschiebung der EM ausgehen. Formal stellte das DFL-Präsidium den Antrag, dass der Spielbetrieb bis zum 2. April ruhen soll. Es kann aber gut sein, dass am Ende der Veranstaltung schon der Beschluss steht, den Spielbetrieb noch länger auszusetzen. Das Bundesland Berlin entschied an diesem Sonntag bereits, dass der Sportbetrieb bis zum 19. April grundsätzlich untersagt sei. Das beträfe auch die Heimspiele von Union gegen Mainz und Schalke sowie das von Hertha BSC gegen Augsburg.

Doch es erscheint ob der allgemeinen Lage ohnehin illusorisch, dass der Betrieb Anfang April wieder losrollt. Stattdessen dürften sich die Verantwortlichen auf Szenarien im späten Mai und im Juni konzentrieren. Ein Kern-Ansatz dabei: Im allergrößten Notfall könnte ein Klub die neun ausstehenden Spiele an 29 Kalendertagen bestreiten - durch mehrere englische Wochen im Samstag-Mittwoch-Samstag-Rhythmus. Zugleich glauben Liga-Vertreter, dass das bisherige Dogma, alle Spieltage möglichst en bloc auszutragen, nicht aufrechterhalten werden kann. Entsprechend könnte es zu kuriosen Konstellationen an den entscheidenden Spieltagen kommen.

Aber das sind Notfallszenarien, die moderierbar wären. Falls es in dieser Saison überhaupt noch weitergeht mit dem Bundesliga-Betrieb.

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