Fußball-EM:Belgien stürmt, wie es will

EURO 2016 - Round of 16 Hungary vs Belgium

Der Torjubel von Belgiens Michy Batshuayi war Anspruchsvoller als sein Treffer. Das 2:0 musste er nur locker einschieben.

(Foto: dpa)

Belgiens oft gelobte Auswahl zeigt im Achtelfinale endlich, was in ihr steckt. Mit 4:0 wird die ungarische Mannschaft überrollt.

Von Ulrich Hartmann, Toulouse

Das Stadion von Toulouse liegt in der Einflugschneise des Flughafens. Wer hier Achtelfinale spielt und zwischendurch mal nach oben schaut, der ahnt, was ihm droht: Heimflug. Die Ungarn hatten am Sonntagabend allerdings überhaupt keine Zeit, in die Luft zu blicken. Sie mussten sich bei nur gelegentlichen Entlastungsangriffen sehr schneller, sehr starker und deutlich überlegener Belgier erwehren.

Die Ungarn hatten keinen Blick für Flugzeuge übrig und häufig nicht mal einen für vorbeibrausende Gegenspieler. Diese fußballerische Überforderung hat nun ihren Heimflug zur Folge. Sie verabschieden sich allerdings erhobenen Hauptes aus dem Turnier. Die Belgier gewannen souverän und hochverdient mit 4:0 (1:0) und spielen im Viertelfinale am Freitag gegen Wales. In Lille müssen sie aber auf ihren dann gelbgesperrten Abwehrmann Thomas Vermaelen verzichten.

Insgesamt zehn Vorrunden-Treffer (sechs Ungarn, vier Belgien) hatten die beiden Duellanten in ihren Gruppenspielen zuvor erzielt und damit in der Rubrik "Vor-Schuss-Lorbeer" die nominell attraktivste Achtelfinal-Partie der Europameisterschaft gebildet. Attraktiv war das Spiel dann auch wirklich, aber zu einseitig. Die Belgier gelten seit Sonntag wieder als Titelkandidat. Das hatte man nach ihrer 0:2-Auftaktniederlage gegen Italien ja mal angezweifelt.

Nur wenige Veränderungen bei beiden Mannschaften

Repräsentanten beider Delegationen waren sich in der Vergangenheit schon in der Bundesliga begegnet. Belgiens Trainer Marc Wilmots hat (für Schalke) einst gegen Ungarns Torwart Gabor Kiraly (für Hertha BSC Berlin) gespielt, und Ungarns Co-Trainer Andreas Möller hat sowohl mit seinem Chef Bernd Storck (bei Dortmund) als auch mit Wilmots (bei Schalke) zusammengespielt. Entsprechend freundlich begrüßten sich alle, doch dann musste die Vergangenheit ruhen.

Wilmots nahm in seiner Startelf nach dem 1:0 gegen Schweden nur eine Änderung vor und brachte in der Offensive Dries Mertens für Yannick Carrasco. Storck wechselte nach dem spektakulären 3:3 gegen Portugal zwei Startspieler, holte Tamas Kadar zurück in die Abwehr sowie ins Mittelfeld Adam Nagy. Laszlo Kleinheisler sollte eigentlich auch von Anfang an spielen, doch zehn Minuten vor dem Spielbeginn gab es plötzlich eine neue Aufstellung - der Mann von Werder Bremen fiel mit muskulären Problemen aus.

Belgien spielt mit enorm viel Druck

Obwohl beide Mannschaften in der Vorrunde auf durchschnittliche 53 Prozent Ballbesitz gekommen waren, wurden die Belgier mit ihrem hohen Tempo hier sehr schnell dominant. Radja Nainggolan vom AS Rom organisierte aus dem defensiven Mittelfeld den Spielaufbau.

Es dauerte keine zehn Minuten, ehe die Belgier in Führung gingen. Kevin de Bruyne schlug von links einen Freistoß an den Fünfmeterraum, an dem der aufgerückte Innenverteidiger Toby Alderweireld von Tottenham Hotspur ungestört zum 1:0 einköpfeln durfte. Die Belgier machten enorm viel Dampf. Kiraly, 40, redete wie ein alter Hirte auf eine aufgewühlte Herde Schafe ein.

Der Torwart versuchte seine Vorderleute zu beruhigen, doch diese profitierten allenfalls davon, dass die Belgier mit ihren attraktiv herausgespielten Torchancen noch viel zu großzügig umgingen. In der 35. Minute setzte De Bruyne einen Freistoß an die Latte. Kurz vor der Pause kamen die Ungarn zu ersten Entlastungsangriffen und zu zwei gefährlichen Fernschüssen. Das änderte aber nichts daran, dass sie zur Pause schon mindestens drei Gegentore hätten beklagen können.

Hazard sorgt für die Entscheidung

Doch die Belgier warteten lange auf ihr zweites Tor. Ihre Vorstöße verloren zwischenzeitlich an Präzision, und auf der anderen Seite hatte Adam Szalai Abschlüsse, die bei den ungarischen Fans zumindest ein Raunen auslösten. Eden Hazard, Romelu Lukaku und Nainggolan hatten bis zur 60. Minute weitere gute Chancen für Belgien, aber Adam Pinter hätte in der 65. Minute sogar beinahe den Ausgleich erzielt. Angesichts der so klaren ersten Halbzeit war es ein Wunder, dass die Ungarn bis hierher überhaupt noch im Spiel waren.

Erst ab der 78. Minute zog sich die belgische Schlinge schnell zu. Hazard bediente erst von außen den eingewechselten Michy Batshuayi zum 2:0 und nutzte schon die nächste Gelegenheit von seiner linken Seite zwei Minuten später selbst, als er mit dem Ball in die Mitte zog und zum 3:0 vollendete. Den Schlusspunkt zum 4:0 markierte in der Nachspielzeit der eingewechselte Carrasco.

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