Niederlande-Erfolg gegen Polen:Das Herz sagt Weghorst

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Wout Weghorst hat dieses erste Spiel der Gruppe D mit seinem 2:1 in der 82. Minute entschieden. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Mit viel Spielfreude treten die Niederlande gegen Polen auf, trotzdem muss sich Trainer Koeman vor allem eine Frage stellen lassen: Warum spielte er nicht von Anfang an mit dem Spieler, der die Partie entschied?

Von Felix Haselsteiner, Hamburg

Die Uefa entschied sich schnell, in dieser fußballphilosophischen Frage, die der erste Auftritt der Niederlande bei der Europameisterschaft aufwarf. Cody Gakpo, Linksaußen im Dienste des FC Liverpool und am Sonntagnachmittag Torschütze zum 1:1 in der ersten Halbzeit, bekam wenige Minuten nach Spielende seinen kleinen Pokal überreicht als sogenannter „Man of the Match“. Es war rein statistisch und spielanalytisch eine völlig erklärbare Auszeichnung, nur entscheidet meist nicht der Verstand, sondern das Herz im Fußball – deshalb blieb eben auch eine emotionale Frage: Wäre es nicht wesentlich passender gewesen, jenem großen, schlaksigen Niederländer mit der Nummer neun auf dem Trikot einen Sonderpreis zu verleihen, dem alle nach Abpfiff in den Armen lagen?

Wout Weghorst nämlich hatte dieses erste Spiel der Gruppe D mit seinem 2:1 in der 82. Minute entschieden. Er brauchte dafür genau einen Ballkontakt nach seiner Einwechslung eine Minute zuvor, noch nicht einmal eine mustergültige Vorlage war vonnöten, sondern nur eine abgefälschte Hereingabe des Verteidigers Nathan Aké. Weghorst könnte man zum Protagonisten machen für ein Essay über die Einfachheit des Daseins als Stürmer in vorderster Front, der einfach nur einmal richtig stehen und intuitiv reagieren muss, um der Held zu sein – während die anderen Spieler um ihn herum für 81 Minuten harte Arbeit relativ wenig Ertrag präsentieren konnten.

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Es war über weite Strecken beachtlich, wie das Offensivquartett der Niederländer aus Gakpo, Memphis Depay, Xavi Simons und Tijjani Reijnders die polnische Defensive traktierte, zerteilte und sich immer wieder beste Chancen erspielte. Eine variable Aufteilung der Räume trug dazu bei, häufige Positionswechsel, viel Mut und Schärfe in den Zuspielen, oftmals auch ein direkter Versuch aus der Distanz. Das alles waren moderne, spieltaktische Elemente, die Handschrift des Trainers Ronald Koeman war über weite Strecken klar erkennbar, nur im Abschluss wirkten die Bemühungen dann bemerkenswert zahnlos. Weshalb sich der Bondscoach am Ende vor allem die Frage stellen lassen musste, warum er seinen Stürmer mit dem guten Abschluss nicht schon früher ins Spiel gebracht hatte.

Nur im Abschluss wirken Koemans Niederländer zahnlos

„Er war ein bisschen sauer, dass er nicht von Anfang an spielte“, sagte Koeman und unterband die Aufstellungsdebatte umgehend mit dem Statement, er entscheide „für die Mannschaft“ und nicht für Einzelspieler. Gleichzeitig gelte aber auch: „Er tut sehr, sehr viel, um zu spielen.“ Weghorsts Trainingseifer und sein Einsatzwillen wurde von seinen Mitspielern schon öfter gelobt. Und selbstverständlich hätte man auch gute Argumente finden können dafür, dass er schon 80 Minuten lang am Ende der kreativen Ballstafetten des wuseligen Mittelfelds hätte bereitstehen können, gerade gegen defensive und abwartende Polen. Ein Spiel wie das gegen die Franzosen, das den Niederlanden jetzt bevorsteht, eignet sich auf den ersten Blick weniger für klassische, selbstbewusste Strafraumstürmer.

Allerdings, man lernt bei einem Turnier von Spiel zu Spiel dazu. Koeman etwa erfuhr, dass eine Unterhaltung mit dem Stürmer am Morgen des Spieltags die Entscheidungsfindung erleichtern könnte. „Nachher kann man es immer leicht sagen, aber ich habe genau das heute Morgen noch zu meiner Freundin gesagt“, berichtete Weghorst. Er habe den „gleichen Spielstand“ im Kopf gehabt, allerdings waren in seiner Traumversion noch 20 Minuten zu spielen gewesen: „Es ist etwas später geworden, aber egal.“

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