Fußball-EM 2020:Platinis Notlösung wird zur rettenden Idee

Ein Plan mit Charme: Die Fußball-Europameisterschaft 2020 wird über ganz Europa verteilt. Das verhindert die finanzielle Überforderung einzelner Länder. Für Uefa-Präsident Michel Platini ist es der Ausweg aus der Sackgasse, in die er sich mit der Aufstockung auf 24 Mannschaften gebracht hat. Denn es drohte eine EM ohne Ausrichter.

Eine Analyse von Thomas Hummel

Es ist der Traum jedes Managers, jedes Geschäftsführers, jedes Politikers uns auch jedes Vorsitzenden eines Europäischen Fußballverbands: Nachdem er aufgrund von Wahlgeschenken gewählt oder in seine Position gehievt wurde, stellt sich heraus, dass diese Wahlgeschenke riesige Probleme nach sich ziehen, die Fahrt geht direkt in eine Sackgasse, aus der es kein Entweichen gibt. Da zieht der Mann eine Idee aus der Schublade, eine Notlösung, einen letzten Ausweg - und alle finden das prima. Er ist abermals der gefeierte Revolutionär für eine bessere Zukunft.

So ähnlich muss sich jetzt Michel Platini fühlen. Der Chef der Uefa hat für die Europameisterschaft 2020 ein neues Modell erfunden: Die drittgrößte Sportveranstaltung der Welt soll dann nicht mehr wie bisher in einem Land oder zwei kooperierenden Ländern ausgetragen, sondern auf den ganzen Kontinent verteilt werden. Im Gespräch ist, für die Vorrundengruppen, Achtel- und Viertelfinale zwölf "Metropolen" auszuwählen, die Halbfinals und das Finale soll in einer Stadt stattfinden.

Die Freude über diesen Plan ist groß. In der Exekutive der Uefa stimmten alle Landesvertreter mit Ausnahme des türkischen zu. "Wir haben die Entscheidung des Exko so erwartet und bewerten sie absolut positiv", sagte Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. Sein Verband werde sich um einige Spiele bemühen, Berlin und München stehen wohl zur Auswahl. Doch um die Deutschen geht es bei dieser Entscheidung am wenigsten, denn sie könnten als einziges Land zusammen mit England eine EM noch relativ problemlos alleine stemmen. Für alle anderen Nationen ist das durch Michel Platini praktisch unmöglich geworden, es sei denn, man plündert hemmungslos den Staatsetat.

Platini ist 2007 in einer Kampfabstimmung Chef der Uefa geworden. Vor allem die vielen kleineren osteuropäischen Staaten wählten den Franzosen, der ihnen so viele schöne Versprechen machte. Sie sollten mehr Einfluss erhalten und stärker an den Milliardentöpfen der EM und der Champions League partizipieren. Es folgte die Aufstockung der EM von 16 auf 24 Länder, das erleichtert den kleinen Ländern den Zugang. Dennoch ist es eine absurde Entscheidung gewesen, an der der europäische Fußball nun zu knabbern hat.

Bei nur 53 Mitgliedsverbänden wird die Qualifikation sportlich verwässert, da sich knapp die Hälfte aller Länder qualifizieren, werden viele Partien reines Schaulaufen sein. Auch die EM-Vorrunde verliert deutlich an Spannung, denn von 24 Teilnehmern sind 16 im Achtelfinale dabei. Das größere Problem aber ist die Ausrichtung eines solchen Großevents. Welche Staaten sollen ein solch großes Turnier austragen? Vor allem bei den ebenfalls absurd hohen Anforderungen, die die Uefa an die Ausrichterländer und -städte stellt.

In Polen und der Ukraine, die nach Platinis Wahl den Zuschlag für die EM 2012 bekommen hatten, stehen einige Bauten herum, die der Steuerzahler nun teuer erhalten muss. Das Nationalstadion in Warschau und die Arena in Danzig streiten sich um die wenigen Heimspiele der Nationalmannschaft, um ausnahmsweise einmal ausgelastet zu sein. Im ukrainischen Lemberg wartet die nagelneue EM-Arena auf Nutzer. Das Geld, das der Staat dort ausgegeben hat, wird er nie wiedersehen. Auch die Portugiesen wünschten sich vermutlich, einige Stadien für die EM 2004 nie gebaut zu haben. Die Österreicher waren da schlauer: Sie konstruierten in Salzburg und Klagenfurt Stadien, die sie danach auf das Niveau ihrer Liga zurückbauen konnten.

Verschärftes Geschachere in den Hinterzimmern

Nun also eine noch größere EM. Platini schaffte es, für 2016 noch seine Franzosen dafür zu gewinnen. Doch für 2020 gibt es nur eine ernsthafte Bewerbung: die Türkei. Die liegt mit Istanbul aber auch aussichtsreich im Rennen um die Olympischen Sommerspiele 2020. Beide Großveranstaltungen in einem Sommer sind sportpolitisch und finanziell ausgeschlossen, weshalb die Uefa in eine bedrohliche Situation lief: Kriegt Istanbul den Zuschlag für Olympia, stünde Platini mit seiner schönen neuen großen EM ohne Austragungsland da.

Ukraine v France - Group D: UEFA EURO 2012

EM-Partner: Uefa-Präsident Michel Platini, bei der EM 2012 in Donezk eingerahmt von Noël Le Graët (li.), Präsidenten des französischen Fußballverbands und Ausrichter der EM 2016 sowie dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

(Foto: Getty Images)

Doch dann kam er ja auf seine rettende Idee: Ganz Europa soll die EM ausrichten.

Dieses Modell hat Charme, weil es eben nicht einzelne Länder überfordert. Weil es nicht dazu kommt, dass sich wie in der Ukraine eine Gruppe Oligarchen schamlos bereichert und gleichzeitig die Kindergärtnerinnen drei Wochen nach Hause geschickt werden, weil für sie kein Lohn mehr da ist. Platini hat recht, wenn er sagt, dass einige Länder nur in diesem Modell überhaupt einmal zu einem EM-Spiel kommen werden. Woran er aber auch selbst schuld trägt. Denn warum eine Stadt für drei EM-Vorrundenspiele im Zweifel einen neuen Flughafen, neue Fünf-Sterne-Hotels und neue Autobahnen errichten muss, bleibt das Geheimnis seines Verbands.

Der Plan birgt jedoch unübersehbare Gefahren. Da sich praktisch alle Länder mit einem eigenen Stadion bewerben können, darf man nun vor der Vergabe von einem verschärften Geschachere in den Hinterzimmern ausgehen. Und die Korruption hat sich damit auch nicht erledigt. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Uefa die Spiele allein an Standorte vergäbe, an denen schon alles da ist. Das wären aber wieder nur die großen Nationen, und das kann nicht in Platinis Sinn sein.

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