Fußball-EM 2020 in ganz Europa:"Schreckliche Entscheidung für den Fan"

Fußball-EM 2020 in ganz Europa: Deutsche Fans: gemeinsam jubeln.

Deutsche Fans: gemeinsam jubeln.

(Foto: AP)

Die Fußball-Europameisterschaft 2020 wird über ganz Europa verteilt. Stefan Sailer, Vorstandsmitglied des ersten Fanklubs der Nationalmannschaft, spricht im Interview über die Probleme der Anhänger mit diesem Modus. Und warum er Heimspiele in Berlin oder München ablehnt.

Von Jürgen Schmieder

Die "Stiftland Adler" sind der erste Fanklub der deutschen Nationalelf. Seit 1998 sind Mitglieder bei jedem großen Fußballturnier dabei. Nun steht fest: 2020 wird die Fußball-EM zum ersten Mal nicht in einem Land oder in zwei kooperierenden Ländern ausgetragen, sondern die Spiele werden über den gesamten Kontinent verteilt. Adler-Vorstandsmitglied Stefan Sailer ist von der Entscheidung der Uefa wenig begeistert.

SZ: Herr Sailer, freuen Sie sich schon auf die Europareise im Sommer 2020?

Stefan Sailer: Wir haben diese Entscheidung erwartet. Es gibt sicherlich Gründe dafür, die sinnvoll und nachvollziehbar sind. Aber für den Fan ist diese Nachricht natürlich schrecklich.

Warum eigentlich? Wenn Berlin oder München den Zuschlag bekommen, dann haben Sie in der Vorrunde womöglich drei Heimspiele...

Das wäre fatal. Berlin und München kenne ich in- und auswendig. Es geht bei diesen Reisen nicht nur darum, ein Fußballspiel anzusehen. Es geht auch darum, dieses Flair zu spüren, wenn sich ein ganzes Land auf das Turnier und die Gäste freut. Die Kultur eines Landes aufzusaugen, das man ohne den Fußball nicht besucht hätte. Nehmen wir das Beispiel Ukraine: Wir fuhren 5240 Kilometer mit dem Bus durch das Land. Man lernt die Einwohner kennen, man trifft sich mit Menschen aus aller Welt.

Sind diese Begegnungen mit anderen Fans wichtig?

Es ist eine andere Situation als etwa bei einem Bundesliga-Spiel, wo sich Nürnberger und Gladbacher Fans begegnen. Bei einer EM feiern die deutschen Anhänger einige Wochen lang gemeinsam - und sie feiern gemeinsam mit Fans aus anderen Ländern. Und man erlebt so manch verrückte Geschichte.

Welche denn?

Wir saßen 2004 in Portugal im Zug nach Lissabon und wollten einen Stadtbummel machen. Dort trafen wir fünf Schweizer Fans, die noch Tickets übrig hatten für das Spiel Schweiz gegen Frankreich im 300 Kilometer entfernten Coimbra. Da haben wir gesagt: "Die nehmen wir und fahren gleich mit!"

So etwas ist 2020 natürlich nicht möglich...

Es ist logistisch wie finanziell eine Katastrophe. Man kann sich nur auf die Follow-your-team-Option konzentrieren, andere Spiele wird man nicht zu sehen bekommen. Doch selbst die Spiele der deutschen Elf könnten schwierig werden: Im Extremfall sind die Vorrundenspiele in Madrid, Berlin, Stockholm. Dann nach London zum Viertelfinale. Das einzig schicke an der Idee ist, sowohl die Halbfinals als auch das Endspiel in Istanbul auszutragen.

Kann sich ein normaler Fan das überhaupt leisten?

Keinesfalls. Man braucht einen Helikopter oder einen Privatjet.

Bis 2020 haben Sie ja noch Zeit. Was haben Sie für die Turniere bis dahin geplant?

Bei der EM 2016 würde ich gerne mit meiner Familie und den Familien der anderen Mitglieder in einem Wohnmobil durch Frankreich fahren. Wir möchten uns Fußballspiele ansehen, unsere Frauen machen Urlaub - und unsere Kinder lernen Frankreich kennen.

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